Parallel zum regulären Betrieb des Impfzentrums hat am Wochenende der erste Impf-Durchlauf für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte sowie Praxispersonal stattgefunden. Insgesamt rund 770 Ärztinnen und Ärzte, Zahnärzte sowie medizinisches Fachpersonal haben dabei eine Erstimpfung gegen das Corona-Virus erhalten.
Vorbereitet und umgesetzt haben die Impfaktion die Johanniter-Unfall-Hilfe (JUH) und das Deutsche Rote Kreuz (DRK, die im Auftrag des Landkreises das Impfzentrum auf dem Marburger Messegelände betreiben. „Das Impfzentrum ist bei voller Auslastung für einen Durchlauf von bis zu 1.200 Personen pro Tag geplant und ausgelegt“, sagte Kreisbandinspektor Lars Schäfer, der als Gesamteiter für die Abläufe im Impfzentrum auf dem Messeplatz verantwortlich zeichnet.
„Insofern ist die praktische Abwicklung der Impftage für besondere Berufsgruppen für uns kein Problem.“
Eine Herausforderung sei diesmal eher das Einladungsmanagement gewesen, da die zeitlichen Vorgaben relativ kurz waren und die zur Verfügung gestellten Daten und Informationen zum Teil aktualisiert werden mussten. „Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Impfzentrums haben aber auch dies erfolgreich gemeistert“, unterstrich Schäfer. „Einmal mehr hat sich dabei ausgezahlt, dass wir Organisationen als Partner gefunden haben, die ein hohes Maß an Erfahrung in den Bereichen Rettungsdienst und Katastrophenschutz haben – es also gewohnt sind, schnell und angemessen auf Problemstellungen zu reagieren.“
Auch der niedergelassene Arzt Dr. Hartmut Hesse von der Ärztegenossenschaft „PriMa“ war mit seinem Praxis-Team am Wochenende an der Reihe. „Normalerweise stehe ich gerne am anderen Ende der Nadel, aber diese Impfung habe ich herbeigesehnt“, sagte Hesse, nachdem er die Impfung erhalten hatte.
In den Kliniken sei bereits nach Weihnachten begonnen worden, die Belegschaft zu impfen. Zwei Monate später hätten die politisch Verantwortlichen auf Landesebene erkannt, dass es sinnvoll sei, das medizinische Personal in der ersten Reihe ebenfalls zu impfen, meinte Hesse.
„Neben unserem Routinebetrieb in den Praxen sehen wir die Reiserückkehrer, die Lehrerinnen Lehrer, die Erzieherinnen und Erzieher, die Kontaktpersonen, die Reisewilligen, die Verunsicherten und die Symptomatischen“, schilderte er die vielfältigen Kontakte zu Patientinnen und Patienten. „Glücklicherweise mussten bisher im Landkreis nur ein halbes Dutzend unserer Praxen zeitweise wegen Corona-Infektionen geschlossen werden. Aber auch das sind noch zu viele“, erklärte der Mediziner.
Geimpft wurde er – so wie die meisten anderen Impflinge aus der medizinischen Berufsgruppe – mit dem AstraZeneca-Impfstoff. Für Hesse ist das kein Problem: „Neuere Daten belegen für diesen Impfstoff eine fast ebenbürtige Wirksamkeit gegenüber den Vergleichsseren“, betonte er.
Auch sei sehr wahrscheinlich, dass die Altersbeschränkung für den AstraZeneca-Impfstoff in den nächsten Wochen aufgehoben werde. „Anfangs zweifelten auch viele an dem Impfstoff von Biontech“, erinnert er sich. „So etwas ,Neumodisches‘ und ,Gefährliches‘ wollte man nicht haben. Da war egal, dass es eine zehnjährige Erfahrung mit dem Wirkmechanismus gibt. Saubere Studien und gutes Marketing führten dann aber zu einer Begeisterung für dieses Produkt.“
AstraZeneca habe Negativschlagzeilen erhalten, weil sie sich nicht an die mit der EU ausgehandelten Verträge halten wollten und sei, wie auch die EU, für das Vorgehen massiv kritisiert worden. „Als dann der Impfstoff zugelassen wurde und aufgrund ungenügender Datenlage für ältere Menschen in der EU nur zwischen 18 und 64 Jahren verimpft werden darf, wurde aus dem einstmals herbeigesehnten Retter ein Ladenhüter.“
Wenn berichtet werde, insbesondere junge Patienten hätten auf den AstraZeneca-Impfstoff reagiert, so verwundere das nicht, stellte der Arzt klar. „Es hängt von der Immunantwort ab, wie stark wir reagieren; und das Immunsystem ist bei jungen Menschen stärker als bei Älteren. Bei jeder Impfung ist mit einer Immunreaktion zu rechnen, sie ist ja das Ziel der Impfung. Leider reagiert man manchmal auch lokal mit Schwellung, Rötung und Schmerz an der Einstichstelle, weit seltener mit Fieber und Abgeschlagenheit. Alles eher Zeichen des gesunden Immunsystems und der Bildung von Antikörpern, dem Ziel der Impfung.“
Er rechne damit, dass schon sehr bald so viel Impfstoff verfügbar sei, dass die Impfzentren nicht mehr alleine impfen werden und die Impfleistungen auch von den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten erbracht werden. So könne auch einem befürchteten Impfstau entgegengewirkt werden, hofft Hesse.
* pm: Landkreis Marburg-Biedenkopf