Wahrnehmung wahrgenommen: Hautkrebszellen spüren keinen Druck

Hautkrebs spürt keinen Druck . Eine europaweite Kooperation klärt auf, wie gesunde Stammzellen der Haut mechanische Kräfte wahrnehmen.
Krebszellen der Haut haben die Eigenschaft, sich unkontrolliert zu vermehren. Gesunde Stammzellen dagegen „spüren“ den Druck benachbarter Zellen und reduzieren daraufhin ihre Vermehrung. Marburger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um den Pharmakologen Prof. Thomas Worzfeld haben diesen Mechanismus nun erforscht.
In Zusammenarbeit mit Forscherinnen und Forschern aus Finnland und Großbritannien konnten sie erstmals Rezeptoren in den Stammzellen identifizieren, die für die Wahrnehmung von mechanischem Druck verantwortlich sind. In untersuchten Tumorzellen fehlten diese hingegen nahezu vollständig. „Die Rezeptoren könnten daher neue Ansätze in der Erforschung der krankhaften Zellteilung von Tumoren liefern“, erläuterte Thomas Worzfeld, der die Studie leitete.
In mehrzelligen Lebewesen entstehen spezialisierte Zellen aus Stammzellen, die teilungsfähig sind. Auch Gewebe wie die Haut entwickeln sich durch die Teilung von Stammzellen.
„Durch die Zellteilungen nimmt die Zahl der Stammzellen zu“, , legte Worzfeld dar. „Da ihnen jedoch nur ein begrenzter Platz zur Verfügung steht, komprimieren sich die Stammzellen zunehmend gegenseitig.“
Die Kompression führt zu einer Hemmung der Zellteilung. Das sorgt dafür, dass sich die Stammzellen nicht unkontrolliert vermehren. „Wass die Stammzellen der Haut mechanische Kräfte wahrnehmen können, war bislang jedoch kaum bekannt“, führte der Hochschullehrer aus.
Die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nahmen sich Proteine aus der Familie der Plexine vor, die in der Zellmembran verankert sind; sie tragen in vielen Geweben dazu bei, dass Zellen miteinander kommunizieren können. Die Forschungsgruppe schaute sich zunächst beispielhaft an, wie die Haut bei Mausembryonen entsteht.
Schaltet man Plexine aus, so können Stammzellen den Druck der Nachbarzellen nicht mehr spüren und es kommt es zu übermäßiger Zellteilung. Die Haut enthält deshalb zu viele Zellen und verdickt sich.
„Unsere Studie zeigt, dass Plexine eine Schlüsselstellung einnehmen, wenn es um die Wahrnehmung mechanischer Kräfte geht, die auf Stammzellen der Haut wirken“, erläuterte Erstautor Chen Jiang, der seine Doktorarbeit in Worzfelds Arbeitsgruppe anfertigt. Die Ergebnisse bieten nicht nur neue Einblicke in die Bildung der Haut im Embryo, sondern auch in die Entwicklung von Krebs.
In menschlichen Hautkrebszellen liegt viel weniger Plexin-Protein vor als in gesunden Zellen, stellte das Forschungsteam fest. Schaltet man Plexin-Rezeptoren bei Mäusen aus, so können sich Tumorzellen der Haut stärker vermehren. „Unsere Untersuchungen zur Wahrnehmung zellulärer Kompression durch Plexin-Proteine könnten daher für die weitere Erforschung des Wachstums von Hauttumoren medizinisch von Belang sein“, erklärten die Autoren.
Worzfeld leitet das Pharmakologische Institut am Fachbereich Medizin der Philipps-Universität. Neben seiner Arbeitsgruppe beteiligten sich zahlreiche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Philipps-Universität sowie weiterer Forschungsinstitutionen aus der Bundesrepublik sowie Finnland und Großbritannien an der Veröffentlichung. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), die Juséliusstiftung aus Finnland sowie der Chinesische Stipendienrat haben beteiligte Forscherinnen und Forscher finanziell unterstützt.

* pm: Philipps-Universität Marburg

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