„Wir müssen möglichst viele Menschen zusammenbringen, um wirksammen Klimaschutz durchzusetzen“, sagt Mariele Diehl. Die 20-jährige Studentin kandidiert am Sonntag (14. März) für die Position der Marburger Oberbürgermeisterin.
Diehl ist Kandidatin der „Klimaliste“. Außerdem ist sie aktiv bei der Klimagruppe „MarburgZero“. Diese Gruppe erstellt ein Konzept, wie die Stadt und ganz Deutschland klimaneutral werden können.
„Ein wichtiger Faktor dabei ist der Verkehr“, erklärt Diehl. „Wir müssen den Autoverkehr durch mehr Rad- und Fußverkehr sowie einen besseren ÖPNV weitgehend ersetzen.“
Das gehe jedoch nicht „von oben herab“, sondern „nur durch Zusammenarbeit“, erläutert die Psychologiestudentin. Darum hat sie die Gruppe „Initiative Psychologie im Umweltschutz Marburg“ mitgegründet. Damit möchte sie nach Wegen suchen, wie die Klimaschutzbewegung möglichst viele Menschen für mehr aktiven Klimaschutz gewinnen kann.
„Aber die Last der Veränderung darf nicht einfach auf die Menschen abgeladen werden“, fordert Diehl. „Der Staat muss den Rahmen dafür schaffen, dass die Menschen mitmachen können und wollen.“
Wer ihre Forderung nach einem raschen radikalen Umsteuern als unrealistich abtut, dem hält sie vor, dass „das Weiter so und die Vorstellung von immer mehr Wachstum noch viel unrealistischer“ sei. „Wir müssen jetzt handeln, damit wir überhaupt noch eine Chance haben, eine Klimakatastrophe zu verhindern“, warnt die junge Klima-Aktivistin.
Für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) bedeute das eine verbesserte Busanbindung der Stadtteile ebenso wie mehr Fahrten in die umliegenden Dörfer. „Der ÖPNV muss so attraktiv werden, dass keiner mehr ein Auto braucht“, erklärt sie. „Außerdem müssen Parkstreifen und Parkhäuser nach und nach verschwinden.“
Darum fordert die Klimaliste Tempo 60 auf der Stadtautobahn und Tempo 30 in der Stadt. In Wohngebieten soll die Geschwindigkeit sogar auf 20 Kilometer pro Stunde abgesenkt werden. „Dann lohnt sich Autofahren für viele nicht mehr“, begründet Diehl diesen Vorstoß.
Zudem fordert sie mehr Radwege und Fahrradstreifen. Dafür sollten die Parkbuchten entlang der Straßen weitgehend verschwinden. „Der motorisierte Individualverkehr ist eine Fortbewegungsmethode von gestern, die auf Dauer abgelöst werden muss“, meint sie.
Auch beim Bau und der Sanierung von Häusern müsse sehr schnell gehandelt werden, um Marburg bis 2030 klimaneutral zu machen. Die laufenden Programme der Stadt Marburg betrachtet sie dabei nur als ersten Schritt.
„Öl- und Gasheizungen müssen durch Elektroheizungen mit Strom aus Wind- und Solarenergie ersetzt werden“, verlangt Diehl „Das muss die Stadt ebenso wie der Bund und das Land bezuschussen.“
Keineswegs dürften die Kosten einer Sanierung bei den Mieterinnen und Mietern landen, warnt sie „Eine ökologische Gentrifizierung darf es nicht geben.“
Klimaschutz sollte nicht bei den sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen beginnen, sondern bei „denen, die es sich leisten können“. Schließlich hätten Erwerbslose und Alleinerziehende oder Familienmitglieder in aller Regel schon jetzt den geringsten ökologischen Fußabdruck.
Notwendig sei zunächst das Nachdenken über den eigenen Lebensstil und seine Auswirkungen auf Klima, Artenschutz und ökologische Vielfalt. „Vielleicht essen manche Leute dann weniger Fleisch und zahlen etwas mehr für eine bessere Qualität beim Biohandel“.
Ein weiterer Vorschlag der Klimaliste ist die gemeinsame Nutzung von Einrichtungen wie einer Dorf- oder Stadtteilkantine und örtlicher Backhäuser. „Das gemeinsame Essen verringert nicht nur den Energieaufwand pro Mahlzeit, sondern fördert zugleich auch die Dorfgemeinschaft“, erläutert die Psychologiestudentin.
Diehl betont jedoch, dass alle Vorschläge immer freiwillig umzusetzen sind. Dafür bedürfe es aber auch gemeinschaftlicher Strukturen wie des kürzlich gegründeten Ernährungsbeirats oder anderer Formen direkter Demokratie und Bürgerbeteiligung.
Die Abschaffung der Abstandsregel für Windkraftwerke ist Diehl ein weiteres wichtiges Anliegen. „Ich finde es absurd, dass Windanlagen einen Kilometer entfernt sein müssen von Siedlungen, Mülldeponien aber nur 500 Meter.“
Zudem plädiert Diehl für die Freilegung versiegelter Flächen. „Was die Bodenversiegelung betrifft, haben wir das Ergebnis gerade erst mit dem Hochwasser gesehen“, warnt sie. „Die Erhitzung der Stadt im Sommer ist eine weitere Folge von weiträumiger Flächenversiegelung.“
Semiprofessionell spielt die 20-jährige Studentin eigene Lieder auf der Harfe. Obwohl das Instrument sehr schwer und unhandlich ist, besitzt sie jedoch weder ein eigenes Auto noch einen Führerschein. Dergleichen habe sie in ihrem Leben bislang nie gebraucht.
2018 ist Diehl aus ihrer Geburtsstadt Essen zum Studium nach Marburg gekommen. Im Zuge ihres Engagements für Klimaschutz hat sie dann allmählich begonnen, sich auch für Kommunalpolitik an ihrem Studienort zu interessieren. Ihre Kandidatur ist ein weiterer logischer Schritt in diesem Prozess.
„Ich gehe nicht davon aus, als Oberbürgermeisterin gewählt zu werden“, erläutert sie. „Da mache ich mir keine Illusionen. Aber ich trete an, um klar zu machen, dass der Klimaschutz Anspruch auf eine Spitzenposition im Rathaus erhebt.“
* Franz-Josef Hanke