Zwischen zwei besonders geeigneten Angeboten zum Ringlokschuppen soll das Stadtparlament nun entscheiden. Das hat ein breit aufgestelltes Auswahlgremium am Mittwoch (3. Mai) dem Magistrat und der Stadtverordnetenversammlung (StVV) empfohlen.
Um den denkmalgeschützten Ringlokschuppen mit einer zum kulturellen Umfeld des Waggonhallen-Areals passenden Nutzung zu erhalten, hatte sich das Stadtparlament im Herbst auf Magistratsvorschlag für eine Konzeptausschreibung mit Bürgerbeteiligung entschieden. „Die Zusammenarbeit im Auswahlgremium war äußerst konstruktiv und sachorientiert“, erklärte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies nach Ende der Sitzung. „Wir sind uns einig, jetzt mit den zwei am besten geeigneten Angeboten in die öffentliche Diskussion gehen zu können.“
Stadtverordnete und interessierte Bürger werden Anfang Juni Gelegenheit haben, beide Konzepte in einer öffentlichen Veranstaltung kennenzulernen. Bis dahin sollen Detailfragen in Gesprächen mit beiden Bietern geklärt werden. Voraussichtlich am Freitag (30. Juni) entscheidet dann das Stadtparlament in öffentlicher Sitzung über die Vergabe.
In einer ersten Runde Mitte April hatte das Auswahlgremium die eingegangenen Angebote nach Kriterien wie Denkmalschutz, Architektur, Gestaltung, städtebaulichem Konzept und Art der Nutzung, nach Wirtschaftlichkeit, Realisierungszeitraum und energetischem Konzept bewertet. In seiner zweiten Runde wurde jetzt auch der vorher unter Verschluss gehaltene Angebotspreis als Kriterium mit einbezogen. Das Auswahlgremium, dem Anwohnerinnen und Anwohner, Nutzerinnen und Nutzer, fachkundige Beiräte und alle Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung neben Magistrat und Verwaltung angehören, hat nun eine Empfehlung abgegeben, die in Magistrat und Stadtverordnetenversammlung beraten wird.
Die „Bietergemeinschaft Drehscheibe-Lokschuppen“ hat ein Angebot unter dem Titel „Kultur- und Begegnungszentrum Drehscheibe-Lokschuppen“ eingereicht. Als Hauptmieter will der Verein „Christus-Treff“ mit wöchentlich rund 450 Besuchern fungieren.
Ein neues gläsernes Atrium mit Sichtachse auf Drehscheibe und Stadt soll laut diesem Vorschlag architektonisch mehrere Raumkonzepte miteinander verbinden: auf der einen Seite einen Veranstaltungsraum für kulturelle Events, Gottesdienste sowie als offene Begegnungsfläche und auf der anderen Seite einen Kreativraum mit Büros, Ateliers und Meetingräumen für die Kunst-, Kreativ- und Kulturszene. Ein Konzept für studentisches Wohnen –
integriert in die historische Industriekultur des Lokschuppens – soll hinzukommen. Im angrenzenden Werkstattgebäude entstünden für die Nutzung durch den Christus-Treff auf zwei Ebenen Verwaltungs- und Seminarräume sowie ein Erlebnisbereich für Kinder.
Das Unternehmen Christmann und Pfeifer hat gemeinsam mit Marburger Kreativunternehmen ein Angebot unter dem Titel „Von der Industriebrache zum kreativen Knotenpunkt“ eingereicht. Baulich will dieses Projekt die historische Hülle der Waggonhalle erhalten und um ein Dach mit Glaselementen ergänzen. In die Hülle hinein gebaut werden sollen separat beheizbare Teilbaukörper.
Öffentliche Tagungsräume und eine Ausstellungsfläche wären sowohl für das Theater der Waggonhalle und die Gastronomie des Rotkehlchens als auch zur Vermietung für Veranstaltungen nutzbar. Ergänzt würde das bestehende Gebäude um eine private Arbeitsfläche für die Marburger Kreativwirtschaft und Start-Ups, wobei die Wände und das Dach des Lokschuppens erhalten und sichtbar bleiben. Im Werkstattgebäude soll ein Hotel und Boarding-Haus mit 32 Zimmern entstehen.
„Auch im Namen des Auswahlgremiums möchte ich allen danken, die mit Ideen und großem persönlichen Engagement dazu beigetragen haben, jetzt Bewegung in die Sache zu bringen“, erklärte Spies. „Unser Ziel ist es, durch das offene Verfahren ein größtmögliches Einvernehmen herzustellen und den denkmalgeschützten Ringlokschuppen mit einer – zum kulturellen Umfeld des Waggonhallen-Areals passenden – Nutzung zu erhalten.“ Sollten sich im Rahmen des bestehenden Verfahrens Kooperationen der Bieter ergeben, würden diese gerne geprüft, erklärte das Stadtoberhaupt.
Der seit langem ungenutzte und leerstehende Lokschuppen im Nordviertel am Ortenberg ist als Kulturdenkmal eingetragen und befindet sich in einem baulich sehr schlechten Zustand. Aufgrund der unterlassenen Instandhaltung seitens des Voreigentümers waren große Teilbereiche des Daches bereits vor dem Kauf eingestürzt, so dass das Gebäude nach der Übernahme durch die städtische Wohnungsbaugesellschaft als Erstes komplett abgesperrt werden musste.
2015 war zudem der kontrollierte Abbau eines begrenzten – unmittelbar einsturzgefährdeten – Teilbereichs des Daches notwendig geworden, um wesentlich größere Schäden durch einen unkontrollierten Teileinsturz zu verhindern. Die Dacheindeckung wurde abgenommen und die freiliegende Dachkonstruktion vor weiterer Verwitterung geschützt. Es besteht dringend Handlungsbedarf, um den Bestand zu sichern.
* pm: Stadt Marburg