Wo früher mal der Schlachthof war, gibt’s heute Kino und Kunst. Knapp 23 Millionen Euro hat die Stadt in die Sanierung der „Nördlichen Altstadt“ investiert.
In einer neuen Broschüre stellt die Stadt die wichtigsten Maßnahmen aus rund 30 Jahren Stadtentwicklung vor. Wer das Luisa-Bad, das Biegeneck und den Alten Schlachthof sowie die Ketzerbach vor der „Sanierung“ kennt, dem kommen angesichts dieses Raubbaus an Marburgs traditionellem Gesicht allerdings die Tränen. Doch die Stadt feiert die Sanierungals Erfolgsgeschichte.
„Unsere schöne Stadt hat einen unverwechselbaren Charme mit einer Bandbreite an moderner Architektur und dem Flair der Fachwerkbauten“, erklärte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies. „Ihre funktional ausgerichteten Gebäude bieten Wohn- und Geschäftsräume gleichermaßen, sie sind durch fußläufige Verbindungswege weitestgehend barrierefrei erreichbar.“
„Im Laufe der vergangenen 30 Jahre hat sich das Bild der Stadt – von der Ketzerbach über Zwischenhausen, den Steinweg und die Neustadt sowie entlang des Pilgrimstein bis zur neuen Mitte zwischen Biegeneck und Gerhard-Jahn-Platz – stark gewandelt“, sagte der Oberbürgermeister: „Im Bereich des ehemaligen Schlachthofes, des Stockgeländes sowie in der nördlichen Altstadt sind umfangreiche städtebauliche und strukturelle Maßnahmen erfolgreich umgesetzt worden. Eine wichtige Basis für den Erfolg ist das Engagement und die Beteiligung der Partner*innen.“
Möglich gemacht haben das Städtebaufördermittel von Bund und Land sowie der städtische Eigenanteil. Der wurde gezielt dafür eingesetzt, um die Marburger Innenstadt, die historische Gebäudesubstanz sowie die gewachsenen Stadtstrukturen nachhaltig zu entwickeln. Im „Abschlussbericht 2019“ – einer knapp 60-seitigen Broschüre – hat der Fachdienst Stadtplanung und Denkmalschutz der Universitätsstadt Marburg die Sanierungsziele und die dazugehörigen Maßnahmen zusammengetragen.
Zahlreiche Fotografien dokumentieren anschaulich, wie sich das Stadtbild im Sanierungsgebiet ab 1986 gewandelt hat. Kurze Texte erläutern die wichtigsten Maßnahmen. Ebenso gibt es einen Rückblick auf die Vorbereitung und Durchführung des Verfahrens.
Im September 1986 wurde das Sanierungsgebiet „Nördliche Altstadt“ sowie das Ersatz- und Ergänzungsgebiet „Schlachthof/Stockgelände“ förmlich festgesetzt. Damit wurde festgelegt, welche Straßen und welche Grundstücke zum Sanierungsgebiet gehören, die Grenzen des Gebiets zwischen Oberstadt und Weidenhausen kenntlich gemacht und festgehalten, welche Grundstücke das Ersatz- und Ergänzungsgebiet umfasst.
Ziele in der nördlichen Altstadt waren unter anderem die Modernisierung und Instandsetzung von vielen Gebäuden mit hohem Sanierungsbedarf, um das Wohnumfeld zu verbessern. Mit Verkehrsberuhigung und neuer Gestaltung wurde die Aufenthaltsqualität gesteigert.
Ein Beispiel ist der zentrale Bereich der Innenstadt: die Umgestaltung der neuen Marburger Mitte einschließlich des Baus der Luisa-Heuser-Brücke gemeinsam mit einer Investorengemeinschaft. Anstelle des ehemaligen Schlachtereibetriebs an der Biegenstraße, des Luisabads und verödeter Brachflächen traten eine Bankfiliale, ein Multiplexkino mit Kunsthalle, ein Gewerbe- und Dienstleistungsgebäude sowie Wohnungen entlang der Lahn. Die Fußgängerbrücke schafft außerdem eine Verbindung zwischen der neuen Mitte Marburgs und dem Erlenring.
Ein weiteres zentrales Projekt der nördlichen Altstadt-Sanierung war die Neu- und Umgestaltung der Ketzerbach. Dazu gehörte unter anderem das „Wasserband“, das den Straßenraum der Ketzerbach komplett neuorganisiert.
Dazu wurden breite und verkehrssichere Flanier- und Aufenthaltsbereiche vor den Häuserzeilen geschaffen, die mehr Aufenthalts- und Lebensqualität bringen. Auch private Modernisierungs- und Instandsetzungsprojekte haben dazu beigetragen, den Wohnwert in der nördlichen Altstadt zu steigern.
Die Sanierungsziele wurden gemeinsam von Stadt und privaten Investoren erreicht: Die nördliche Altstadt ist als öffentlicher Raum aufgewertet, ihre Attraktivität als Wohn- und Lebensraum gesteigert. Die Bereiche Schlachthof und Stockgelände wurden funktional und strukturell aufgewertet und nachhaltig entwickelt.
Die „neue Mitte Marburgs“ ist dadurch heute einer der wesentlichen kulturellen und gesellschaftlichen Stadtbereiche Marburgs. Außerdem gibt es nun mehrere – zum großen Teil barrierefreie – Verbindungswege und Zugänge zwischen Oberstadt und Pilgrimstein sowie Erlenring und Altstadt.
Die Sanierungsziele, die 1986 festgelegt wurden, sind erreicht. Seit Oktober 2019 ist der nördliche Teil der Altstadt nun auch offiziell kein Sanierungsgebiet mehr.
Gleiches gilt für das Ersatz- und Ergänzungsgebiet zwischen Oberstadt und Weidenhausen. Der Fachdienst Stadtplanung und Denkmalschutz der Stadt hat im Zuge des Verfahrensabschlusses den Abschlussbericht erstellt – als Broschüre, die nun öffentlich ausliegt.
Insgesamt wurden 22.767.853 Euro für die Gesamtmaßnahme ausgegeben – von Bund, Land und Stadt. Gemäß Baugesetzbuch sind zur Refinanzierung Ausgleichsbeträge zu erheben, die von den Eigentümern zum Teil schon vorzeitig abgelöst wurden.
Die Stadt hat nach Aufhebung des Sanierungsgebiets nun vier Jahre Zeit, die noch ausstehenden Ausgleichsbeträge zu erheben. Öffentliche Informationsveranstaltungen dazu sind ab dem zweiten Halbjahr 2021 geplant.
Die Broschüre liegt im städtischen Bauamt sowie im Rathaus der Universitätsstadt Marburg zur Mitnahme aus. Außerdem steht der Abschlussbericht als pdf-Dokument zum Download bereit unter dem Link
www.marburg.de/portal/seiten/staedtebauliche-sanierungsmassnahme-noerdliche-altstadt-mit-ersatz-und-ergaenzungsgebiet-schlachthof-stockgelaende-abschlussbericht-2019-900002128-23001.html. Die Aufhebungssatzungen sind auf der städtischen Homepage ebenfalls als pdf-Dokumente veröffentlicht.
* pm: Stadt Marburg