Ausschreibung nach Ausstellung: Bewerbungen zum Jürgen-Markus-Preis bis 15. April

Inklusion und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen fördern soll der Jürgen-Markus-Preis. Bis Mittwoch (15. April) können sich Menschen bewerben, deren Idee, Projekt oder Initiative hilft, Barrieren abzubauen.
Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies hat sich angeschaut, was die „Freunde des Kunstmuseums“ als vergangene Preisträger mit dem Preisgeld realisiert haben. „Das Thema Barrierefreiheit hat für die Universitätsstadt Marburg einen ganz hohen Stellenwert“, betonte er bei der Pressekonferenz zur Vergabe des Jürgen-Markus-Preises 2020 im Kunstmuseum.
„Menschen sind nicht behindert, sie werden behindert von Verhältnissen, die wir schaffen“, erklärte Spies. Auch wenn es ein schwieriges Unterfangen für nicht behinderte Menschen sei, alle möglichen Hindernisse im Blick zu haben, sei die Barrierefreiheit bei allen städtischen Maßnahmen und Projekten einer der Kernansprüche, die immer mitgedacht werden.
Diese Haltung in der Stadt habe viele Mütter und Väter, aber sozusagen einen „Übervater“, nämlich Jürgen Markus. Mit seiner außergewöhnlichen Persönlichkeit und seinem Wirken habe er die Behindertenpolitik in Marburg geprägt, „energiereich, nachdrücklich und unnachgiebig“, erläuterte der Oberbürgermeister.
Nach dem Tod von Jürgen Markus mit nur 52 Jahren im Jahr 2010 verlieh die Stadt Marburg erstmals 2012 einen nach ihm benannten Preis, der dazu dienen soll, das Bewusstsein für Barrierefreiheit und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in der breiten Bevölkerung zu schärfen. Der Preis wird alle zwei Jahre vergeben und ist mit einem Preisgeld von 20.000 Euro dotiert, das auch an mehrere Preisträger verteilt werden kann.
„Dieser Preis ist kein Belohnungs-, sondern ein Motivationspreis“, sagte Spies. Er soll ein Ansporn sein und Projekte anstoßen beziehungsweise die Initiatoren mit dem Preisgeld in die Lage versetzen, Ideen umzusetzen.
„Diese Ideen können und sollen aus allen möglichen Lebensbereichen kommen“, betonte Markus´Witwe Susanne Holz. Sie gehört dem Kuratorium an, das über die Vergabe des Preises entscheidet. In den vergangenen Jahren gehörte das inklusive Theaterprojekt „Hürdenlauf“ ebenso zu den ausgezeichneten Ideen wie eine App, die das Bahnfahren für Behinderte erleichtern soll.
Im Jahr 2018 wurde der Verein „Freunde des Kunstmuseums“ mit 15.000 Euro aus dem Topf des Jürgen-Markus-Preises gefördert. Was sich seitdem aus dem Gedanken entwickelt hat, das Museum auch für Menschen mit Einschränkungen verschiedenster Art attraktiv und erlebbar zu machen, bekamen Vertreter der Stadt und des Kuratoriums im Rahmen der Pressekonferenz erläutert.
Dr. Catharina Graepler und Dr. Bernhard Conrads aus dem Vorstand des Vereins präsentierten unter anderem taktile Pläne, die es Sehbehinderten ermöglichen, sich in den Räumen zu orientieren. Eine Museumsbroschüre in leichter Sprache wurde bereits erarbeitet. Auch der Audioguide soll erweitert und auf Menschen mit Einschränkungen zugeschnitten werden.
Zusätzlich gehört ein Materialwagen zu den Ideen, die noch umgesetzt werden sollen. Bereits bestellte reliefartige „Übersetzungen“ zum Ertasten von einzelnen Werken seien zunächst einmal zurückgestellt worden, erklärte Museumsdirektor Dr. Christoph Otterbeck.
Festgestellt worden sei, dass sie nicht bei allen gut ankämen. Stattdessen sei von Sehbehinderten und Blinden der Wunsch geäußert worden, Leinwände und Farbstrukturen anzufassen, was bei den Bildern selbst allerdings nicht möglich ist.
Diese Erkenntnisse haben sich aus zwei Workshops ergeben, die die „Freunde des Kunstmuseums“ im Jahr 2019 angeboten haben. „Wir haben uns Expert*innen in eigener Sache ins Haus geholt“, berichtete Graeper. Sowohl Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen wie auch Blinde und Sehbehinderte haben das Museum in diesen Workshops kennengelernt und ihre Erlebnisse und Wünsche kommuniziert.
Mit dem Geld des Jürgen-Markus-Preises solle kein Aktionismus betrieben, sondern zielgerichtet gearbeitet werden, sagte Conrads. Das beinhalte eine gründliche Vorbereitung.
„Eine tolle neue Erkenntnis war für uns, dass alle Menschen mit einer Behinderung – gleich welcher Art – vor allem auf eine Sache Wert legen, nämlich Kontakt und eine persönliche Begleitung“, berichtete Conrads. Das Aufsichtspersonal müsse zu „Besuchsbegleiter*Innen“ werden. Das sei ebenso ein Gewinn für nicht behinderte Menschen wie andere Projekte auch.
Conrads erklärte, nachdem er beim Besuch einer anderen Kunsthalle bewusst den Audioguide in leichter Sprache gewählt habe, wolle er den ab jetzt immer nutzen. „Das war so viel lebhafter.“
Das bestätigte auch Spies: „Maßnahmen zur Inklusion sind keine Wohltätigkeit für Bedürftige; sie sind eine Bereicherung für alle.“ Ganz in diesem Sinne sollen auch die Projekte für den diesjährigen Jürgen-Markus-Preis ausgerichtet sein.
Das Formular zur Bewerbung für den Preis 2020 können Marburger Gruppen oder Organisationen anfordern beim Magistrat der Stadt Marburg oder herunterladen unter www.marburg.de/juergen-markus-preis. Die Bewerbungen können als Kurzdarstellung der Maßnahme, Initiative oder des Projekts als Word-Datei auf maximal fünf DIN A4-Seiten bis Mittwoch (15. April) bei der Behindertenhilfe der Stadt eingereicht werden. Die Preisverleihung findet am Freitag (11. September) um 15 Uhr im Historischen Saal des Rathauses statt.
Markus wurde 1957 in Bad Driburg geboren. In den 70er Jahren kam er zum Studieren nach Marburg. 1982 zog er sich durch einen Sportunfall schwere Verletzungen zu, die eine Querschnittlähmung zur Folge hatten.
In seinem „zweiten Leben“ danach engagierte er sich für ein menschenwürdiges und selbstbestimmtes Leben von Menschen mit Behinderungen unter anderem in der „Krüppelinitiative Marburg“ (KrIM), im „Verein zur Förderung der Inklusion behinderter Menschen“ (fib) und als Abgeordneter von Bündnis90/Die Grünen im Stadtparlament. 1997 brachte er den Behindertenbeirat mit auf den Weg. Bevor er mit nur 52 Jahren starb, hatte er zunehmend mit gesundheitlichen Problemen in Folge seiner Verletzungen zu kämpfen.

* pm: Stadt Marburg

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