Marburg solidarisiert sich mit seiner Jüdischen Gemeinde. Die Demonstration #Wirstehenzusammen startet am Samstag (12 Oktober) um 13 Uhr vor der Snagoge an der Liebigstraße.
Ein Rechtsterrorist hat am höchsten jüdischen Feiertag „Jom Kippur“ die Synagoge in Halle an der Saale angegriffen. Nicht nur in der hessischen Polizei agieren Neonazi-Netzwerke. Das ist in höchstem Maße besorgniserregend.
Aus Bestürzung, Sorge und Scham gehen viele Menschen überall in Deutschland auf die Straße. „#wirstehenzusammen –
Marburg gegen Terror und Gewalt!> Marburg in Solidarität mit der Jüdischen Gemeinde“! lautet das Motto einer entsprechenden Demonstration am Samstag (12. Oktober)um 13 Uhr vor der Synagoge an der Liebigstraße im Marburger Südviertel.
Hinzu kommt in Marburg die Beunruhigung über mehrere Hakenkreuz-Schmierereien und andere Nazi-Aktionen. In der Nacht zu Mittwoch (2. Oktober) sind in Wehrda wieder Hakenkreuze aufgetaucht. Außerdem wurde eine antisemitische Botschaft gefunden. bereits seit August 2019 registriert die Polizei vermehrt Hakenkreuz-Schmierereien am Lärchenweg.
Angesichts solcher Vorkommnisse ist die öffentliche Solidarität mit Menschen jüdischen Glaubens sehr wichtig. Die Beileidsbekundungen mancher Politiker nach dem Attentat von Halle hinterlassen hingegen mitunter einen faden Nachgeschmack. Allzu oft waren ähnliche Äußerungen in der Vergangenheit bereits zu hören, ohne dass sich hinterher wirklich was geändert hätte.
Nach dem Bekanntwerden der Mordserie des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) versprach Bundeskanzlerin ‚Anela Merkel eine „lückenlose Aufklärung“. Ihr Parteikollege Volker Bouffier ließ Akten dazu jedoch für zunächst 120 Jahre sperren. Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss des Thüringischen Landtags zum NSU beendete seine Tätigkeit kürzlich mit der Feststellung, sein Auftrag sei „unlösbar“ gewesen.
Derweil erhält die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz wiederholt rassistische Drohschreiben mit der Unterschrift „NSU 2.0“. Vieles weist darauf hin, dass Beamte der Frankfurter Polizei sie entweder geschrieben oder den Schreibern dabei geholfen haben. Mehrere rechtsradikale und rassistische Chatgruppen in der Polizei nicht nur in Hessen sorgten für berechtigte Aufregung und Sorge.
Wer Schreibben mit Morddrohungen verfasst und mit „NSU 2.0“ unterzeichnet, der bekennt sich damit zur Mitgliedschaft in einer Terroristischen Vereinigung. Deswegen müsste eigentlich der Generalbundesanwalt (GBA) in dieser Angelegenheit ermitteln. Ebenso ermitteln müsste er gegen „Uniper“ und andere Nazi-Netzwerke in den sogenannten „Sicherheitsbehörden“, die auf eine Unterwanderung und Abschaffung des demokratischen Rechtsstaats hinarbeiten.
Der Rechtspopulist Dr. Hans-Georg Maaßen hätte in einem demokratischen Staat niemals Präsident des sogenannten Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) werden dürfen. Dieser Geheimdienst schützt nicht das Grundgesetz, sondern gefährdet die Demokratie durch eine massive finanzielle und logistische Unterstützung rechtsextremer Gruppen auf dem Umweg über seine V-Leute. V-Mann-Führer Andreas Temme in Kassel konnte niemals den Verdacht wirksam widerlegen, am Mord an Halit Yozgat beteiligt gewesen zu sein.
Der rassistische Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke war ein weiterer Tiefpunkt in der jüngeren Geschichte Hessens. Bouffier musste seine Abwiegelei im Mordfall des Kasseler NSU-Mordopfers Yozgat und seine „schützende Hand“ über dem Verfassungsschutz-Beamten Temme mit dem Tod seines langjährigen politischen Wegbegleiters bezahlen.
Lübcke hatte sich für die Aufnahme geflüchteter Menschen eingesetzt. Dafür ist er ermordet worden. Ein würdiges Gedenken an ihn wäre sicherlich das humanitäre Engagement für geflüchtete Menschen.
Ebenso barbarisch wie ein Blutbad in einer vollbesetzten Synagoge ist auch das tausendfache Ertrinken-Lassen von Menschen auf dem Mittelmeer. Die gezielte Verhinderung oder Erschwernis der Seenotrettung ist ebenso kriminell und grausam wie die Mordtat von Halle.
Alle Politisch Verantwortlichen, die Flüchtlinge abschieben, Aktive in ihrem Eintreten für Kirchenasyl kriminalisieren und antifaschistische Arbeit erschweren, machen sich zu Wegbereitern jender bedrückenden Stimmung, die Deutschland heute leider erleben muss. Antisemitismus und Rassismus werden offen gelebt und sogar im Deutschen Bundestag von Abgeordneten der sogenannten „Alternative für Deutschland“ (AfD) im Parlament praktiziert. Diese Partei wurde zwar in demokratischen Wahlen dorthin entsandt, ist aber keineswegs eine demokratische Partei.
Begriffe aus dem Vokabular des Hitler-Faschismus verraten ihre mörderische Denke. „Umvolkung“ erinnert fatal an Adolf Hitlers Klage, die Deutschen seien ein „Volk ohne Raum“. Diese Ideologie rechtfertigte millionenfachen Mord und einen mörderischen Weltkrieg mit systematischen Kriegsverbrechen gegen die Bevölkerung.
Trotz der schlimmen historischen Erfahrungen mit Antisemitismus, Faschismus und rassismus laden Medien Rechtspopulisten und Rassisten immer noch zu Talkshows ein oder stellen ihre faktenfreien Publikationen vor. Seriöser Journalismus hat jedoch ebenso wie eine verantwortungsbewusste Politik die Aufgabe, allen Formen der Menschenverachtung entschieden entgegenzutreten. Wenn sich da in Deutschland nicht bald etwas ändert, dann könnte die Mordtat von Halle möglicherweise nicht der Endpunkt einer gefährlichen Entwicklung gewesen sein.
* Franz-Josef Hanke