Konflikte gewaltfrei lösen: Programm „ZAP“ trainiert an Schulen

Konflikte gewaltfrei lösen möchte das Programm „Zusammen Aktiv Präventiv“ (ZAP). Etwa 100 Schülerinnen und Schüler haben daran im laufenden Schuljahr teilgenommen.
Die Initiative „Einsicht – Marburg gegen Gewalt“, die Marburger Stadtverwaltung, die Philipps-Universität, die Polizei Marburg und das Staatliche Schulamt Marburg-Biedenkopf haben ZAP ins Leben gerufen und Trainings an sechs Schulen im Landkreis angeboten. Die Beteiligten haben nun eine erste positive Bilanz gezogen und präsentiert.
Bürgermeister Wieland Stötzel und Schulamtsleiter Burkard Schuldt haben die begleitende wissenschaftliche Evaluierung des Programms gemeinsam mit dem ZAP-Team auf einer Pressekonferenz im Staatlichen Schulamt Marburg-Biedenkopf vorgestellt. Das Ergebnis: Die Trainings haben sichtbar positive Effekte für die Teilnehmenden.
Maßgeblich durchgeführt haben das ZAP-Programm 2018/19 Johannes Maaser, Fachdienst Gefahrenabwehr und Gewerbe und städtischer Projektkoordinator von „Einsicht“, Polizeioberkommissar Martin Schneider, Jeanette Biba, Staatliches Schulamt, Fachberatung Deutsch als Zweitsprache und Julia Koß von der Arbeitsgruppe Sozialpsychologie. Rund 100 Schüler*innen aus 20 unterschiedlichen Herkunftsländern haben bisher bei den Trainings mitgemacht, die Maaser und Schneider leiten. 2018 und 2019 richtete sich das Programm vor allem an Deutschintensivklassen an sechs Schulen im Schulbezirk Marburg-Biedenkopf. Die Zielgruppe für ZAP soll nach der erfolgreichen Evaluierung ausgeweitet werden.
„Zusammen Aktiv Präventiv“soll Fähigkeiten zur gewaltfreien Bewältigung von Konfliktsituationen stärken. Die Leitidee von ZAP lautet: „Kein Einstieg ist der beste Ausstieg.“ Die Besonderheiten des Projekts sind die Zielgruppe –
Menschen mit wenig Deutschkenntnissen und Neuankömmlinge, die mit anderen Programmen nicht oder nur schwer erreicht werden -, die interdisziplinäre Zusammensetzung des Teams und die begleitende wissenschaftliche Evaluierung.
Im Rahmen ihrer Bachelorarbeit am Fachbereich Psychologie der Philipps-Universität hat Julia Koß die ZAP-Trainings von Februar bis April 2019 evaluiert. Die gewonnenen Ergebnisse fielen durchweg positiv aus: „Die Studie hat ergeben, dass bei den Teilnehmenden des Programms ein signifikanter Anstieg von Empathie, eine Verbesserung von Konfliktkompetenzen sowie eine positivere Einstellung gegenüber der Polizei zu verzeichnen ist. Die Veränderung der Antworten zwischen den Trainingsgruppen und einer Kontrollgruppe sind statistisch signifikant, also gegen den Zufall abgesichert“, so Julia Koß.
Bürgermeister Wieland Stötzel sieht „Zusammen Aktiv Präventiv“ auch als Modell für die erfolgreiche Präventionsarbeit in Marburg und Hessen insgesamt: „Wenn wir Gewalt erfolgreich begegnen wollen, müssen Polizeibeamte, Verwaltungsangestellte und Lehrkräfte nicht nur im Rahmen gemeinsamer Trainings, sondern auch in anderen Bereichen zusammenarbeiten. Auch mit freien Trägern und Vereinen kooperieren wir in Marburg seit Jahren sehr erfolgreich. Gewaltprävention ist der beste Opferschutz.“
Wichtig ist bei den fünfstündigen ZAP-Trainings vor allem, dass die Fragen nach Gewalt und Konflikten nicht nur theoretisch behandelt werden, sondern dass der Einfluss des eigenen Verhaltens von den Schüler*innen ganz praktisch ausprobiert und erlebt werden kann. ZAP arbeitet dafür mit Rollenspielen zu simplen Alltagssituationen, die typischen Auseinandersetzungen im öffentlichen Raum nachempfunden sind: „Gewalt entsteht oft dadurch, dass sich kleine Provokationen hochschaukeln. Manche Leute wollen solche Konflikte. Sie fühlen sich dadurch wichtig und stark“, berichtet Martin Schneider aus seiner langjährigen Erfahrung als Polizeibeamter und Landestrainer für das Programm „Gewalt-Sehen-Helfen“. Beim Konfliktausstieg sei daher vor allem wichtig, so Schneider, „möglichst schnell möglichst viel Distanz“ zwischen sich und den Aggressor zu bringen.
„Für den Einsatz der ZAP-Trainings im Förderbereich Deutsch als Zweitsprache hat uns vor allem überzeugt, dass die Botschaften interaktiv und mit einfacher Sprache vermittelt werden können“, sagt Jeanette Biba vom Staatlichen Schulamt, die selbst als Lehrerin in Sprachlernklassen tätig ist. „Wir haben viel gelernt und auch in den Pausen darüber diskutiert“, bestätigt der Teilnehmer Zaid Hadi, dass die Inhalte ankommen. „Wir sind dankbar, dass es so etwas hier gibt. In meinem Heimatland Irak läuft vieles anders ab.“ Muhammed Ismaili, der aus Syrien kommt, schließt an, dass es gut sei, neue Verhaltensweisen zu lernen. Es habe auch in der Praxis bereits funktioniert, Streit aus dem Weg zu gehen.
„Jeder spürt in bestimmten Situationen Ärger und Wut. Menschen lassen sich leicht provozieren, wenn sie ungerecht behandelt werden. Mit diesen Gefühlen arbeiten wir in den Rollenspielen: Wir suchen bei unseren Trainings nach Lösungen, wie man Bedrohungen entschärfen oder ihnen ganz aus dem Weg gehen kann“, erklärt Sozialpsychologe Johannes Maaser von der Stadt Marburg.
Nicht nur die Trainer, Teilnehmenden und beteiligten Lehrkräfte, sondern auch die Behördenleiter freuen sich über die positiven Erfahrungen mit den ZAP-Trainings und über die sehr guten Evaluierungsergebnisse: „Gerade, wenn Menschen zu uns kommen, die in ihren Herkunftsländern oder auf der Flucht negative Erfahrungen mit der Polizei gemacht haben, ist es ganz wichtig, dass diese Menschen der Polizei in Deutschland vertrauen können. Die wissenschaftliche Studie zeigt, dass die Rolle der Polizei bei den Trainings zum Aufbau dieses Vertrauensverhältnisses beiträgt“, lobt der Marburger Polizeistationsleiter Heinz Frank den Einsatz seines Kollegen Martin Schneider.
„Ich danke allen Kooperationspartnern und den zuständigen Mitarbeiter*innen im Staatlichen Schulamt für die konstruktive Zusammenarbeit bei der Konzeptentwicklung“, stellt auch Schulamtsleiter Burkhard Schuldt das besondere Engagement der Beteiligten heraus. Das Thema gewaltfreie Konfliktaustragung möchte er auch zukünftig an Marburger Schulen vertreten sehen: „Die Evaluationsergebnisse zeigen, dass es gelungen ist, ein Trainingsprogramm zu entwickeln und umzusetzen, dass Schüler*innen hilft, Konflikte zu vermeiden beziehungsweise frühzeitig aus Konflikten auszusteigen. Dabei wurde erfolgreich die besondere Situation von Kindern und Jugendlichen in den Deutschintensivklassen berücksichtigt. Aus Sicht des Staatlichen Schulamtes sollte das Angebot auf jeden Fall fortgeführt und nach Bedarf ausgeweitet werden.“
Bereits seit 2015 gab es Überlegungen, sprachsensible Anti-Gewalt-Trainings für Geflüchtete und Menschen mit geringen Deutschkenntnissen anzubieten. Im Herbst 2017 wurde dann im Staatlichen Schulamt zunächst eine Fortbildung mit Astrid Rumpf-Arab angeboten. Sie ist die Koordinatorin des Programms „Prävention im Team“ (PiT).
An dieser Fortbildung haben rund 20 Lehrkräfte, Pädagogische Fachkräfte und Polizeibeamte teilgenommen. Aus ihr ist die Initiative für das Angebot von „Zusammen Aktiv Präventiv“ hervorgegangen. Seitdem wurde die ZAP-Kooperation in Marburg unter dem Dach des Staatlichen Schulamts gefestigt und das Programm an den Schulen im Landkreis Marburg-Biedenkopf etabliert.
Für das kommende Schuljahr sind erneut ZAP-Trainings vorgesehen. Anfragen für Schulklassen können an Jeanette Biba unter Jeanette.Biba@kultus.hessen.de gerichtet werden. Die Terminabsprache ist flexibel. ZAP ist für Schulen und pädagogische Einrichtungen kostenfrei.

* pm: Stadt Marburg

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