Preis für Mut: Seyran Ates erhält „Das unerschrockene Wort“

Der Preis „Das unerschrockene Wort“ 2019 geht an die Frauenrechtlerin Seyran Ates. Er wird vom Bund der Lutherstädte in Deutschland vergeben.

In im sind 16 Städte zusammengeschlossen, an denen Martin Luther gelebt oder gewirkt hat. Sie würdigen mit der Auszeichnung Personen, die Zivilcourage zeigen und sich in einer besonderen Situation – aber auch beispielhaft über einen längeren Zeitraum hinweg – mit Wort, Tat und Mut gegen Widerstände für die Gesellschaft einsetzen.
Im Andenken an das Wirken Luthers wird „Das unerschrockene Wort“ seit 1996 alle zwei Jahre in einer der Lutherstädte vergeben. Der zwölfte Preis wird 2019 in Marburg verliehen.
Die Auszeichnung erinnert an den Mut und die Standhaftigkeit des Reformators, als er sich auf dem Reichstag zu Worms 1521 weigerte, seine Ansichten zu widerrufen und daraufhin geächtet wurde. Anlässlich des Jubiläums „500 Jahre Wormser Reichstag““ wird die 13. Preisverleihung im Jahr 2021 in Worms stattfinden.
Ateş wurde 1963 in Istanbul geboren. Sie ist eine deutsche Rechtsanwältin, Autorin und Frauenrechtlerin türkischer und kurdischer Abstammung. Die Preisträgerin befasst sich als Anwältin in Berlin hauptsächlich mit Straf- und Familienrecht und engagiert sich in der deutschen Ausländerpolitik.
Sie war Mitglied der Deutschen Islamkonferenz und nahm am Integrationsgipfel der Bundesregierung teil. Wegen gewalttätiger Angriffe und Bedrohungen durch Prozessgegner sowie wegen Anfeindungen von verbandspolitischer Seite gab sie 2006 vorübergehend ihre Kanzlei auf.
2009 erschien ihr Buch „Der Islam braucht eine sexuelle Revolution“. Nach neuen Morddrohungen zog sie sich ganz aus der Öffentlichkeit zurück. Seit 2011 tritt Ates wieder öffentlich auf und ist als Anwältin vor allem für hilfesuchende Frauen aktiv.
Die Entscheidung für Ates als Preisträgerin fiel bei der Jurysitzung der 16 Mitgliedstädte in Marburg. Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert und wird am Freitag (27. April) in Marburg verliehen.
Die Jury begründet ihre Wahl für Ates mit ihrem unerschrockenen Einsatz für Frauenrechte und gegen kulturell und religiös begründete Gewalt und Extremismus.
„Die Frage der Integration ist eines der bedeutenden Themen der Gegenwart und eine enorme Herausforderung für die Zukunft unserer Gesellschaft“, erklärte die Jury. „Mit Seyran Ates würdigen wir eine Pionierin der Integrationsarbeit. Trotz Morddrohungen und tätlichen Übergriffen verfolgt sie diesen Weg seit Jahrzehnten mit enormer Zivilcourage.“
Ateş bezeichnet sich selbst als gläubige Muslimin, die ihre Religion von innen heraus reformieren will, statt sich gegen sie zu wenden. Das sei im bestens Sinne Luthers.
„Seyran Ateş hat schon mehrere Auszeichnungen erhalten“, erklärte die Jury in ihrer Begründung. „Trotzdem ist ihre Arbeit noch lange nicht zu Ende.“Mit dem Preis „Das unerschrocken Wort“ honorieren die Lutherstädte dieses Engagement sowie Ates Mut, ihre Entschlossenheit und ihre Hartnäckigkeit, weiterzumachen.
Die 55-jährige Frauenrechtlerin setzt sich für mehr aufsuchende Sozialarbeit in türkischen und kurdischen Familien Berlins ein. Sie vertritt die Idee der Transkulturalität und kämpft mit Vorträgen und Veröffentlichungen gegen die Unterdrückung von Frauen, gegen Zwangs- und Kinderehen sowie Ehrenmorde. Sie forderte als erste, Zwangsverheiratung als eigenen Straftatbestand einzuführen, der Frauen und Männer besser schützt.
Ates ist Initiatorin und Mitbegründerin der Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Berlin, die für einen säkularen Islam durch Trennung von weltlicher und religiöser Macht sowie einer zeitgemäßen und geschlechtergerechten Interpretation des Koran steht. Die Moschee steht allen Konfessionen offen. Männer und Frauen beten gemeinsam; Homosexuelle werden getraut.
Ates lässt sich selbst zur Imamin ausbilden. „Wo Religion nur der Abgrenzung dient, stellt sie sich gegen die Demokratie“, sagte die Preisträgerin. „Und wo Religion nach Strafen schreit, beginnt der Krieg gegen die Aufklärung und gegen jene Freiheiten, von denen hierzulande alle Kirchen und Glaubensgemeinschaften profitieren.“
Auch ihre Wahrheit müsse kritisierbar bleiben. Beleidigt werden kann im Grunde nur der Fundamentalist.
Seit Gründung der Moschee steht Ateş wegen erneuten Morddrohungen rund um die Uhr unter Polizeischutz. Ihre Arbeit setzt sie dennoch fort. Ateş ist Mitglied des Kuratoriums des Humanistischen Verbands Berlin-Brandenburg.

* pm: Stadt Marburg

Schreibe einen Kommentar