Vorgelesen: Heimspiel für Nino Haratischwili im TaSch

„Für mich ist das hier heute ein Heimspiel“, sagte Nino Haratischwili. Im „Großen TaSch“ las sie am Dienstag (30. Oktober) aus ihrem Roman „Die Katze und der General“.
„Ungewohnt ist allerdings, hier auf der Bühne zu sein“, fuhr die Bestseller-Autorin fort. „Sechs Wochen lang habe ich unten gesessen.“
Während dieser Zeit hatte Haratischwili in genau diesem Saal ihr Stück „Radio Universe“ geprobt. Am Samstag (22. September) feierte es im Theater am Schwanhof (TaSch) Premiere.
Nun war die Regisseurin zurückgekehrt, um im Hessischen Landestheater Marburg aus ihrem neuesten Roman zu lesen. Bis auf die „Shortlist“ des Deutschen Buchpreises hatte er es geschafft; und so war der Theatersaal auch bis auf den letzten Platz gefüllt.
Die Literaturwissenschaftlerin Verena Thinnes moderierte den Abend. Sie kennt Hataschwili aus gemeinsamen Studienzeiten in Hamburg. Leider ließ sie nur einen der 200 Anwesenden zu Wort kommen, was der Stimmung jedoch keinen Abbruch tat.
Ihrer einstigen Studienkollegin berichtete Haratischwili, wie sie zu dem Stoff ihrer Erzählung gelangt war. Ausgelöst hatt die Überlegung dazu der Mord an Anna Politkowskaja. Bei ihren Recherchen war die Journalistin auf ein Massaker gestoßen, dass russische Soldaten während des Tschechenien-Kriegs in einem tschechenischen Dorf verübt hatten.
Ihre Erschütterung über diese sinnlose Gewalt und die Frage, unter welchen Umständen jemand zum Täter wird und ob es auch Menschen gibt, die dagegen gefeit sind, seien Auslöser für den Roman gewesen. „Eigentlich wollte ich nur 300 Seiten schreiben“, berichtete Hataschwili. „Doch dann habe ich gemerkt, dass ich die Charaktere und ihre Vor- und Nachgeschichte genauer darstellen muss.“
Zunächst las Hataschwili aus dem Prolog. Dort stellt sie die jugendliche Protagonistin vor, die später von russischen soldaten vergewaltigt und ermordet wird. Die 17-jährige Jugendliche ist jedoch keineswegs ein Opfer-Typ, sondern eher eine junge Frau jenseits der streng muslimischen Traditionen der Dorfbevölkerung.
Nach dem Prolog las Haratischwili ein Kapitel vor, in dem einer der Soldaten vorgestellt wird. Der junge Mann ist feinfühlig und möchte dem brutalen Militärdienst gerne entfliehen, wird später aber dennoch zum Täter.
Im dritten vorgetragenen Textfragment führte Haratischwili die „Katze“ ein. Sie beobachtet den „Salon“ ihrer Mutter in Berlin, wo sich regelmäßig lauter gescheiterte Exilanten aus Osteuropa treffen.
Wirkten die ersten beiden Textpassagen eher bedrohlich, so kam in den Beschreibungen der Exilanten das satirische Talent der Autorin voll zur Geltung. Bis auf eine Literaturwissenschaftlerin sind diese Menschen alle nicht in Deutschland angekommen und betrauern die Heimat, die sie zuvor als völlig unerträglich verlassen hatten. Schöngeistige Künstler und Wissenschaftler schlagen sich als Taxifahrer durch und halten sich trotzdem weiterhin für etwas Besseres.
Gewalt und Krieg sowie das Exil und die Schwierigkeiten, im Zielland und seiner Gesellschaft wirklich anzukommen, kennzeichneten die beeindruckende Lesung der gebürtigen Georgierin. Ihre Texte sind sprachlich ausgefeilt sowie mit feinfühligen beschreibungen und beeindruckenden Bildern zu einem dichtmaschigen Teppich sprachlicher Kunstfertigkeit verwoben.
Am Rande der Lesung kamen auch ihre Vorliebe für russische Literatur sowie eine kleine Anekdote zum Entstehungsort des Romans zur Sprache. Entstanden ist „Die Katze und der General“ in der Türkei, wohin die Robert-Bosch-Stiftung die Schriftstellerin mitsamt ihrer zweijährigen tochter eingeladen hatte. „Dieses Land ist wunderschön“, schwärmte sie und fügte traurig hinzu: „Landschaftlich!“

* Franz-Josef Hanke

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