Makel an Molekülen: Drei Metalle verstoßen gegen respektierte Regel

Die Metalle Calcium, Barium und Strontium verletzen klassische Regeln der Chemie. Sie können sich mit acht Kohlenmonoxid-Molekülen verbinden und dadurch Carbonylkomplexe bilden.
Das haben der Marburger Chemiker Prof. Dr. Gernot Frenking sowie chinesische Fachkolleginnen und -kollegen nachgewiesen, indem sie Experimente mit Berechnungen kombinierten. Das Team berichtet über seine Ergebnisse vorab online im Wissenschaftsmagazin „Science“.
„Atome sind die Bausteine der Chemie, mit denen Chemiker eine inzwischen kaum überschaubare Zahl von Molekülen aufbauen, die in unterschiedlichster Weise chemische Bindungen enthalten“, erläuterte Frenking, der als Seniorautor des Fachaufsatzes firmiert. „Um diese Vielfalt verstehen und einordnen zu können, haben Chemiker Regeln entwickelt, die bereits vor fast einem Jahrhundert vorgeschlagen wurden und die sich bis heute als äußerst beständig erwiesen haben.“
Demnach lassen sich die rund 100 Atome des Periodensystems in nur drei Gruppen unterteilen: Die sogenannten Hauptgruppenatome bilden besonders stabile Moleküle, wenn sie acht Elektronen in ihrer äußersten Schale haben („Oktettregel“). Die Übergangsmetalle hingegen benötigen 18 Elektronen, um stabile Moleküle zu bilden („18-Elektronenregel“). Die verbleibenden sogenannten seltenen Erden und Aktiniden benötigen 32 Elektronen für die Bildung stabiler Moleküle.
„Trotz kleiner Abweichungen haben diese Regeln ihre Gültigkeit behalten“, führte Frenking aus. „Sie konnten quantentheoretisch erklärt werden und finden sich in allen Textbüchern der Chemie.“
Die drei Metalle Calcium, Strontium und Barium gelten als klassische Vertreter der Hauptgruppenatome, die in allen bekannten Verbindungen der Oktettregel gehorchen. Den Forschern gelang es nun, Atome dieser Gruppe mit acht Molekülen Kohlenmonoxid in sogenannten Carbonylkomplexen zu verbinden, die eindeutig der 18-Elektronenregel von Übergangsmetallen gehorchen.
„Wir haben Moleküle vorhergesagt und auch hergestellt, die gängige Vorstellungen über chemische Bindungen sprengen“, berichtete Frenking. Diese Grenzüberschreitung eröffne völlig neue Perspektiven für die chemische Erforschung dieser drei Elemente.
„Offenbar ist die chemische Reaktivität der Erdalkalimetalle vielfältiger als bisher angenommen“, mutmaßte der Marburger Chemiker. Weitere Experimente sollen nun die Kapazität dieser Elemente ausloten, sich wie Übergangsmetalle in chemischen Reaktionen zu verhalten.
Frenking lehrte von 1990 bis 2014 Theoretische Chemie an der Philipps-Universität. Im Jahr 2012 ehrte ihn die Universität mit der Hans-Hellmann-Seniorprofessur. Derzeit hat er Gastprofessuren in China und Spanien inne.
Das Internationale Solvay-Institut zeichnete ihn mit dem „Solvay-Lehrstuhl“ für Chemie aus, den er 2019 antritt. Mehrere chinesische Förderinstitutionen haben die Forschungsarbeit unterstützt, die der Veröffentlichung zugrunde liegt.

* pm: Philipps-Universität Marburg

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