Enthält der Bauplan einer Ionenschleuse nur einen einzigen veränderten Buchstaben, gerät der Rhythmus des Herzens durcheinander. Das hat ein Forschungsteam entdeckt, als es molekulargenetisch untersuchte, was hinter dem Herzrasen eines Patienten steckt.
Die Gruppe fand auch einen Wirkstoff, der den Ausfall der Schleuse wettmacht. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Marburg, Ulm, Kiel, Münster und Talca in Chile veröffentlichen ihre Erkenntnisse in der Fachzeitschrift „EMBO Molecular Medicine“.
Unter Herzrasen versteht man einen beschleunigten Herzschlag, der lebensbedrohliche Ausmaße annehmen kann. Oftmals tragen äußere Anlässe wie Überanstrengung oder Stress dazu bei, dass die Störung auftritt.
„Wir haben ein bislang unentdecktes Gen für diese Art von Herzrhythmusstörungen gefunden“, berichtete Prof. Dr. Niels Decher von der Philipps-Universität. Die Untersuchungen leitete er zusammen mit seinem Kollegen Professor Dr. Eric Schulze-Bahr von der Universität Münster.
Das Forschungsteam untersuchte mehr als 430 Patienten mit ungeklärten Herzrhythmusstörungen. Darunter waren Fälle, bei denen das Herzrasen vom Ausflusstrakt der rechten Herzkammer ausgeht.
Auf Englisch nennt man das „Right ventricular outflow tract ventricular tachycardia (RVOT-VT). „Die genetische Basis der Erkrankung ist bislang weitgehend unbekannt“, führte Seniorautor Schulze-Bahr aus.
Bei einem der Betroffenen stieß das Team auf eine bisher unentdeckte Genveränderung. Sie bewirkt, dass Kaliumkanäle eines bestimmten Typs einen falschen Baustein enthalten.
Seit seinem 45. Lebensjahr leidet der Patient unter wiederkehrendem Herzrasen, das durch körperliche Belastung oder Stress ausgelöst werden kann. Die Wissenschaftler entschlüsselten das Erbgut des Patienten Buchstabe für Buchstabe, um zusätzliche Unregelmäßigkeiten auszuschließen, die die Herztätigkeit beeinträchtigen.
Dass das Herz schlägt, verdankt sich elektrischen Signalen und ihrer Weiterleitung. Die elektrischen Signale ihrerseits beruhen auf Ionen. Das sind geladene Teilchen, die innerhalb von Zellen anders verteilt sind als außerhalb.
Der betroffene Kaliumkanal kann geladene Kaliumionen von einer Seite der Zellhülle auf die andere Seite schleusen, um die Ionenverteilung aufrechtzuerhalten. Andersartige Ionen lässt der Kanal hingegen normalerweise nicht durch.
Die Mutation bewirkt indes, dass Natriumionen die Schleuse passieren können, was offenbar die elektrische Erregbarkeit des Herzens stark beeinträchtigt. Überdies ändern die betroffenen Schleusen ihre Aktivität, wenn sich das Muskelgewebe dehnt.
„Wir fanden heraus, dass der abgewandelte Kanal eine erhöhte Dehnungsempfindlichkeit aufweist und auf Stresshormone anders reagiert als normalerweise“, legte Decher dar. Alles zusammen führt dazu, dass es zu Rhythmusstörungen des Herzens kommt.
Die Autoren fanden einen Wirkstoff, der die Eigenschaften des Kanals vollständig wiederherstellt. Er birgt das Potenzial für ein Medikament. „Um Herzrhythmusstörungen zu vermeiden, benötigt das gesunde Herz Ionenkanäle, die durch die Muskeldehnung aktiviert werden“, fasste Decher die Befunde zusammen.
Decher leitet die Arbeitsgruppe Vegetative Physiologie an der Philipps-Universität. Schulze-Bahr ist Direktor des Instituts für Genetik von Herzerkrankungen am Universitätsklinikum Münster. Ihre Studie wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
* Philipps-Universität Marburg