Kosten raus aus Kinderhaus: Kitas werden gebührenfrei, Krippen nicht

Gebührenfreie Betreuungsplätze für alle Kinder ab drei Jahre will die Stadt ab dem 1. August 2018 anbieten. Für Kinder unter drei Jahren sollen die Gebühren deutlich sinken.
Gleichzeitig entstehen neue Betreuungsplätze. „Wir wollen, das alle Eltern profitieren, denn Bildung ist Menschenrecht“, erklärte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies.
Das Land Hessen zahlt den Kommunen ab dem 1. August 135,60 Euro mehr pro Kind und Monat für Kindergärten und -tagesstätten, um Kindern über drei Jahren zumindest sechs Stunden am Tag kostenfreie Betreuung zu ermöglichen. „Das finden wir nicht ausreichend, denn eigentlich müsste das Land noch viel mehr zahlen, wenn es Kitas und Krippen als Bildungseinrichtungen, nicht als Aufbewahrungsanstalten verstehen würde“, stellte Spies klar. „Weil wir finden, das Bildung nicht vom Geldbeutel abhängen darf und Marburg sich das leisten kann, geben wir das Geld des Landes direkt und komplett weiter zum Vorteil aller.“
Ab Mittwoch (1. August) soll nach Plänen von Spies und Stadträtin Kirsten Dinnebier demnach die Betreuung im Ü3-Bereich kostenfrei sein. Das betrifft die Eltern von rund 2.100 Mädchen und Jungen, die derzeit in den Kindergärten und Kindertagesstätten im Stadtgebiet betreut werden.
„In Marburg haben wir seit Jahren eine hervorragende Kinderbetreuung“, erklärte Dinnebier. „Die bauen wir mit städtischem Geld weiter aus, um auch den Eltern in den aktuell geburtenstarken Jahrgängen bedarfsgerechte Angebote machen zu können.“
Für die U3-Betreuung in Krippen und Tagespflege sollen zudem die Gebühren für alle gesenkt werden. „Das kann Marburg nur, weil wir als Stadt bereits jetzt besonders niedrige Gebühren haben und außerdem rund 30 Prozent der Eltern schon aus sozialen Gründen von Gebühren entlasten oder freistellen“, erklärte Dinnebier. „Hier geben wir aus gutem Grund seit Jahren viel Geld aus, denn jeder Euro für unsere Kinder ist ein Euro in unsere Zukunft.“
Gut zehn Prozent mehr als 2017 gibt die Stadt 2018 ohnehin schon für die Kinderbetreuung aus. Von 25 aus 27,6 Millionen Euro sind die Ausgaben für die Betreuung von Kindern von null bis sechs Jahren zuletzt gestiegen. Von 18,5 auf fast 21 Millionen Euro stieg der Anteil, den die Stadt aus eigenen Mitteln finanziert.
Der Rest sind Landeszuschüsse sowie Elternbeiträge. Letztere finanzieren knapp 16 Prozent der Gesamtkosten der Betreuung.
Um etwa 1,1 Millionen Euro erhöht sich die Überweisung aus Wiesbaden mit dem neuen Gesetz für den Rest des Jahres 2018, wenn die Regel für die Kindergartenkinder ab 1. August in Kraft tritt. Für 2019 werden es 2,6 Millionen Euro mehr sein.
Auch wenn das Landesgesetz das nicht vorsieht, sollen nach dem Vorschlag von Spies und Dinnebier die Eltern der Marburger U-3-Kindern ebenso entlastet werden. Rund 750 Mädchen und Jungen unter drei Jahren sind das derzeit.
„Die Gebühren für die Betreuung der unter Dreijährigen in den Krippen oder bei Tagespflegepersonen werden um rund zehn Prozent gesenkt“, kündigte Dinnebier an. Gleichzeitig wird der Sozialausgleich ausgeweitet.
„Wir wollen die Einkommensgrenze für eine Ermäßigung von den Gebühren erhöhen“, erläuterte Dinnebier. „Dadurch fallen mehr Eltern als bisher unter die Sozialausgleichsregel und werden von den Gebühren teilweise befreit. Für sie springt die Stadt als Beitragszahlerin ein.“
Der Besuch einer Kindertageseinrichtung wird ab dem 1. August für Kinder ab dem dritten Geburtstag komplett beitragsfrei. Das gilt nicht nur für eine Betreuung bis sechs Stunden, sondern auch die Ganztagsbetreuung.
Eltern zahlen dann nur noch den Beitrag für das warme und qualitativ hochwertige Mittagessen in den KiTas und – je nach Einrichtung und Träger –
gegebenenfalls noch Bastelgeld. Diese Freistellung gilt sowohl für die KiTas in städtischer als auch in freier Trägerschaft. Über die konkrete Umsetzung führt die Stadt zurzeit Gespräche mit den Trägern.
Die Beiträge für die Kinder unter drei Jahren in Krippen und Kindertagespflege werden reduziert. Der Ganztagsplatz wird mit einer Betreuungsdauer bis neun Stunden täglich von 158 Euro auf 142 Euro herabgesetzt. Der Mittagsplatz bis sieben Stunden verbilligt sich von 135 Euro auf 125 Euro.
„Mit dieser Gebührensenkung entlasten wir weitere 800 Familien“, betonte Dinnebier. „Durch den Ausbau der Krippenplätze werden es zukünftig noch mehr Eltern sein.“ Weil die Verwaltung alles gründlich und seriös durchgerechnet habe, seien diese Entlastungen auch für die nächsten Jahre gesichert.
Die neue Gebührensatzung wird Bildungsdezernentin Dinnebier am Montag (7. Mai) dem Magistrat vorlegen. Der Magistrat führt mit dem Vorschlag den Dialog und die Gespräche mit freien Trägern und Eltern fort.
Qualität und Ausbau würden auch in Zukunft auf keinen Fall gegeneinander ausgespielt, wie der Magistrat betonte. Ende Mai soll das Stadtparlament über die Gebühren entscheiden.
Die Grünen zeigten sich „äußerst irritiert über den Zickzack-Kurs des Oberbürgermeisters“ und der Großen Koalition bei der Frage Gebühren für Kinderbetreuung. „Die Familien in Marburg brauchen Sicherheit und Zuverlässigkeit für ihre Lebensplanungen“, erklärte Fraktionsvorsitzende Dr. Elke Neuwohner. „Stattdessen erleben Sie einen Zickzackkurs und gebrochene Zusagen. So kann man nicht mit den Familien umgehen.“
Die Grünen erinnerten daran, dass die Frage der Kita-Gebüren ein zentraler Punkt für die Fortführung der rot- grünen Koalition war. „Nach der Kommunalwahl übte der Oberbürgermeister massiven Druck auf den damals amtierenden Bürgermeister Kahle aus, die Gebühren bei der Kinderbetreuung zu erhöhen“, erinnerte sich Neuwohner. „Als Franz Kahle und die Grünen sich den damals radikalen Erhöhungs-Plänen verweigerten, wurde die Koalitionskarte gezückt. Den gleichen Druck erlebten die sozialen Initiativen bei der sogenannten kooperativen Sozialplanung. Es war schon völlig absurd, dass er nur wenige Monate später alle damit überraschte, dass er nun die Kitas wie Krippen komplett gebührenfrei stellen wollte.“
Spies halte seine Zusage gegenüber den Eltern nicht ein, erklärte Neuwohner: „Die Krippen bleiben kostenpflichtig. Der Oberbürgermeister hätte lieber einmal vorher richtig gerechnet und sich mit seiner Koalition geeinigt, bevor er Versprechen an Eltern macht, die er danach nicht halten kann. Die berechtigte Verärgerung der vielen Familien hat er sich selbst zu zuschreiben.“

* Franz-Josef Hanke/pm

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