Bei Julia Schmidt und Michaela Fietz wurde Epilepsie diagnostiziert. In der Marburger Epilepsie-Selbsthilfegruppe holen sie sich Rat von anderen Betroffenen.
„Aristoteles, Georg Friedrich Händel, Charles Dickens und Agatha Christie können leider nicht mehr kommen, für Elton John ist es zu weit“, heißt es auf der Internetseite der Selbsthilfegruppe. Die Botschaft: „Du bist nicht allein, es gibt andere Erkrankte, sogar Prominente.“
Epilepsie ist eine der häufigsten chronischen Erkrankungen des zentralen Nervensystems. Derzeit befinden sich in der Bundesrepublik etwa 500.000 Menschen aufgrund einer Epilepsie in Behandlung.
Das entspricht einem Bevölkerungsanteil von etwa 0,6 Prozent. Damit sind in Deutschland genauso viele Menschen an Epilepsie erkrankt wie beispielsweise an behandlungsbedürftiger Diabetes.
Epileptische Anfälle sind vielfältig und haben unterschiedliche Erscheinungsformen. Die wohl bekannteste Art ist die, bei der die Person unkontrolliert verkrampft, stürzt, zuckt und unter Umständen auch bläulich anläuft.
Daneben gibt es auch eine ganze Reihe von milderen Anfällen, wie beispielsweise das Zucken einzelner Gliedmaßen, sich wiederholende Bewegungen, das reine Vorgefühl eines Anfalls oder Bewusstseinspausen. Teilweise bemerken Außenstehende diese Anfälle gar nicht.
Michaela hatte ihren ersten großen Anfall mit 14 Jahren. Bei Julia wurde die Krankheit sogar schon mit 9 Jahren diagnostiziert. Epilepsien treten häufig bereits in sehr jungen Jahren auf oder erst ab dem 60. Lebensjahr, beispielsweise nach einem Schlaganfall.
Grundsätzlich ist das Auftreten von epileptischen Anfällen jedoch in jedem Lebensalter möglich. Auslöser können schwere Kopfverletzungen, Tumore oder Gefäßmissbildungen sein.
Heute ist Julia 18 und absolviert ein duales Studium im Vermessungswesen. Michaela ist 22 und beginnt im August ihre Ausbildung zur Hauswirtschafterin. Um sich mit anderen Betroffenen auszutauschen, besuchen sie seit einiger Zeit eine Selbsthilfegruppe.
Die Epilepsie-Selbsthilfegruppe Marburg besteht seit 2014 und gehört damit zu den jüngeren Gruppen in Marburg. Ihre Mitglieder treffen sich einmal im Monat.
Michaela geht zusammen mit ihren Eltern zu den Treffen. Auch für sie ist der Austausch mit anderen Angehörigen wichtig und hilfreich. Denn ihre Tochter hat wie die meisten Epilepsie-Erkrankten einige Hürden zu nehmen.
Auto fahren dürfen die beiden Frauen wegen ihres Anfallrisikos nicht. Michaela und Julia sind auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen.
Das wirkt sich auch auf ihre Ausbildung aus. Ohne Führerschein kann man manche Berufe nicht ausüben und manche Firmengelände nur schlecht erreichen. Arbeitgeber finden Kandidaten ohne eigenen PKW oft unattraktiver.
Dazu kommen die Nebenwirkungen der Medikamente. „Die Jobsuche ist heutzutage sowieso schon schwierig, für kranke Menschen noch einmal mehr“, erklärte Michaela.
Michaela und Julia begleitet die ständige Angst vor dem nächsten Anfall. „Anfälle in der Öffentlichkeit sind mir peinlich, weil Fremde oft nicht verstehen, was da mit mir passiert. Dadurch entstehen Vorurteile“, erzählte Julia. „Deshalb gehe ich am liebsten mit Freunden aus dem Haus. Auf die kann ich mich im Ernstfall verlassen.“
Michaela hat auch in der Selbsthilfegruppe neue Freunde gefunden. „Ich habe in der Gruppe mehr Erfahrungen über Epilepsie gesammelt, Freunde gefunden, bin psychisch stabiler geworden. Es war für mich das Beste, das mir passieren konnte.“
*pm: Saskia Rößner