Neujahrsempfang 2025: Nicht alles ist schlecht

Eine gehörige Portion Optimismus verbreitete Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies beim Neujahrsempfang der Stadt Marburg am Samstag (18. Januar). Knapp 1.000 geladene Gäste waren dazu ins Erwin-Piscator-Haus (EPH) gekommen.
Interessierte konnten den Rückblick auf das Jahr 2024 sowie den Ausblick auf 2025 aber auch per Lifestream im Internet verfolgen. Eineinhalb Stunden lang erläuterte der Oberbürgermeister die Aktivitäten der Stadt im vergangenen Jahr und kündigte einige Vorhaben für 2025 an. Unterbrochen wurde er dabei immer wieder von musikalischen Beiträgen sowie einer akrobatischen Einlage von Viertklässlern der Waldschule Wehrda.
Zu Beginn äußerte sich Spies zu den aktuellen Krisen in der Welt und der Furcht, die sie bei vielen Menschen verursachen. Zugleich bekundete er seine vorsichtige Hoffnung auf ein Ende der Kampfhandlungen im Nahen Osten, wobei er „gespannt auf die nächsten Tage“ sei und darauf, ob die Waffenpause im Ghaza-Streifen halten wird. Auch für die Ukraine wünschte er sich, dass der völkerrechtswidrige Angriffskrieg bald ein gutes Ende finden werde.
Trotz aller Widrigkeiten bestehe insgesamt kein Grund zu Pessimismus. „Alles ist schlecht?“ Diese Fragge griff er während seiner Rede wiederholt auf und beantwortete sie immer wieder mit einem klaren „Nein!“
850 geladene Gäste beim Neujahrsempfang repräsentierten das große ehrenamtliche Engagement in der Stadt. Sie alle setten sich Tag für Tag dafür ein, dass das Leben in Marburg besser wird. „Wo sie einen Bedarf erkennen, da krempeln sie die Ärmel auf und handeln“, erklärte Spies.
Als Beispiel nannte er die Freiwillige Feuerwehr, in der sich mehr als 500 Menschen ehrenamtlich engagieren. Ihre Ausstattung verglich er mit derjenigen der afrikanischen Partnerstadt Moshi, deren Marktplatz kürzlich ein Raub eines großen Feuers geworden ist. In der tansanischen Stadt gebe es für mehr als eine Million Menschen nur eine einzige Feuerwache.
Nun erhält die dortige Feuerwehr zwei ausgediente Löschfahrzeuge aus Marburg. Sie brächten dort eine erhebliche Verbesserung beim Brandschutz. Neue Feuerwehrautos seien in der Ersatzteilbeschaffung zu teuer, wohingegen die älteren Fahrzeuge einfacher zu reparieren seien.
„Das lässt uns demütig werden“, erklärte Spies. „Im Vergleich dazu geht es uns hier in Marburg doch wirklich gut. Wir haben eine Feuerwehr und ein Rettungssystem, auf das wir uns verlassen können.“
Dann wiederholte er seine Frage, ob wirklich alles schlecht sei. Man könne die Situation damit beschreiben, dass „das Glas halb leer“ sei oder „halb voll“. Wer die pessimistische Position vertrete und deshalb nicht aktiv werde, dürfe sich am Ende nicht wundern, wenn dann wirklich „alles schlecht“ sei. Darum forderte Spies die Anwesenden auf, selber aktiv zu werden und etwas zu tun gegen Mißstände.
Diese Haltung sei in Marburg erfreulich weit verbreitet, erklärte der Oberbürgermeister. Als weiteres Beispiel dafür nannte er die Marburger Tafel, der er neue Räume für ihr wichtiges Engagement zugunsten benachteiligter Menschen versprach. „Wir alle wünschen uns, dass es keine Tafel geben müsste“, erklärte er. „Wer Einsparungen beim Bürgergeld fordert, der sollte sich einmal bei der Tafel einreihen; dann weiß er wenigstens, wovon er spricht.“
Die wirtschaftliche Situation in Deutschland sei sicherlich nicht so gut wie vor der Corona-Pandemie. Doch insgesamt sei es den Menschen immer besser gegangen. Auch wenn die Stadt Marburg zum Jahresende sparen musste, verfüge sie doch immer noch über „ein ausreichendes Vermögen, um alles Nötige zu finanzieren“, erklärte der Oberbürgermeister. Mit einer Metapher gedachte Spies der – im Jahr 2024 verstorbenen –
Ehrenbürger Amnon Orbach und Dietrich Möller: „Beide haben Bäume gepflanzt, an deren Früchten wir uns jetzt erfreuen. Dafür sind wir sehr dankbar.“
Im Jahr 2025 möchte die Stadt einen „Innovation Hub“ einrichten, um Unternehmensgründungen aus der Philipps-Universität heraus in Marburg anzusiedeln oder hier zu halten. Zudem soll das historische Landgrafenschloss aufgewertet werden, das bislang vom Land Hessen als Eigentümer sträflich vernachlässigt worden sei: „Bund und Land sollten 2027 tief in die Tasche greifen für eine Erneuerung des Schlosses“, wünschte sich Spies. „Das wäre ein gelungener Beitrag zum Jubiläumsjahr 500 Jahre Philipps-Universität:“
Zum Abschluss seiner Rege wandte sich Spies an die Stimmberechtigten bei der Bundestagswahl 2025: „Forderungen nach einer Abschiebung unserer Nachbarn zeugen von Menschenverachtung und gefährden die Demokratie.“ Unter großem Applaus erinnerte er an die Großdemonstration mit gut 16.000 Teilnehmenden am 27. Januar 2024. „In Marburg ist kein Platz für Hetze und Hass“, betonte Spies und forderte alle auf, am 23. Februar wählen zu gehen.

* Franz-Josef Hanke

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