Unerwartete Gewerbesteuer-Rückzahlungen bis Jahresende zwingen den Magistrat zu einer Haushaltssperre für 2024. Die Stadt hat danach weitere 41 Millionen Euro weniger.
Die Stadt Marburg muss für 2024 weitere 41 Mio. Euro Gewerbesteuer an Unternehmen zurückzahlen. Die Nachricht des Finanzamts an die Stadt kam unerwartet. Damit brechen die Erträge der Universitätsstadt für 2024 um über 100 Millionen Euro ein. Die Folge ist eine Haushaltssperre bis Jahresende und Wartezeit für neue Stellen.
„Dass der Rekord von über einer Milliarde Euro Gewerbesteuer binnen drei Jahren nicht die Regel ist, wussten wir immer; und ich habe auch immer zur Vorsicht gemahnt“, sagte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies am Dienstag (3. Dezember). „Eine Normalisierung der Erträge hatten wir auch immer einkalkuliert. Nun aber schlägt das Pendel schneller und extremer ins Gegenteil um als erwartet.“
Bereits im Sommer hatte die Stadt ihre Steuer-Erwartungen für das laufende Jahr nach unten korrigieren müssen, weil rund 62 Mio. Euro weniger Gewerbesteuer von den Marburger Unternehmen in die Stadtkasse kommen. Im September hatte die Stadt deshalb einen Nachtragshaushalt aufgestellt. Nun folgen bis Jahresende weitere große Gewerbesteuer-Rückzahlungen.
Sie summieren sich auf 41 Millionen Euro. Einen Teil davon hat die Stadt schon erstattet; der Rest von 21 Millionen Euro wird ebenfalls noch 2024 fällig. Diese Rückzahlungen kann die Stadt aus ihrem „Sparbuch“ begleichen.
„Bei derart gravierenden Veränderungen im laufenden Geschäft muss eigentlich ein zweiter Nachtragshaushalt für 2024 erstellt werden“, erklärte Spies. Anfang Dezember ist das aber allein schon zeitlich nicht mehr möglich. Die Stadt muss auf andere Weise gegensteuern. Deshalb hat der Magistrat eine „Hauswirtschaftliche Sperre“ beschlossen.
Dieser Beschluss umfasst drei Punkte: Der Erste ist eine Haushaltssperre für laufende Ausgaben bis Ende 2024. Danach dürfen nur noch Mittel ausgegeben werden für Pflichtaufgaben, für vertraglich zugesicherte oder bewilligte Leistungen sowie für städtische Aufgaben, die „notwendig, unabweisbar und unaufschiebbar“ sind.
Betroffen von der Sperre sind also freiwillige Leistungen, die noch nicht beantragt oder noch nicht zugesagt sind. Aber „alle zugesagten Zuschüsse werden auch ausgezahlt; die Stadt Marburg bleibt verlässliche Partnerin“, stellte Spies klar. Zudem sind Investitionen in die Marburger Infrastruktur von der Haushaltssperre ebenfalls nicht betroffen.
Zweitens gibt es eine Stellenbesetzungssperre für drei Monate: Alle freien und besetzbaren Stellen in der Stadtverwaltung dürfen frühestens nach drei Monaten wiederbesetzt werden. Das heißt: Die Verwaltung kann alle Stellenausschreibungen, Vorstellungsgespräche und Einstellungsverfahren fortsetzen. Zwischen dem Arbeitsbeginn eines neuen Kollegen und dem Ausscheiden der vorherigen Stelleninhaberin muss eine Lücke von drei Monaten liegen. Die Sperre gilt bis zur Genehmigung des Haushalts 2025 durch das Regierungspräsidium Gießen.
In begründeten Ausnahmefällen kann der Kämmerer sowohl finanzielle Mittel als auch Stellen auf Antrag freigeben. „Die Haushaltssperre ist eine unvermeidliche Entscheidung, die wir jetzt treffen müssen“, erläuterte Spies. „Wir tun aber alles dafür, dass sich unsere Einnahmen wieder stabilisieren, aber vor allem, dass die Bürger*innen die starken Schwankungen möglichst wenig spüren. Auch wenn wir kürzen müssen, darf das niemals zu Lasten derer gehen, die sich auf die Stadt Marburg verlassen, sei es für Sozialleistungen oder die Personalkosten in der Kultur.“
Gewerbesteuer zahlen Unternehmen auf ihre Gewinne als Vorauszahlung auf den Gewinn, der erwartet wird, nach der Abrechnung des jeweiligen Geschäftsjahres und Prüfung durch die Finanzbehörden auf den tatsächlich erwirtschafteten Gewinn. Beides – also die Vorauszahlung und die tatsächlich fällige Gewerbesteuer – errechnet das Finanzamt.
Die Kommune erhält Vorauszahlungen gemäß Bescheid. Rechnet ein Unternehmen in einem Jahr mehr Gewinn ab als zuvor erwartet, zahlt es Gewerbesteuer an die Kommune nach. Ist der abgerechnete Gewinn niedriger als zuvor geplant, muss die Kommune bereits erhaltene Gewerbesteuer an das Unternehmen zurückerstatten.
* pm: Stadt Marburg