Gemeinsam engagieren sich Stadt, Uni und Pharma-Unternehmen für einen Starken Standort Marburg. Sie haben eine Kooperation bei Forschung, Qualifizierung und Vermarktung angekündigt.
Marburg ist „die Universitätsstadt“, eine Stadt der Lehre und der Forschung mit besonderem Schwerpunkt in Biotech, Pharma und LifeScience. Und Marburg ist ein traditioneller wie zunehmend gewichtiger Pharmastandort. Aus dieser sehr guten Ausgangsposition gemeinsam mehr machen möchten die Spitzen von Stadt, Universität und Behring-Standortunternehmen. Das haben Oberbürgermeister, Universitätspräsident sowie Unternehmensvertreter Dr. Martin Egger und Dr. Lars Grönke am Montag (25. November) angekündigt.
„Marburg ist zwar nicht New York, aber wir haben sowohl internationale Spitzenforschung als auch einen der größten Pharmastandorte in ganz Deutschland in unserer Stadt“, sagte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies. „Daraus ergibt sich ein großes Entwicklungspotenzial.“
Diese Stärken müssen aber im nationalen und internationalen Wettbewerb der Wirtschafts- und Wissenschaftsstandorte besser sichtbar gemacht werden. Darin ist sich das Stadtoberhaupt mit den Spitzen von Universität und Behring-Unternehmen einig. Schließlich soll Marburg auch in Zukunft im Wettbewerb um Studierende, Forschende und Fachkräfte bestehen.
Da hilft es, dass die Wege in der laut Spies „kleinsten Metropole der Welt“ so kurz sind wie die Drähte zwischen den Entscheidungsträger*innen. Diesen Standort-Vorteil wollen Stadt, Universität und Unternehmen besser nutzen: Unter dem Slogan „Brückenbildung“ sind seit 2023 bereits mehrere Kooperationen für „Fachkräfte/Aus- und Weiterbildung“ sowie „Forschung und Entwicklung“ entstanden.
Das Ziel ist, Marburg als leistungsfähigen Forschungs- und Produktionsstandort zu stärken. Gleichzeitig sollen die Qualitäten vonMarburgs Wissenschaft und Wirtschaftsichtbarer werden in Stadt und Region ebenso wie national und international. Und drittens arbeiten alle drei Kooperationspartner daran, Marburg im internationalen Kontext zu einer der ersten Adressen für Existenzgründungen und Start-Ups aus der Biotech-, Pharma- und Life-Science-Branche zu machen.
Der Behring-Standort dient in erster Linie der Produktion: GSK, Siemens, CSL und natürlich BioNTech stellen dort Impfstoffe, Diagnostikgeräte, Plasmatherapien und andere Produkte für die globalen Märkte her. Geforscht wird aber vor allem an anderen Standorten der internationalen Konzerne. Lediglich CSL hat für die eigene Forschung unter dem Dach der CSL Innovation rund 500 Beschäftigte im neuen R&D-Gebäude in Görzhausen zusammengezogen.
Gleichzeitig fehlt es an der Philipps-Universität an ingenieurs- oder verfahrenstechnischen Studiengängen mit biotechnologischem Schwerpunkt. Gäbe es sie, würden die Absolvent*innen optimal für die Arbeit am Behring-Standort ausgebildet.
Bereits seit Jahren bietet die Stadt Marburg den Rahmen für eine bessere Vernetzung zwischen Stadt, Universität und Standort. Diese wurde zuletzt noch einmal intensiviert und tragen zunehmend Früchte: Insbesondere gemeinsame Entwicklungen in Ausbildung und Studium, aber auch den Transfer von Innovation und wissenschaftlichen Ideen in konkrete Produkte gehen alle Partner jetzt gemeinsam an.
Ein großer Schritt war die Akkreditierung des neuen Master-Studiengangs „Molekulare Biotechnologie“ an der Philipps-Universität im Jahr 2023. „Der Studiengang bietet viele Möglichkeiten zur praxisnahen Forschung einschließlich Kooperationen mit Industriepartnern und Praktika bei führenden Biotech-Unternehmen“, erklärte Universitätspräsident Prof. Dr. Thomas Nauss. „Damit bieten wir eine Ausbildung für Studierende mit der Perspektive an, später auch passende Arbeitsplätze am Standort Marburg zu finden.“
Die Lücke zwischen dem Lehrangebot der Universität und den nachgefragten Kompetenzen am Standort will die Universität weiter schließen und die gemeinsame Forschung weiter ausbauen. Aktuelles Beispiel dafür ist die Lungenforschung, in der Uni und einige Unternehmen bereits gemeinsam an Wirkstoffen zur besseren Behandlung der chronisch-obstruktiven Lungenkrankheit (COPD) arbeiten. Seit Dezember 2023 gibt es den zweiten Forschungsstrang zu RNA-Molekülen bei fehlgeleiteten Immunkreisläufen.
Ein weiterer Schlüsselmoment ist auch die Einführung der schulischen Ausbildung für Pharmakant*innen an der Adolf-Reichwein-Schule (ARS) zum neuen Schuljahr im August. Die Verlegung des Schulstandorts von Frankfurt nach Marburg ist ein echter Gewinn – für die Auszubildenden und Studierenden aus der Region ebenso wie für die Unternehmen am Pharmastandort. Solche gemeinsamen Erfolge seien besonders wichtig, um Nachwuchskräfte aus der Region zu gewinnen und zu fördern.
Alle Beteiligten wollen an einem Strang ziehen, die Stadt voranbringen und den Standort gemeinsam vermarkten. Dafür traten Spies, Nauss und Egger Anfang Oktober zum ersten Mal gemeinsam bei der internationalen Immobilien-
und Standortmesse „Expo Real“ in München auf. Unter dem Titel „Marburg – ein heimlicher Wirtschafts- und Wissenschaftsgigant“ stellten sie dort gemeinsame Aktivitäten vor, die die Infrastruktur für Gründungen verbessern und den Fachkräftebedarf in Marburg langfristig sichern sollen.
Dazu gehören die gemeinsame Förderung von Innovation, der „“reativity and Social Innovation Hub Marburg“ (CIM) und der „Innovation Hub“ am Pharmastandort. Gerade beim „Innovation-Hub“ ziehen Stadt, Standort und Universität an einem Strang. Bereits seit dem vergangenen Jahr wird gemeinsam an einem Konzept gearbeitet, um Gründungsideen in Marburg weiterzuentwickeln und langfristig in Unternehmen zu überführen.
Für Innovationen im Bereich LifeScience fehlt es insbesondere an Laborkapazitäten. Am Behring-Standort wirSo plant Pharmaserv derzeit eine völlige Umgestaltung des Berghof-Geländes in der Marbach. Auf dem Gelände wird nach dem Rückbau mehrerer Gebäude als Herzstück ein Innovation Hub mit rund 11.500 Quadratmetern entstehen, in dem Start-Ups sowie Unternehmen aus der Biotech- und LifeScience-Branche flexibel Laborflächen anmieten können.
Geplant sind neben Exklusiveinheiten mit bis zu 908 Quadratmetern auch flexibel buchbare Labore ab 74 Quadratmetern. „Wir wollen das Areal zukunftsorientiert weiterentwickeln und Raum für Innovationen schaffen“, erläuterte Geschäftsführer Egger von der „Infrareal Holding“ und von Pharmaserv. Zudem sind im neuen R&D-Gebäude bei CSL Innovation in Görzhausen bereits rund 800 Quadratmeter reserviert.
„Damit wollen wir jungen Gründerteams die Möglichkeit bieten, ihre Produktideen weiterzuentwickeln“, erläuterte Geschäftsführer Dr. Lars Grönke von CSL Innovation. „Indem wir Räumlichkeiten und Unterstützungsstrukturen bereitstellen, stärken wir die Gründungsszene und somit innovative Ideen.“
Das Ganze muss dann mit Leben gefüllt werden, mit Ausstattung und Strukturen. Die Stadt Marburg beteiligt sich daran, diese Strukturen zu verwirklichen. „Im Haushalt sind Mittel für den Entwicklungsprozess und langfristig für Ausstattung vorgesehen“, berichtete Spies.
Der Oberbürgermeister glaubt, diese Form der Wirtschaftsförderung werde sich auch für die Stadt lohnen. „Behring war auch mal ein kleines Start-Up; und heute finanzieren die Steuern vom Standort einen großen Teil der städtischen Einkünfte“, bemerkte Spies. Jetzt gelte es, gemeinsam optimale Rahmenbedingungen zu schaffen, damit sich solche Geschichten wiederholen können – für Arbeitsplätze, für Impfstoffe und neue Therapien in Marburg.
„Marburg wird durch all diese Kooperationserfolge deutlich an Attraktivität und Strahlkraft gewinnen“, sind sich Spies, Nauss und Egger sicher. Unterstützen soll dabei zusätzlich eine Gesamtvermarktungsstrategie für den Standort Marburg. Die Arbeit daran beginnt noch in diesem Jahr.
* pm: Stadt Marburg