Das Leben von Esther Bejarano stand im Mittelpunkt der Auftaktveranstaltung zu „Filme, Fakes, Fakten“. Sie fand am Mittwoch (30. Oktober) in der Volkshochschule statt.
Mit der neuen Veranstaltungsreihe möchten die Humanistische Union (HU) und die Volkshochschule (VHS) der Stadt Marburg zu einer demokratischen Diskussionskultur beitragen und zu faktenbasierten Gesprächen anregen.
Ausgangspunkt sind dabeiimmer Dokumentarfilme aus den Mediatheken von ARD und ZDF. „Diese Fernsehdokus sind ein wahrer Schatz“, erklärte Kursleiter Franz-Josef Hanke zu Beginn der Auftaktveranstaltung. Die Bedeutung des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks als seriöse Informationsquelle sei gerade zu Zeiten populistischer Meinungsmache nicht zu unterschätzen, warnte der
Marburger HU-Regionalvorsitzende.
Anschließend führte Axel Jun von der HU Marburg den Dokumentarfilm „Esther Bejarano – Wo Musik spielt, kann es nicht so schlimm sein“ vor. Darin kommt ausschließlich die jüdische Musikerin Esther Bejarano zu Wort, deren Lebensgeschichte in ihren eigenen Worten geschildert wird. Das berührende Dokument der Zeitgeschichte folgt ihr in die Konzentrationslager Auschwitz und Ravensbrück, die sie mit Glück und Geistesgegenwart überlebt hat.
Als die Holocaust-Überlebende von guten Chefs berichtete, die ihr als Zwangsarbeiterin vorschlugen, den Judenstern zu überdecken, was sie mit Hinweis darauf abgelehnt habe, dass das verboten sei, wurde die Vorführung kurz unterbrochen. Eine Anwesende berichtete, dass ihr Vater Zwangsarbeit bei der Reichsbahn leisten musste. Dort hätten die Vorarbeiter den Juden befohlen, den Davidsstern zu verstecken und ihnen bei Nichtbefolgung Prügel verpasst. Kurz danach sei die Waffen-SS aufgetaucht und habe die verprügelt, die die Vorarbeiter wegen Befolgung des Befehls nicht behelligt hatten.
„Die Bahn wollte nicht, dass die Menschen sehen, dass Juden die Strecke bauen“, erklärte sie. Daraufhin entspann sich eine kurze Debatte über die Deutsche Bahn AG, die erst spät und – nach Meinung von Anwesenden immer noch nicht ausreichend – zu ihrer Verstrickung in die Verbrechen der Shoa
Stellung bezogen habe. Andere Unternehmen seien allerdings noch weniger gewillt, ihre eigene Geschichte zum Hollocaust aufzuarbeiten.
Nach dem Ende der eindringlichen Dokumentation über die Akkordionistin des Mädchenorchesters von Auschwitz bemerkten Anwesende, dass die Geschichte der Shoa immer noch viel zu wenig thematisiert werde. Vor allem jüngere Menschen müsse man unbedingt erreichen, erklärten die älteren Zeitzeuginnen. Eine von ihnen hatte als Kind in Arnstadt die marschierenden KZ-Häftlinge gesehen und
erzähle ihre Erlebnisse öfter in Schulklassen.
Dabei nehme sie immer Gegenstände mit, die ihre Schilderungen handgreiflich erfahrbar machten. Das werde immer wichtiger in einer Zeit, wo die Zeitzeugenschaft allmählich verlorengehe. Sie verglich Bejaranos Bericht über ihren Vater, der die Herrschaft Adolf Hitlers zu lange verharmlost hatte, mit Einschätzungen zu heutigen Rechtsextremen und warnte eindringlich davor, diese Entwicklung zu unterschätzen.
Am Ende des Abends verwies Hanke als Kursleiter auf den nächsten Termin am Mittwoch (27. Februar). Dann soll die Verstrickung von Fußballfunktionären und des Deutschen Fußballbunds (DFB) im Nationalsozialismus anhand einer weiteren Fernsehdoku thematisiert werden. Die VHS bittet um vorherige Anmeldung zu den kostenfreien Veranstaltungen, die im Jahr 2025 fortgesetzt werden.
*Laura Schiller