Einen probiotischen Schutz gegen Entzündungen haben Marburger Mikrobiologen gefunden. Ein Darmbakterium mit Schutzfunktion verspricht Linderung bei Reizdarm.
Bestimmte Stoffwechselprodukte des Bakteriums „Clostridium sporogenes“ können eine protektive Rolle bei Darmentzündungen spielen. Das haben Forschende um Prof. Dr. Alexander Visekruna vom Institut für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene sowie Prof. Dr. Burkhard Schütz vom Institut für Anatomie und Zellbiologie der Philipps-Universität herausgefunden. Sie berichten darüber in der aktuellen Ausgabe des Fachblatts „Gut Microbes“. Aus den Befunden schließen die Forschenden, dass Clostridium sporogenes –
kurz „C. sporogenes“ – und seine Stoffwechselprodukte als therapeutisch relevantes probiotisches Bakterium bei Patientinnen und Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmproblemen eingesetzt werden könne. Das Darmmikrobiom hat einen fundamentalen Einfluss auf Wohlbefinden und Gesundheit des Menschen. Unter dem „Mikrobiom“ verstehen Mediziner die Gesamtheit an förderlichen und abträglichen Mikroorganismen im Verdauungstrakt. Es besteht aus Bakterien, Pilze und Viren vielerlei Art.
Zur Erforschung der Zusammenhänge im Darm zwischen Mikrobiom und Gesundheit haben die Marburger Forschungsteams zunächst eine Bestandsaufnahme gemacht und sind den Fragen nachgegangen: Welche Organismen sind im Darm vorhanden? Welchen Einfluss haben sie auf die Gesundheit? Und wie lassen sich die Signale Richtung gesunder Darmflora verschieben?
Ein Bewohner im Darm ist beispielsweise das Bakterium „C. sporogenes“. Es zählt zu den sogenannten „kommensalen Bakterienarten“, die auf den Schleimhäuten siedeln und den Menschen zunächst einmal nicht schädigen. Damit steht es ganz im Unterschied zu seinen Verwandten „C. botulinum“ und „C. tetani“, die überall vorkommen, auch in Gewässern und im Erdboden, und als pathogene Bakterien gefährlich sind.
In ihrer aktuellen Studie haben die Forschenden herausgefunden, dass das Darmbakterium C. sporogenes ganz spezifische Stoffwechselprodukte herstellt. Dazu zählen Substanzen wie die Indol-3-Propionsäure und bestimmte kurzkettige Fettsäuren, die eine positive Wirkung auf das Immunsystem der Darmschleimhäute haben. Das Immunsystem im Darm muss beispielsweise genau wissen: Was ist ein Gift? Was kann weg? Und was kann seinen Weg in den Körper finden?
„Das ist eine ganz spezifische Balance, die durch unterschiedliche Signale der mikrobiellen Gemeinschaft im Darm entsteht, wobei eine fehlerhafte Regulation des Immunsystems zu erkrankungsspezifischen Veränderungen führen kann“, sagte Visekruna.
In Experimenten haben die Forschenden an keimfreien Mäusen, deren Darm nur mit C. sporogenes besiedelt war, eine erhöhte Anzahl an Immunzellen nachgewiesen, die zur Regulation von Entzündungen beitragen. „Diese Metaboliten haben schützende Faktoren wie das von den T-Zellen produzierte Interleukin-22 hochgefahren“, erläuterte der zweite Senior-Autor Schütz. „Das stabilisiert die Integrität der Epithelbarriere im Darm.“
Die Ergebnisse deuten insgesamt darauf hin, dass der von C. sporogenes produzierte Metabolit Indol-3-Propionsäure bestimmte Entzündungsfaktoren, die an der Pathogenese von Morbus Crohn und Colitis ulcerosa beteiligt sind, stark unterdrückt. „Wir schlagen daher vor, dass gerade für diese chronisch-entzündlichen Erkrankungen das Bakterium C. sporogenes als probiotisches Therapeutikum weiter untersucht und im Erfolgsfall auch eingesetzt wird“, schließen die Forschenden.
* pm: Philipps-Universität Marburg