Abgebaut: Stresshormone verschlimmern Nierenversagen

Marburger Pharmakologen haben den Effekt von Glukokortikoiden auf den Stoffwechsel geschädigter Nieren entschlüsselt. Sie haben eine schädliche Wirkung von Stresshormonen bei akutem Nierenversagen entdeckt.
Die menschlichen Nieren sind lebenswichtige Hochleistungs-Organe, die pro Tag rund 180 Liter Blut filtern und von Schadstoffen befreien. Daher ist ein akutes Nierenversagen eine schwerwiegende Erkrankung, die nicht selten zum Tod führen kann. Eine Schlüsselrolle beim akuten Nierenversagen spielen sogenannte „Tubulusepithelzellen“, deren Resilienz und Reparatur entscheidend für die Wiederherstellung der Nierenfunktion und die Genesung der Patientinnen und Patienten ist.
Forschende der Philipps-Universität um Prof. Dr. Thomas Worzfeld vom Pharmakologischen Institut und internationale Kolleg*innen haben nun herausgefunden, dass bestimmte Stresshormone, die auch als Medikamente eingesetzt werden, Tubulusepithelzellen schädigen und dadurch ein akutes Nierenversagen verschlimmern können. Sie veröffentlichen ihre Ergebnisse im Fachmagazin „Science Translational Medicine“. Das akute Nierenversagen ist ein sehr häufiges Krankheitsbild.
Es betrifft bis zu 20 Prozent aller Krankenhauspatient*innen. Auf Intensivstationen sind es sogar regelmäßig über 50 Prozent der Patientinnen und Patienten. Ein akutes Nierenversagen kann dabei eine Vielzahl von Ursachen haben wie etwa schwere Infektionen oder nierenschädliche Medikamente. Hauptsächlich werden bei einem akuten Nierenversagen Tubulusepithelzellen geschädigt.
Ausgangspunkt der Studie war die Entdeckung, dass es bei schweren Covid-19-Erkrankungen häufig zu einem Absterben von Tubulusepithelzellen und einem akuten Nierenversagen kommt. Die Forschenden fragten sich, wie die Standardtherapie bei schwer kranken Covid-19-Patient*innen auf die Niere wirkt. Zu dieser Standardtherapie gehört die Verabreichung von Medikamenten aus der Gruppe der sogenannten „Glukokortikoide“, die zu den Stresshormonen gehören und die das Immunsystem beeinflussen.
Die Forschenden fanden heraus, dass Glukokortikoide in der Niere den Stoffwechsel der Tubulusepithelzellen hemmen. Genauer gesagt, unterdrücken sie die Energiegewinnung der Zellen in den sogenannten „Mitochondrien“. Dadurch sterben vermehrt Tubulusepithelzellen ab und das akute Nierenversagen verschlechtert sich.
Die Forschenden sind noch auf einen weiteren spannenden Befund gestoßen: Der menschliche Körper produziert auch auf natürliche Weise Glukokortikoide. Zu diesen körpereignen Glukokortikoiden gehört das Stresshormon „Cortisol“. Bei einem akuten Nierenversagen baut die Niere dieses Cortisol weniger gut ab.
„Cortisol kann dann dem eigenen Körper schaden“, sagte Worzfeld. Medikamente aus der Gruppe der Glukokortikoide sollten Worzfeld zufolge bei akutem Nierenversagen daher mit Augenmaß eingesetzt werden. Ob und wie genau zukünftig Therapien anzupassen sind, müssten allerdings klinische Studien zeigen.

* pm: Philipps-Universität Marburg

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