Die VolkswagenStiftung fördert zwei Professoren der Philipps-Universität. Peter Kolb und Lennart Randau waren erfolgreich beim VW „Momentum“.
Mit einem zweifachen Erfolg geht die Philipps-Universität aus dem diesjährigen Rennen um die „Momentum“-Förderung der VolkswagenStiftung hervor. Prof. Peter Kolb aus der Pharmazeutischen Chemie und Prof. Lennart Randau aus dem Fachgebiet Genetik in der Biologie erhalten für die nächsten vier Jahre je rund 800.000 Euro. Kolbs Projekt ist in der Wirkstoffforschung angesiedelt. Randau forscht an der genetischen Struktur und Evolution kleiner Proteine im Zusammenspiel mit CRISPR-Cas-Systemen.
„Die Momentum-Förderung für zwei Marburger Wissenschaftler belegt die Innovationskraft der Philipps-Universität Marburg in der Forschung“, erklärte Uni-Vizepräsident Prof. Dr. Gert Bange. „Ich gratuliere Lennart Randau und Peter Kolb sehr herzlich zu diesem Erfolg und wünsche ihnen viel Erfolg bei den vielversprechenden Forschungsvorhaben.“
Kolb wird mit der „Momentum“-Förderung einen neuartigen Ansatz zur Derivatisierung potenzieller Wirkstoffmoleküle mit sogenannten „Transferasen“ verfolgen. Transferasen sind Enzyme, die eine chemische Gruppe von einem Molekül auf ein anderes übertragen können. Ein Ziel des Vorhabens „Transferase-enabled Structure-Activity Relationships“ (TeSAR): Harnessing transferases to increase molecule diversity in drug discovery“ ist, so viele Kandidatenmoleküle wie möglich herzustellen und damit langfristig die Chancen zu erhöhen, das nächste Medikament zu finden.
„Der derzeitige Standard in der Wirkstoffforschung ist die medizinalchemische Synthese zur Herstellung und Variation von Molekülen, in der Hoffnung, „das eine“ Molekül zu entdecken, welches eine bestimmte Krankheit heilt“, erklärte Kolb. „Diese Aufgabe kann überwältigend erscheinen, da es theoretisch bis zu 1060 (zehn hoch sechzig) mögliche Moleküle gibt – eine Zahl, die größer ist als die Zahl der Atome in unserem Sonnensystem.“ Ein limitierender Faktor bei der Entwicklung von neuen Molekülen sei, dass manche chemischen Reaktionen im Labor nur schwierig darzustellen sind.
Mitglieder der Enzymfamilie der Transferasen sind jedoch ebenfalls sehr gut darin, neue Atomgruppen an bestehende Moleküle anzuhängen. Künftig sollen die derzeitig gängigen Ansätze erweitert und Transferasen in den Werkzeugkasten der synthetischen Chemie aufgenommen werden. Sie sollen vor allem für jene Reaktionen eingesetzt werden, die sonst in einem Syntheselabor sehr schwierig durchzuführen sind.
So soll ein noch nie dagewesenes Maß an Variation um Kerngerüste herum erreicht werden. Dabei soll computergestützt und experimentell erforscht werden, wie Transferasen in der medizinischen Chemie optimal eingesetzt werden können, um so die Vielfalt der Moleküle, die hergestellt und anschließend auf ihr Wirkstoffpotenzial getestet werden können, erheblich zu vergrößern.
Die Arbeitsgruppe „Prokaryotische RNA-Biologie“ unter Leitung von Prof. Dr. Lennart Randau untersucht die Genetik von Bakterien und Archaeen. Im Zentrum der Forschung stehen deren RNA-Prozessierungswege und „CRISPR“-Cas-Systeme. „CRISPR“ steht für „Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats“ und damit für kurze – sich wiederholende – Fragmente).
Dabei wird die Interaktion von Bakterien und Viren untersucht. Bakterielle CRISPR-Cas-Systeme attackieren DNA von Viren und Plasmiden und nutzen verschiedene Mechanismen, um die Verbreitung dieser Fremd-DNA zu verhindern. Im Gegenzug setzen Viren kleine, spezifische Anti-CRISPR-Proteine ein, die diese Aktivitäten behindern.
„In unserem Forschungsvorhaben wird die de novo – also neue – Evolution von kleinen Proteinen und RNA-Molekülen aus zufälligen Sequenzen analysiert“, erklärte Randau. Dazu werden im Labor hunderttausende künstliche DNA-Konstrukte generiert, die unterschiedliche DNA-Sequenzen tragen. Jedes Konstrukt trägt dabei die Erbinformation für ein Protein, das von einer Bakterienzelle gebildet werden kann und verschiedene Funktionen haben kann.
Das Ziel ist, zu verstehen, wie de novo Proteine entstehen und welche Funktionen sie haben. Dazu sollen im Forschungsvorhaben stringente Auswahlsysteme eingesetzt werden, um so zum Beispiel die „Geburt“ von Anti-CRISPR-Proteinen nachvollziehen zu können. „Das neue Forschungsgebiet kann zum einen die Entstehung biologischer Innovation ermitteln und zum anderen nützliche Werkzeuge zur Regulierung von CRISPR-Cas Gen-Editierungs-Werkzeugen generieren“, erklärte Randau.
Die VW „Momentum“ Förderung will Freiräume für neues Denken in Forschung und Lehre im Universitätsalltag schaffen und die Vielfalt der Forschung und die Kreativität von Forscherpersönlichkeiten in Universitäten in Deutschland sowie die strategische Weiterentwicklung der entsprechenden Organisationseinheit stärken. Das Förderangebot richtet sich an Professorinnen und Professoren drei bis fünf Jahre nach Antritt ihrer ersten Lebenszeitprofessur. Es ist fachlich offen.
Gefördert werden Konzepte zur strategischen und inhaltlichen Weiterentwicklung der Professur, die sich aus unterschiedlichen Fördermaßnahmen zusammensetzen. Das Angebot ist flexibel und kann den Erfordernissen der jeweiligen Disziplin beziehungsweise dem Standort angepasst werden. Konzepte zur Perspektiverweiterung werden in der ersten Förderphase mit bis zu 800.000 Euro gefördert. Die erste Phase hat eine Laufzeit von vier Jahren. Für eine zweite Phase von zwei Jahren können bis zu 200.000 Euro beantragt werden.
* pm: Philipps-Universität Marburg