Menschen mit Migrationsgeschichte erhielten Einblicke in Verwaltungsarbeit. Mehr als 50 Interessierte besuchten eine Veranstaltung in der Stadtverwaltung.
Im Dezember 2023 öffnete die Marburger Stadtverwaltung die Türen für mehr als 50 Menschen mit Flucht- oder Migrationsgeschichte zu einer Betriebsbesichtigung. Das Ziel der Veranstaltung im Rahmen des Projektes „Open VOICE“ des Landkreises Marburg-Biedenkopf war, den Teilnehmenden die Ausbildungsmöglichkeiten in der öffentlichen Verwaltung näherzubringen. Die Teilnehmenden kamen im Rahmen ihrer Sprachkurse, Integrationsprojekte oder sogar im Klassenverbund zur Bauverwaltung der Stadt in der Barfüßerstraße. Auch über das Ehrenamt und das Fallmanagement wurden die Teilnehmenden auf die Veranstaltung aufmerksam.
Eine von ihnen war Olha Manko aus der Ukraine: „Ich möchte eine Ausbildung als Fachinformatikerin machen und interessiere mich für ein Praktikum im IT-Bereich der Stadtverwaltung. Deshalb bin ich hier.“
Andere wiederum waren schon bei mehreren Betriebsbesichtigungen im Rahmen von „Open VOICE“ dabei wie beispielsweise Idel Suliman aus Syrien. Seine Klassenlehrerin machte ihn auf die Veranstaltungen aufmerksam. Sein Ziel sei es, sich so viel wie möglich anzuschauen, um genau zu wissen, welche Ausbildung er beginnen möchte. Außerdem gefalle es ihm, einen Blick hinter die Kulissen von Unternehmen werfen zu können.
Mit ihren rund 1.600 Angestellten und vielen Arbeitsbereichen ist die Universitätsstadt Marburg eine große Arbeitgeberin in der Region. Maximilian Klehm von der Personalabteilung der Stadt gab einen Überblick über die Arbeitsbereiche und Einstiegsmöglichkeiten. Außerdem wurden zahlreiche Fragen beispielsweise zu Praktikumsmöglichkeiten und Ausbildungsgängen geklärt.
Die Fachdienste Allgemeine Verwaltung, Informationstechnik (IT) und Digitalisierung, Städtische Bäder und Hochbau stellten sich an vier Stationen vor. Auch Angestellte mit Migrationsgeschichte waren dabei, die von ihren beruflichen Erfahrungen und ihrem Weg in die Stadtverwaltung berichten konnten. „Das war natürlich ein Höhepunkt der Veranstaltung“, meinte Lydia Koblofsky, vom Büro für Integration (BfI) des Landkreises Marburg-Biedenkopf. Das BfI organisiert die Betriebsbesichtigungen, die im Rahmen von „Open VOICE“ stattfinden. „Diese persönlichen Geschichten machen Mut und motivieren, dass es klappen kann, auch wenn der Weg schwierig scheint.“
Neu zur Stadtverwaltung dazugekommen ist seit November Ahmed Khafagy. Der Ingenieur aus Ägypten ist als Fachkraft beim Fachdienst Hochbau angestellt. Er berichtete, wie die Mitarbeitende ihn freundlich willkommen geheißen haben und dass er sich auf die Aufgaben in der Stadtverwaltung freue. Neben einem Tandem- und Patenprogramm zur Einarbeitung wird Khafagy auch beim Deutschlernen von der Stadt unterstützt.
„Wir setzen auf den berufsbegleitenden Spracherwerb“, erläuterte Hendrik Schmidt vom städtischen Fachdienst Hochbau. „Denn wir wollen auch Menschen, die B2-Niveau haben, die Chance auf einen Berufseinstieg bei uns geben. Als Arbeitgeber ist es wichtig, den Mut zu haben, neue Wege zu gehen, auch wenn die Anforderungen aus dem Berufsbild sehr hoch sind.“
Auch der Fachdienst Städtische Bäder stellte sich bei der Veranstaltung vor. Mitarbeiter Khalil Kashkush vom städtischen Schwimmbad „Aquamar“ berichtete dabei von seinen Erfahrungen. Er machte bereits seine Ausbildung beim Aquamar und ist nun als Fachangestellter für Bäderbetriebe dort beschäftigt.
Er sei sehr stolz darauf, was er geschafft habe. Neben der Unterstützung durch seine Kolleginnen und Kollegen habe er auch viel Hilfe und Zuspruch aus seinem Umfeld bekommen. „So habe ich es geschafft. Heute stehe ich hier und stelle Menschen aus anderen Ländern die Arbeit bei der Stadt Marburg vor. Ich möchte ein Vorbild für andere sein und Mut machen.“
Fachdienstleiter Christian Prölß von den Städtischen Bädern der Stadt Marburg berichtete, dass Kashkush mit geringen Sprach- und Schwimmkenntnissen beim Aquamar angefangen habe. „Er hat aber sehr viel Motivation und Fleiß mitgebracht, um diesen Weg zu gehen. Heute zeigt sich: es hat sich gelohnt“, betonte Prölß.
Die Stadtverwaltung hat derzeit neue Ausbildungsplätze zur beziehungsweise zum Verwaltungsfachangestellten sowie zur Kauffrau oder zum Kaufmann für Büromanagement ausgeschrieben. Bewerbungsschluss ist der 4. Februar 2024. Mehr Informationen zu diesen und weiteren Stellenausschreibungen finden sich unter www.marburg.de/stellenangebote. Alternativ steht Anna-Lena Achnitz unter personalservice@marburg-stadt.de oder unter der Telefonnummer 06421/201-1494 zur Verfügung.
Die Betriebsbesichtigung fand in Zusammenarbeit mit dem WIR Vielfaltszentrum der Universitätsstadt Marburg mit dem Büro für Integration des Landkreises Marburg-Biedenkopf über das Projekt „Open VOICE“ statt. Weitere Partner sind das KreisJobCenter (KJC), der Arbeitgeber Personalservice des Landkreises und das Flüchtlingsberatungsnetzwerk „BLEIB!dabei“ des Mittelhessischen Bildungsvereins. Bei Fragen zu weiteren Betriebsbesichtigungen im Rahmen von „Open VOICE“ steht Lydia Koblofsky vom Büro für Integration des Landkreises unter der Handynummer 0160/9198-3557, oder unter der Telefonnummer 06428 447-2201 sowie per Mail an voice@marburg-biedenkopf.de zur Verfügung.
Das Programm „VOICE“ des Landkreises Marburg-Biedenkopf, der Universitätsstadt Marburg und der Arbeitsagentur Marburg soll das Miteinander stärken und gleichzeitig Neuzugewanderten Menschen Orientierung in den Bereichen Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft bieten. Außerdem soll es ihnen einen besseren Einstieg in die Gesellschaft und das Berufsleben ermöglichen.
„VOICE“ steht für „vocational“ (deutsch für Berufe kennenlernen), „orientation“ für Orientierung, „information“, „culture“ und „experience“ für Erlebnis
und gleichzeitig für das englische Wort „Voice“ für „Stimme“. Das Programm soll auch dazu dienen, Neuzugewanderten eine Stimme zu geben.
„Open VOICE“ verbindet berufliche Orientierung und Qualifizierung mit Themen der sozialen Integration. Durch Exkursionen und Ausflüge soll es einen erlebnis- und erfahrungsbasierten Zugang bieten. Besichtigungen regionaler Betriebe und Besuche von Jobmessen im Landkreis dienen als „Schaufenster“ ortsansässiger Wirtschaftsbetriebe.
* pm: Landkreis Marburg-Biedenkopf