Mit einem Symposium und der 14. Marburger Vorlesung zum Völkerstrafrecht hat das ICWC Geburtstag gefeiert. Stattgefunden haben die zwei Veranstaltungen am Donnerstag (7. Dezember).
Sein 20-jähriges Bestehen beging das Internationale Forschungs- und Dokumentationszentrum Kriegsverbrecherprozesse (ICWC) am Donnerstag (7. Dezember). Zu diesem besonderen Anlass veranstaltete das Zentrum, das seit 2003 zur Philipps-Universität gehört, ein Symposium zur Frage „The Rise and Rise of International Criminal Law?“ sowie einen abendlichen Festakt mit der 14. Marburger Vorlesung zum Völkerstrafrecht, die in diesem Jubiläumsjahr der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, Dr. Peter Frank, hielt. Er widmete sich aus der Perspektive des Praktikers dem Thema „Die Verfolgung von Völkerrechtsverbrechen in Deutschland aus der Perspektive der Bundesanwaltschaft“.
Das nachmittägliche Symposium fand im Historischen Saal des Rathauses statt. Es wurde mit einem Grußwort des Marburger Oberbürgermeisters Dr. Thomas Spies eröffnet.
Im Rahmen eines ersten Panels diskutierten Prof. Dr. Annette Weinke (Friedrich-Schiller-Universität Jena) und Dr. Gerd Hankel (Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur) moderiert von ICWC-Ko-Direktor Prof. Dr. Eckart Conze (Philipps-Universität Marburg) mit dem Thema „From Nuremberg to ICC: The Rise of International Criminal Law“ eine historische Perspektive auf das Völkerstrafrecht sowie die Frage, ob die Prägekraft von Nürnberg eher Fluch oder doch Segen sei. Betont wurde, dass die Geschichtswissenschaft einem unhinterfragt positiven Narrativ der Entwicklung des Völkerstrafrechts eine differenziertere Wahrnehmung entgegensetzen müsse.
Dann beleuchteten ICWC-Direktorin Prof. Dr. Stefanie Bock und Dr. Mina Ibrahim die Frage: „After ICC: Another Rise of International Criminal Law?“. moderiert wurde dieses zweite Panel von Geschäftsführer Dr. Henning de Vries Es warf ein kritisches Licht auf aktuelle Entwicklungen des Völkerstrafrechts.
Diskutiert wurde insbesondere bezogen auf die Anwendung des deutschen Völkerstrafgesetzbuchs. Problematisiert wurde vor allem die mangelnde Berücksichtigung der Opfer im Rahmen des Strafprozesses. Daran schloss sich die Forderung nach einer Reform der traditionellen, wenig flexiblen Rolle des (Völker-)Strafrechts an.
Das Highlight der Jubiläumsfeier bildete der abendliche Festakt in der Historischen Aula der Alten Universität. Einleitende Grußworte und Glückwünsche sprachen Universitätspräsident Prof. Dr. Thomas Nauss, Dekanin Prof. Dr. Ursula Birsl vom Fachbereich 03 sowie der Hessische Justizminister Prof. Dr. Roman Poseck.
Mit der 14. Marburger Vorlesung zum Völkerstrafrecht schloss sich der Höhepunkt des Abends an. Generalbundesanwalt Dr. Peter Frank berichtete aus der Praxis von der Verfolgung von Völkerrechtsverbrechen in Deutschland. Angefangen beim Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess und der Institutionalisierung der Nürnberger Prinzipien über die Etablierung der Internationalen Strafgerichtshöfe für Jugoslawien und Ruanda in den 90er Jahren bis hin zur Verabschiedung des den Internationalen Strafgerichtshof begründenden Rom-Statuts 1998 zeichnete Frank zunächst ein umfassendes Bild der Entwicklung des Völkerstrafrechts. Sodann nahm er die Entwicklungen in Deutschland in den Blick und erinnerte daran, dass die Bundesrepublik zunächst sehr zögerlich mit der Anwendung des 2002 in Kraft getretenen Völkerstrafgesetzbuchs umgegangen war.
Lediglich eine Stelle war seinerzeit bei der Bundesanwaltschaft für die Verfolgung von Völkerrechtsverbrechen vorgesehen, die erste Anklage erfolgte erst 2011. Mittlerweile sei die Bundesanwaltschaft nicht nur personell deutlich besser aufgestellt, sondern verfolge eine Vielzahl von im Ausland begangenen Völkerstraftaten gemäß des Weltrechtsprinzips.
Dazu gehören Verfahren gegen Anhänger des „Islamischen Staates“, aber auch gegen Angehörige des syrischen Regimes unter Bashar al-Assad. Maßgeblich für die Ermittlungserfolge in diesem Komplex sei die kriminologische Auswertung der „Caesar-Files“ – Fotografien von Leichen in einem syrischen Krankenhaus, die massive Folterspuren aufweisen. Besonders Derzeit ist das Strukturermittlungsverfahren zum Ukraine-Krieg, das zwar gegen Unbekannt geführt wird, aber ermöglicht, schon jetzt Zeugen aussagen und andere Beweismittel zu sichern, um zu einem späteren Zeitpunkt Verfahren gegen einzelne Tatbeschuldigte durchführen zu können.
Zuletzt ging Frank auch auf die Grenzen der Ermittlungsarbeit seiner Behörde ein: Herausfordernd sei insbesondere die räumliche und oft auch zeitliche Distanz zu den Verbrechen, die unter anderem das Finden und Vernehmen von Zeuginnen und Zeugen erschwere.
Im Anschluss an den Festvortrag warf Ko-Direktor Prof. Dr. Eckart Conze einen Bick zurück auf 20 Jahre ICWC. Er begann bei seinen Anfängen als von der VolkswagenStiftung gefördertes Pilotprojekt im Jahr 2000 und seiner Gründung als Zentrum an der Philipps-Universität 2003 über zahlreiche Forschungs- und Lehrprojekte, die seither erfolgreich umgesetzt wurden.
ICWC-Geschäftsführer Dr. Henning de Vries schloss mit dem aktuellen Geschäftsbericht an und berichtete unter anderem von der Ringvorlesung „Gender im Völkerstrafrecht“, den ICWC-Monatskolloquien, Studienfahrten sowie dem kürzlich in Hannover ausgerichteten Symposium „Responsibility to Protect and Humanitarian Interventions – Military Force in the Name of Human Rights?“. Auch die vom ICWC Trial-Monitoring Programme initiierten Veranstaltungen fanden ihren Platz im Geschäftsbericht.
Allen voran war das ein Zeitzeugengespräch mit Gerhard Wiese, das ein großes Publikum erreichte. Wiese war Staatsanwalt unter Fritz Bauer beim Frankfurter Auschwitz-Prozess.
Zum feierlichen Abschluss der 20-Jahr-Feier überreichte die ICWC-Direktorin Bock nicht nur den Absolventinnen und Absolventen des ICWC Trial-Monitorings ihre Zertifikate, sondern auch den ersten Absolvent*innen des Masterstudienganges „Internationale Strafjustiz: Recht, Geschichte, Politik“ ihre Abschlusszeugnisse. Im Anschluss lud das ICWC anlässlich der Feierlichkeiten zu einem Stehempfang in das Foyer der Alten Universität ein und bot die Möglichkeit zu regen Austausch – ein schönes Finale einer ganz besonderen Jahresfeier.
* pm: Philipps-Universität Marburg