Ein neues Zentrum forscht zur besseren Versorgung psychisch Kranker. Das Land fördert das LOEWE-Zentrum „DYNAMIC“ mit 14,7 Millionen Euro.
Psychische Erkrankungen zählen zu den häufigsten und folgenschwersten Erkrankungen. Jede vierte Person ist davon betroffen. Das geht quer durch alle Bevölkerungsschichten.
Je früher, besser und präziser die Behandlung ist, desto höher sind die Behandlungserfolge. Mit einer neuartigen Herangehensweise wollen Wissenschaftler*innen von vier hessischen Universitäten gemeinsam bessere Therapieansätze entwickeln.
Das Land Hessen hat die Initiative in sein Programm zur Förderung von Spitzenforschung aufgenommen und für das LOEWE-Zentrum „Dynamic Network Approach of Mental Health to Stimulate Innovations for Change“ (DYNAMIC) unter Federführung der Philipps-Universität in einer ersten Förderperiode 2024 bis 2027 14,7 Millionen Euro bewilligt. Beteiligte Partner sind die Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU), die Goethe-Universität Frankfurt und die Technische Universität Darmstadt. Zusätzlich unterstützen Wissenschaftler*innen des Deutschen Instituts für pädagogische Forschung DIPS sowie des Max-Planck-Instituts FSI in Frankfurt das Forschungsvorhaben.
Ebenfalls beteiligt sind die entsprechenden Universitätskliniken sowie die Psychotherapie-Ambulanzen der psychologischen Universitätsinstitute. Die Gesamtleitung und Koordination liegt bei Prof. Dr. Winfried Rief vom Fachbereich Psychologie der Philipps-Universität, die den erfolgreichen Antrag eingereicht hat. Co-Sprecher ist Prof. Dr. Andreas Reif von der psychiatrischen Universitätsklinik in Frankfurt.
„Der Schlüssel zu Spitzenforschung und Innovation ist Neugierde und der Blick auf die Herausforderungen der Zukunft gepaart mit Expertise und fachübergreifender Kooperation“, gratulierte Prof. Dr. Thomas Nauss. „Das haben die Wissenschaftler*innen bewiesen, die das wichtige Forschungsvorhaben DYNAMIC mit Weitsicht und Ideenreichtum erfolgreich auf den Weg gebracht haben.“ Der Präsident der Philipps-Universität dankte dem Land Hessen für die Bereitstellung der notwendigen Mittel, um diese gesellschaftlich so relevante Forschung voranzubringen.
„Die Versorgung psychisch Kranker muss dringend besser werden“, sagte DYNAMIC-Sprecher Rief. „Wir brauchen ein neues Verständnis psychischer Erkrankungen und neue Behandlungsmöglichkeiten, die schneller und effektiver wirken.“
Zwar existierten wissenschaftlich fundierte Behandlungsmöglichkeiten wie Psychotherapie und medikamentöse Behandlungen, jedoch könne man mit der Erfolgsquote bei Weitem nicht zufrieden sein, erklärte der Psychologe. Die Kernidee von DYNAMIC ist, nicht nur einzelne Merkmale wie Ängste, negative Stimmung oder einzelne Aktivierungsprozesse im Gehirn zu betrachten, sondern deren Vernetzung und die dynamische Veränderung dieser Netzwerke in den Blick zu nehmen und mit Hilfe von KI zu analysieren. Dynamische Netzwerk-Modelle können das Verständnis psychischer Erkrankungen und ihre Behandlung revolutionieren, weil sie ein besseres Verständnis der Abhängigkeiten einzelner Symptome und Syndrome voneinander sowie der Dynamik ihrer Veränderungen bei psychischen Störungen bieten.
„Wir erwarten damit ein komplett neues Verständnis psychischer Erkrankungen“, erklärte Rief. „Darauf aufbauend können wir Therapieansätze entwickeln, die stärker auf den einzelnen Fall zugeschnitten sind und die Situation für Patient*innen merklich verbessern.“
LOEWE-Zentren sollen nicht nur ein Thema von hoher Relevanz gezielt bearbeiten, sondern auch zu strukturellen Veränderungen der beteiligten Universitäten führen. Durch DYNAMIC soll die Kooperation zwischen den Abteilungen für klinische Psychologie und Psychotherapie sowie den psychiatrischen Abteilungen in der Medizin besser verankert werden. Eine Verstetigung nach Auslaufen der Förderung ist angedacht.
„„Unser Hauptziel ist eine verbesserte, personalisierte Behandlungsplanung bei psychischen Erkrankungen“, erklärte Rief. „Nicht zuletzt die Corona-Krise hat uns gezeigt, wie wichtig es ist, hier bessere präventive und therapeutische Maßnahmen zu bekommen. Aber wir nutzen auch das Momentum der Umstellung dieses Bereichs an den Universitäten, zum Beispiel durch die aktuell neu eingeführten Studiengänge zur Psychotherapie an den psychologischen Instituten.“ Deshalb soll aus diesem Projekt eine nachhaltige und einzigartige Struktur zur interdisziplinären Kooperation, Forschung und Behandlung psychischer Erkrankungen abgeleitet werden.
Wetterextreme und Umweltfaktoren wie die Feinstaubbelastung bestimmen mit, wie häufig bestimmte Krankheiten auftreten. Gerade bei Herzkreislauf- und Lungenerkrankungen bringt der Klimawandel neue Herausforderungen. Ein gemeinsames Forschungsvorhaben der Philipps-Universität (Federführung) und der Hochschule Fulda will Patient*innen-Daten mit regionalen Wetter- und Umweltdaten verknüpfen und so erforschen, wie drei Krankheitsbilder auf Klima-und Wetterveränderung reagieren.
Damit sollen individualisierte Warnungen und eine Echtzeit-Steuerung des Gesundheitssystems aufgebaut werden. Untersucht werden die Bereiche koronare Herzerkrankung und Herzinsuffizienz, durch Bluthochdruck komplizierte Schwangerschaften und die Lungenerkrankungen COPD, Asthma bronchiale und Pneumonie. Der vom Land Hessen mit 4,8 Millionen Euro geförderte LOEWE-Schwerpunkt „Health Affected by Climate Change and Air Pollution – Pathophysiology and Regional Management“ (HABITAT) bringt Kompetenzbereiche beider Institutionen in den drei Krankheitsbildern, der Klimaforschung, der digitalen Medizin, der künstlichen Intelligenz und der geographischen Klimaanpassungs- und Versorgungsforschung zusammen.
Dadurch wird ein interdisziplinärer Schwerpunkt zu den aktuellen Themen Digitalisierung, künstliche Intelligenz, Klimawandel und Medizin mit einer hohen Relevanz für Hessen bei der Klimaanpassung geschaffen. „Unser Ziel ist es, die Zahl der wetter- und umweltfaktorenbedingten akuten Krankheitsepisoden signifikant zu verringern, indem wir Personen und das Gesundheitssystem warnen und steuern“, erklärte Schwerpunkt-Sprecher Prof. Dr. Thomas Brenner von der Wirtschaftsgeographie der Philipps-Universität. Zwar gebe es bereits etliche Wetter- und Umweltwarnsysteme, sie seien jedoch nicht individualisiert und könnten damit keine Warnungen in Abhängigkeit von persönlichen Eigenschaften und Vorerkrankungen liefern.
Für individualisierte Warnungen fehlen bisher die wissenschaftlichen Grundlagen, mit denen Personeneigenschaften, Wetter- und Umweltsituationen und Erkrankungswahrscheinlichkeiten in Verbindung gebracht werden können. „Der LOEWE-Schwerpunkt HABITAT wird diese wissenschaftlichen Grundlagen für drei Krankheitsbilder schaffen und zum Nutzen für die gesamte Gesellschaft in die Praxis übertragen“, berichtete Brenner. Dabei wird auch eine neue, durch KI und digitale Anwendungen unterstützte Kooperation zwischen Wissenschaft und Gesundheitsversorgung aufgebaut, die dann auf andere Krankheitsbilder und Regionen übertragbar ist.
Außerdem sind Forschende der Philipps-Universität an einem weiteren LOEWE-Schwerpunkt zusammen mit anderen Universitäten beteiligt: Im Forschungsvorhaben „ADMIT“ unter Federführung der Technischen Hochschule Mittelhessen gehen die Wissenschaftler*innen der Frage nach, wie Krebs und neurodegenerative Erkrankungen mittels bildgeführten Therapien besser behandelt werden können.
* pm: Philipps-Universität Marburg