Die Ursache der gehäuft auftretenden Krebsfälle in Michelbach ist nicht festzustellen. Das Gesundheitsamt hat umfangreiche Untersuchungen dazu abgeschlossen.
Trotz umfangreicher Recherchen und Untersuchungen konnte das Gesundheitsamt des Landkreises Marburg-Biedenkopf keine umweltbedingte Ursache für die gehäuften Krebsfälle im Marburger Stadtteil Michelbach feststellen. Die Fachleute des Gesundheitsamts gehen daher von einer zufälligen Häufung der Krankheitsfälle aus. Diese Einschätzung wird auch vom Hessischen Krebsregister gestützt.
Zuvor hatte das Gesundheitsamt intensive Nachforschungen und Untersuchungen von Wasser, Boden und Luft auf den Weg gebracht. Im September 2021 war das Gesundheitsamt erstmals von einem Arzt auf eine mögliche Häufung von Krebserkrankungen im Marburger Stadtteil Michelbach aufmerksam gemacht worden.
Zwischen 2010 und 2021 sollen demnach bei acht Personen Krebserkrankungen der Blut- und Immunzellen aufgetreten sein. Darüber hinaus wurden dem Gesundheitsamt sechs weitere Fälle anderer Krebs-Erkrankungen genannt.
Im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags hat das Gesundheitsamt alle erforderlichen Schritte eingeleitet, um den Verdacht einer zeitlich-räumlichen Häufung von Krebsfällen und möglicher Ursachen aufzuklären. Zur Überprüfung und Bewertung möglicher umweltbedingter Faktoren hat das Gesundheitsamt auch sofort die jeweils zuständigen Fachbehörden eingebunden sowie Fachlabore und -institute mit weiteren Untersuchungen und Nachforschungen beauftragt. Das Gesundheitsamt hat dabei die Steuerungs- und Koordinierungsfunktion übernommen.
Eingebunden wurde dabei auch das Hessische Krebsregister (HKR). Diese Institution mit Sitz in Frankfurt hat die Aufgabe, Daten zu hessischen Krebsfällen zu erfassen, auszuwerten und bereitzustellen. Das HKR stellte daraufhin für den Zeitraum 2010 bis 2021 auf Basis der Informationen aus Michelbach dort eine statistisch signifikante Erhöhung der beschrieben Krebsarten im Vergleich zu dem für die Referenzregion Hessen zu erwartenden Wert fest.
Weiterhin stellte das HKR fest, dass das Erkrankungsalter der betroffenen Personen durchgängig unter dem für diese Krebsformen beschriebenen mittleren Erkrankungsalter von etwa 70 bis 74 Jahren lag. Eingebunden war außerdem das Deutsche Kinder-Krebsregister (DKKR). Es hat jedoch keine Hinweise auf eine Häufung der betreffenden Krebserkrankung bei Kindern in Marburg-Michelbach für den Zeitraum 2010 bis 2021 gefunden. Die anschließenden – strukturierten, gestuften und systematischen –
Untersuchungen folgten den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) in Berlin. Dabei richtete das Gesundheitsamt den Fokus zunächst auf durch menschliches Handeln verursachte (anthropogene) und natürlich bedingte (geogene) Einflüsse wie Strahlung und Schadstoffe in Boden, Luft sowie Trinkwasser. Die Abklärung möglicher Faktoren im privaten und beruflichen Umfeld der Betroffenen war ebenfalls Gegenstand der Nachforschungen.
Bei den Untersuchungen und Nachforschungen waren außerdem des Regierungspräsidium Gießen (RP), das Hessische Landesamt für Gesundheit und Pflege (HLfGP), das Hessische Ministerium für Soziales und Gesundheit, das Hessische Landesamt für Umwelt und Geologie, die Universitätsstadt Marburg, das Technologiezentrum Wasser und ein Umwelt-Ingenieurbüro eingebunden. Bei der Untersuchung des Trinkwassers hat sich das Gesundheitsamt an den Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) orientiert.
Dort sind in einer Liste die für die beschriebene Krebsform entsprechenden Parameter genannt, die untersucht wurden. Diese Parameter hat das Gesundheitsamt bei der Untersuchung des Trinkwassers auch alle berücksichtigt.
Auch wenn aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse und Befunde sowie der fachlichen Einschätzung des Dezernats „Industrielles Abwasser, wassergefährdende Stoffe, Grundwasserschadensfälle, Altlasten, Bodenschutz“ beim RP Gießen keine Anhaltspunkte für eine gesundheitsgefährdende Belastung des Bodens vorlagen, hat das Gesundheitsamt eine Beprobung der entsprechenden Flächen durch ein Umwelt-Ingenieurbüro veranlasst, um keine Hinweise für eine mögliche Gesundheitsgefährdung zu übersehen. Diese Bodenproben erbrachten ebenfalls keine Anhaltspunkte, die auf eine Ursache der Krebserkrankungen hinweisen könnten. Dieses Untersuchungsergebnis und die fachliche Einschätzung wurden durch das Hessische Landesamt für Gesundheit und Pflege (HLfGP) ebenfalls bestätigt.
Im Ergebnis konnte das Gesundheitsamt aus den umfangreichen Untersuchungen von Trinkwasser, Bodenproben und Luft keine mögliche Ursache für die in Frage stehenden Krebserkrankungen ableiten. Daher ist von einer zufallsbedingten Häufung auszugehen. Beobachtete und im statistischen Sinn auffällige regionale Erkrankungshäufungen können auftreten und sind nach Einschätzung des Robert-Koch-Instituts nicht zwingend auf eine gemeinsame Ursache zurückzuführen.
Gleichwohl stellt die Meldung solcher Beobachtungen und Verdachtsmomente ein wichtiges Frühwarnsystem dar, dem verantwortungsbewusst nachgegangen werden muss. Das ist nach Angaben des Landkreises in dem vorliegenden Fall geschehen.
Das HKR wird das das Krebsgeschehen in Michelbach jetzt mindestens zehn Jahre weiter beobachten. Der Abschlussbericht des Gesundheitsamts ist auf der Website des Landkreises Marburg-Biedenkopf unter www.marburg-biedenkopf.de/bericht-michelbach zu finden.
* pm: Landkreis Marburg-Biedenkopf