Seit Monaten verkehren die Stadtbusse mit einem Notfahrplan. Das hat zu Unmut bei vielen Fahrgästen geführt.
Insbesondere die Bewohner des nordwestlichen Marburger Stadtteils Wehrda fühlten sich – im wahrsten Sinne des Worts – „abgehängt“. Auf ihre berechtigten Beschwerden haben die Stadtwerke Marburg (SWM) jetzt mit einem neuen Notfahrplan reagiert. Er gilt ab Montag (23. Januar) für die Buslinien 1 und 4.
Zwischen dem Richtsberg und Wehrda soll tagsüber ein halbstündlicher Takt umgesetztwerden. Er gilt von Montag bis Freitag ab 8:00 Uhr bis Betriebsschluss. Das haben die Stadtwerke mitgeteilt.
Bislang war die Taktfolge des Notfahrplans in Wehrda unregelmäßig. Hatte jemand einen Bus verpasst, musste er auf den nächsten bis zu einer Dreiviertelstunde lang warten. Das war nicht gerade förderlich für die vielfach geforderte „Verkehrswende“ hin zu einer verstärkten Nutzung des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV).
Der hohe Krankenstand beim Fahrpersonal war ein wesentlicher Grund für die Einschränkung des Fahrtenangebots. Dabei kommen die Corona-Pandemie und andere Atemwegserkrankungen zusammen. Gerade das Fahrpersonal in den Stadtbussen ist der Infektionsgefahr besonders während der Wintermonate in hohem Maße ausgesetzt.
In den Bussen fährt aber nicht nur das Coronavirus mit, sondern auch so mancher garstige Zeitgenosse. Der Fahrplan sitzt dem Fahrpersonal ebenso im Nacken wie die Fahrgäste mit ihrem ganz persönlichen Zeitdruck. Von frühmorgens bis weit nach Mitternacht ist am Steuer der großen Gelenkbusse ebenso wie bei den kleinen Elektrobussen in den engen Gassen der Oberstadt allerhöchste Konzentration gefordert.
Auch der – inzwischen weithin beklagte – Fachkräftemangel spielt nun eine wichtige Rolle bei dem Ausfall von Fahrten. Nahezu alle Verkehrsbetriebe in Hessen klagen über Schwierigkeiten, neues Fahrpersonal zu gewinnen. Grund dafür sind neben den wenig familienfreundlichen Arbeitsbedingungen in wechselndem Schichtdienst auch die geringe Bezahlund un die damit einhergehende mangelnde Wertschätzung der Fahrerinnen und Fahrer.
Dabei rächt sich die Pseudo-Privatisierung der einstmals öffentlichen Verkehrsbetriebe in den Zeiten neoliberaler Deregulierung. Waren die Busfahrerinnen und Busfahrer früher direkt bei den Stadtwerken und damit im Öffentlichen Dienst angestellt, sow wurden sie nach und nach in privatisierte Gesellschaften wie die „Marburger Verkehrsgesellschaft“ abgedrängt. Die Folge waren eine niedrigere Entlohnung und schließlich auch geringere Rentenansprüche.
Angesichts all dieser Umstände wäre wohl eine bessere Bezahlung der Frauen und Männer am Steuer der Stadtbusse mehr als überfällig. Aber auch die Fahrgäste können ihren Beitrag zu besseren Bedingungen des umsichtigen Diensts für nachhaltigen Klimaschutz leisten, indem sie den Menschen vorne links im Bus mit freundlichkeit und Respekt begegnen. Sonst hat am Ende irgendwann niemand mehr Bock, sich vorne im Bus auf den Bock zu hocken und ihn durch die verstopften Straßen der Stadt Marburg zu bugsieren.
* Franz-Josef Hanke