Bewilligt auf die Zukunft: Jan Michael Schuller erhält ERC-Starting Grant

Dr. Jan Michael Schuller erhält einen „ERC-Starting Grant“. Das ist ein großer Erfolg für den Marburger Wissenschaftler.
Der Leiter der Emmy Noether-Gruppe „KryoEM von Molekularen Maschinen“ am Zentrum für Synthetische Mikrobiologie (SYNMIKRO) und dem Fachbereich Chemie der Philipps-Universität erhält einen „ERC-Starting Grant“. Im Projekt „Two CO2 One“ werden die Grundlagen der natürlichen CO2-Fixierung durch evolutionär sehr alte, anaerob lebende Mikroorganismen untersucht. Das Ziel ist, die Funktionsweise ihrer speziellen „Molekularen Maschinen“ zu erforschen, die das Treibhausgas CO2 binden und letztendlich Essigsäure oder Methan bilden.
Essigsäure ist eine wichtige industrielle Chemikalie, die mit einer Jahresweltproduktion von mehr als 3 Millionen Tonnen aus fossilem Öl oder Gas gewonnen wird. Methan ist der Hauptbestandteil von Erdgas. Durch die Forschung an diesen Mikroorganismen bereitet man nun den Weg für ihren biotechnologischen Einsatz und kann so dazu beitragen, CO2 zu sparen, um dem vom Menschen verursachten Klimawandel entgegenzuwirken.
Das Projekt wird für fünf Jahre mit insgesamt etwa 1,5 Millionen Euro gefördert. „Der ERC-Starting Grant ist ein Jahr nach dem Heinz Maier-Leibnitz-Preis 2021 ein großer Erfolg für einen Spitzen-Nachwuchsforscher“, gratulierte Uni-Vizepräsident Prof. Dr. Gert Bange. „Jan Schuller nutzt die Forschungsumgebung bei SYNMIKRO optimal und zeigt, dass die synthetische Mikrobiologie in Marburg auf einem erfolgreichen Weg ist. Ich gratuliere ihm sehr herzlich zu dem anspruchsvollen Forschungsprojekt.“
Kohlendioxid (CO2) zieht als Treibhausgas viel Aufmerksamkeit auf sich, denn es fördert den Klimawandel. Umgekehrt ist CO2 aber auch der Ausgangspunkt für die Erzeugung sämtlicher Biomasse auf der Erde.
Die Natur hat ausgeklügelte Methoden entwickelt, um CO2 zu binden und für biochemische Reaktionen verfügbar zu machen. Von allen bekannten biologischen CO2-Fixierungswegen ist der Wood-Ljungdahl-Stoffwechselweg (WLP) der einfachste Weg, zwei CO2-Moleküle zu einem zentralen Stoffwechselzwischenprodukt, Acetyl-CoA, zu fixieren. In der Natur wird dieser Stoffwechselweg von ökologisch relevanten anaeroben Mikroorganismen genutzt, die eine Schlüsselrolle in verschiedenen Nährstoffkreisläufen spielen.
Es handelt sich um acetogene Bakterien und methanogene Archaeen, die – aus menschlicher Sicht – unter extremen Bedingungen leben und sich ausschließlich von gasförmigen Substanzen ernähren können: Sie nutzen CO2 als Kohlenstoffquelle und H2/CO als Energieträger.
„Die Enzyme innerhalb des WLP unterscheiden sich wesentlich von dem, was wir unter ,normalem aeroben Stoffwechsel‘ verstehen“, erläuterte Schuller. „Sie verfügen über komplexe Metallcluster und organometallische Zwischenprodukte, um physikalisch komplexe Redoxreaktionen voranzutreiben.“
Das seien „Prozesse, die mit ,herkömmlicher Chemie‘ nur schwer zu beschreiben oder zu bewerkstelligen sind“, erklärte Schuller. In dem vom European Research Council (ERC) geförderten Projekt „Two CO2 One“ „untersucht er die molekularen Grundlagen dieses „uralten, aber umso mehr interessanten Stoffwechselweges. Wir werden neue Konzepte aufzeigen und im molekularen Detail erklären, wie und warum diese ,Biomaschinen‘ so effizient funktionieren und ein Leben unter extremen Umweltbedingungen sicherstellen können.“
Dazu verwenden die Forscherinnen und Forscher einen innovativ-strukturellen Ansatz der redoxgesteuerten kryogenen Elektronenmikroskopie (Kryo-EM), um die hochgradig sauerstoffempfindlichen Metalloprotein-Maschinen zu untersuchen. Die dadurch gewonnenen Erkenntnisse werden dann mit Hilfe verschiedener mikrobiologischer und genetischer Ansätze überprüft.
Das Projekt soll den Boden für biotechnologische Anwendungen von anaeroben Mikroorganismen bereiten. Langfristig hoffen die Forschenden, so zu weiteren Fortschritten in der synthetischen Biologie zu gelangen. „Es ist vorstellbar, dass auf Grundlage unserer Untersuchungen neuartige effizientere enzymatische Komplexe entwickelt werden können oder dass diese ,enzymatischen Kraftpakete‘ der CO2-Fixierung in künstliche Stoffwechselwege integriert werden können“, erklärte Schuller.
Das „Two CO2 One“-Projekt soll nicht nur ein tiefes Verständnis der einzigartigen mechanistischen Prinzipien des WLP liefern, sondern auch dazu beitragen, biotechnologische Ansätze und Designs inspirieren, um CO2 für die Produktion relevanter organischer Substanzen zu fixieren und gleichzeitig dem vom Menschen verursachten Klimawandel entgegenzuwirken. „Vielleicht stellt sich heraus, dass ausgerechnet die ältesten Organismen auf unserem Planeten über diejenigen Werkzeuge verfügen, die Herausforderungen und Probleme von heute zu lösen“, sagte Schuller.

* pm: Philipps-Universität Marburg

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