Marburger Friedensgipfel: Waffengeschäfte sind Ursache von Krieg und Flucht

Gut 80 Menschen waren am Freitag (1. September) auf den Lutherischen Kirchhof gekommen. Auf dem Platz vor der gotischen Kirche erinnerte die Marburger Friedensinitiative „Nein zum Krieg“ an den Ausbruch des 2. Weltkriegs vor 78 Jahren.
Mit dem „Marburger Friedensgipfel“ bot der Zusammenschluss von Organisationen und Einzelpersonen ein buntes Programm zum Antikriegstag. An verschiedenen Ständen gab es Informationsmaterial, Kaffee und Kuchen sowie Eintrittskarten für das Konzert „Canto General“ mit Musik von Mikis Theodorakis und Texten des Literaturnobelpreisträgers Pablo Neruda am Samstag (2. September) um 20 Uhr im Bürgerhaus Cappel.
Am Keyboard stimmte Jochen Schäfer auf das Konzert ein, indem er verschiedene Melodien des bedeutendsten griechischen Komponisten anstimmte. Zudem sang er Lieder der Friedensbewegung aus unterschiedlichen Jahrzehnten von Hans Eisler über Franz Josef Degenhardt und Udo Lindenberg bis hin zu seinem Secret Service Song „Wissen, wer was Macht“ vom Oktober 2016.
Unter der Moderation des evangelischen Dekans Burkhard zur Nieden diskutierten die Friedensforscher PD Dr. Johannes M. Becker und Melanie Hartmann mit dem Sozialethiker Prof. Dr. Franz Segbers. Thema war dabei der Zusammenhang von Waffenhandel, Krieg und Flucht. Alle drei Diskutanten kritisierten deutsche Kriegsbeteiligung und Rüstungsexporte als eine wesentliche Ursache weltweiter Flüchtlingsbewegungen.
Becker benannte zunächst die aktuellen Kriege, die er als Ursache der Flüchtlingsströme ausmachte. Seiner Ansicht nach handelt es sich dabei durchweg um Interventionskriege. Er forderte den Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan, der Türkei, dem Irak und Mali.
Hartmann wollte nicht von „Flüchtlingskrise“ sprechen, sondern lieber von einer „Solidaritätskrise“. Es stimme sie sehr traurig, dass sich Europa gegen Flüchtlinge abschottet und dafür dreckige Deals mit Ländern wie Libyen auf Kosten der Menschenrechte vereinbare. Deutschland drohe, von einem Status des „positiven Friedens“ gemäß einer Definition des norwegischen Friedensforschers Prof. Dr. Johann galtung in den Zustand des „negativen Friedens“ abzurutschen, bei dem „Strukturelle Gewalt“ an der Tagesordnung sei.
Noch drastischer formulierte der Theologe Segbers seine Kritik. Mit Zitaten des Papsts Franziskus benannte er das kapitalistische Wirtschaftssystem als Ursache des weltweiten Flüchtlingselends. Europa lebe auf Kosten der Länder Afrikas und verwehre deren Bewohnern die Teilhabe an dem von ihnen erarbbeiteten reichtum.
Dekan zur Nieden fragte, inwieweit die allseits akzeptierte Forderung nach einer Bekämpfung der Fluchtursachen nicht am Ende nur eine leere Formel bleibe, wenn man diese Ursachen nicht klar benenne. Alle drei Diskutanten sahen das ähnlich und sprachen sich gegen Rüstungsexporte in Krisenländer aus. Becker schlug vor, ein Kontingent der Bundeswehr den Vereinten Nationen (UN)für friedensstiftende Missionen zu unterstellen und auf Auslandseinsätze ganz zu verzichten.
Mit der Lesung eines afghanischen Flüchtlings, einer Filmvorführung und einem abschließenden Gottesdienst wurde das Programm des „Marburger Friedensgipfels“ fortgesetzt. Laues Spätsommerwetter und angeregte Gespräche der Anwesenden trugen trotz des ernüchternden Themas zu einer gelösten Atmosphäre bei. Wie ein roter Faden durchzog die Veranstaltung die Forderung, am Sonntag (24. September) keine Partei zu wählen, die die Menschenrechte von Geflüchteten missachtet und den Inneren Frieden durch rassistische Hetze stört.

* pm: Polizei Marburg

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