Gedenken gehen: Themenweg „Braunes Marburg“ vorgestellt

Der Themenweg „Braunes Marburg“ erinnert an die düstere Seiten der Stadtgeschichte. Er entstand zum Stadtjubiläum unter dem Stichpunkt „Marburg erinnern“.
„Marburg erinnern“ lautet einer der Schwerpunkte zum Stadtjubiläum „Marburg800“. Dabei blickt die Stadt auch auf die düsteren Seiten ihrer Geschichte zurück und arbeitet diese in dem neuen Themenweg „Braunes Marburg“ auf. Der Stadtspaziergang wurde bei einer Gedenkveranstaltung für die deportierten jüdischen Mitbürger*innen nach Riga, Sobibor und Theresienstadt vorgestellt.
„Uns an die Geschehnisse der Vergangenheit zu erinnern, ist sehr wichtig für die Gegenwart und die Zukunft. Denn nur so können wir Ereignisse aufarbeiten und aus den Fehlern der Vergangenheit lernen“, sagte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies zum Themenweg „Braunes Marburg“, der während der Veranstaltung zum Gedenken an die deportierten jüdischen Marburger*innen vorgestellt wurde. „Wir gedenken den 265 Menschen, die aus Marburg deportiert wurden“, sagte er am Dienstag (6. September). An diesem Tag jährte es sich zum 80. Mal, dass um 19.10 Uhr ein Zug abfuhr, der Menschen deportierte.
„Nur wenige überlebten“, erklärte Spies. „Diese Menschen waren Nachbarinnen, Schulfreunde, Arbeitskollegen – Menschen wie du und ich.“
„Der neue Themenweg füllt eine Leerstelle in der Erzählung über die Geschichte der Stadt“, sagte Elisabeth Auernheimer. Sie ist die Vorsitzende der Geschichtswerkstatt Marburg. Seit 2002 erinnert der Verein mit einer Gedenkstunde an die drei Deportationen von jüdischen Mitbürger*innen vom Marburger Bahnhof aus – nach Riga, nach Sobibor, nach Theresienstadt.
Neben Spies nahmen auch Vertreterinnen und Vertreter der Religionsgemeinschaften an der Veranstaltung teil. Schülerinnen und Schüler begleiteten die Gedenkstunde musikalisch und verlasen die Namen der Deportierten. Auch in diesem Jahr waren wieder Angehörige aus Israel angereist.
Die Marburger Journalistin Gesa Coordes stellte während der Veranstaltung den neuen Themenweg „Braunes Marburg“ vor. Bei dem Stadtspaziergang, den sie entwickelt hat, handelt es sich um ein Projekt der Geschichtswerkstatt Marburg zum Stadtjubiläum „Marburg800“.
Dabei bilden die jahrelangen Recherchen, Veröffentlichungen und Projekte der Werkstatt zur NS-Zeit die Grundlage. Mit dem neuen Weg blickt die Stadt inhaltlich auch auf die düsteren Seiten ihrer 800-jährigen Stadtgeschichte zurück. Der Stadtspaziergang „Braunes Marburg“ wurde am Dienstag (6. September) und damit genau 80 Jahre nach der letzten Deportation von Marburger Jüdinnen und Juden vorgestellt.
„Wir müssen dem Thema einen Platz einräumen, damit sich die Geschichte nie wiederholt“, sagte „Marburg800“-Kurator Richard Laufner, der den Themenweg angeregt hat. Das Jubiläumsbüro unterstützte das Projekt auch finanziell.
Schon vor der Machtergreifung 1933 herrschten die Nationalsozialisten in Marburg. 1930 bildete die NSDAP die stärkste Fraktion und hatte bereits zwei Jahre später die absolute Mehrheit inne. Dabei lagen die Ergebnisse in der Universitätsstadt bei jeder Wahl über dem Reichsdurchschnitt.
Auch an der Philipps-Universität wählten zwei Drittel der Studierenden schon 1932 den NS-Studentenbund. Marburg war also schon vor 1933 eine Hochburg der NSDAP.
„Es ist noch viel zu wenig bekannt, dass Marburg während der NS-Zeit nicht nur eine braune Stadt wie jede andere war, sondern sich besonders früh und eindeutig für Hitler entschied“, sagte Coordes: „Der Stadtspaziergang lädt alle Interessierten dazu ein, sich mit diesem Kapitel aus der Vergangenheit auseinanderzusetzen und zugleich die Stadt auf ungewöhnliche Art und Weise zu entdecken.“
Die Route startet an der Elisabethkirche. Denn Dort liegt durch einen historischen Zufall das Grab des ehemaligen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg. Weiter durch die Oberstadt begegnen einem eine Vielzahl sogenannter „Stolpersteine“.
Diese kleinen Messingplatten des Künstlers Gunter Demnich erinnern an die Marburger Jüdinnen und Juden sowie an ihre Häuser, die einst Teil des Marburger Stadtbilds waren. Der Weg führt dann unter anderem über den „Garten des Gedenkens“. Dort zündete die SA am 9. November 1938 die Marburger Synagoge an.
Der Stadtspaziergang dauert etwa 45 Minuten. Mit Nebenwegen – zum Beispiel zum Denkmal für die Deserteure des Zweiten Weltkriegs an der Frankfurter Straße – verlängert sich die Zeit auch bis zu zwei Stunden.
Der neue Stadtspaziergang „Braunes Marburg“ ist als Flyer im Marburger Tourismusbüro im Erwin-Piscator-Haus (EPH) an der Biegenstraße erhältlich und lässt sich unter www.marburg.de/braunes-marburg herunterladen. Unter diesem Link gibt es außerdem tiefergehende Informationen zu den einzelnen Stationen.
Verfasst wurden die Texte von Autorinnen und Autoren der Geschichtswerkstatt. Der Themenweg bietet sich daher auch für Schulklassen an, um sich dem Thema des Nationalsozialismus` aus einer Marburger Perspektive anzunähern.
Neun Stadtspaziergänge zum eigenen Erkunden der Universitätsstadt hat Marburg bereits. Mit dem Flyer oder dem Handy in der Hand können sich Einheimische und Gäste etwa auf die Spuren der Brüder Grimm, Martin Luthers „Reformationsroute“, Emil von Behrings, des jüdischen Marburg, der Universität, der Marburgerinnen, der Hexen oder des „blinden Marburgs“ begeben. Dazu kam im Jubiläumsjahr noch der Themenweg „Marburg800“, der die gesamte Geschichte Marburgs umfasst.
Auch diese Themenwege sind als Flyer im Marburger Tourismusbüro sowie im Internet unter www.marburg.de erhältlich. Zum Teil gibt es sie auch in englischer Sprache sowie als Audioguides.
Mehr über die Themenwege erfahren Interessierte auch in der Folge 20 „Marburg und die Themenwege“ des städtischen Podcasts „Hör mal Marburg“. Zu hören ist er unter www.hoermalmarburg.de sowie allen gängigen Podcastplattformen.

* pm: Stadt Marburg

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