Für ein Buch über den Krekel werden Erinnerungen an einen vergangenen Ort gesucht. Von 1929 bis Anfang der 70er Jahre war dort die städtische Obdachlosensiedlung.
Wer heute „Am Krekel“ und „Marburg“ googelt, dem werden Firmen, ein Gesundheitszentrum oder die Stadtwerke angezeigt. Doch die Erinnerung an den Duft von Bratensoße stammt von einem anderen Krekel: Dort wo heute die Fußgängerbrücke über die Bahngleise zum Südbahnhof führt, standen von 1929 bis Anfang der 70er Jahre einfachste Wohnunterkünfte.
Anlässlich des Stadtjubiläums möchte eine Stadtschrift daran sowie an die Bewohnerinnen und Bewohner erinnern. Die engagierte Arbeitsgruppe von ehrenamtlichen Autorinnen und Autoren sowie die Stadt suchen deshalb jetzt nach Menschen, die ihre Erinnerungen an den Krekel von damals teilen möchten.
Vor der Bahnschranke stand ein Kiosk. Dahinter begannen die Notunterkünfte, so sah die Situation einst aus.
Das war der Krekel. Menschen, die aus welchen Gründen auch immer ihre Wohnung verloren hatten und mit „Mann und Maus“ auf der Straße gelandet waren, fanden hier ein Dach über dem Kopf. Eigentlich gedacht als ein kurzer Übergang bis eine neue Bleibe gefunden ist, bestand der Krekel aus Unterkünften einfachster Bauweise.
„Uns geht es mit Marburg erinnern nicht um die herrschaftlichen Häuser in der Oberstadt oder um hohe Geistliche und Fürsten; uns geht es um Menschen, die ihr Leben unter schwierigen Lebensumständen in die Hand nahmen“, erklärten Christina Hey, Uschi Mannschitz und Hartmut Möller das Stadtjubiläumsprojekt. Mit ihrer Idee hinter die Fassade zu blicken, die Krekelanerinnen und Krekelaner selbst in den Mittelpunkt zu stellen, stieß das Trio bei der Stadt Marburg sofort auf positive Resonanz.
„Es geht um eine Gruppe von Menschen, die zu unserer Stadtgesellschaft gehörten und gehören“, erklärten die Drei ihr Konzept für das (Lese)buch mit hoffentlich vielen Originalaufnahmen. „Oftmals wurden die Menschen ausgegrenzt, eben, weil sie einfache Leute waren“, so die Arbeitsgruppe, die mit den Geschichten und der Geschichte der verlassenen Siedlung den weißen Fleck der Stadtgeschichte mit dem Buch in der Reihe der Stadtschriften der Stadt Marburg bunt machen will.
Dafür werden ehemalige Bewohnerinnen und Bewohner gesucht, aber ausdrücklich auch alle Marburger*innen, die sich privat oder beruflich an den Krekel und Menschen vom Krekel erinnern. Alle, die Erlebnisse oder Fotos zum Projekt und für das Buch in der Reihe der Stadtschriften der Stadt beisteuern möchten, sind eingeladen sich jetzt unter Krekel.Marburg@gmail.com zu melden.
„Es gibt noch Viele aus Marburg und Umgebung, die sich an den Krekel und seine Bewohnerinnen und Bewohner, an die Kinder, die ja heute schon ältere und teils betagte Bürgerinnen und Bürger sind, erinnern“, erläuterten die Autor*innen ihre Beweggründe, dem Krekel ein Gesicht zu geben. „Doch noch mehr Menschen kennen die verlassene und vergangene Siedlung nicht.“
Einige Erinnerungen, Geschichten zum Nachdenken, aber auch zum Schmunzeln sind inzwischen schon zusammengetragen worden. Dafür wurde auch eine Facebook-Gruppe eingerichtet, in der sich ehemalige Krekelanerinnen und Krekelaner sowie Nachfahren mit rund 200 Mitgliedern zusammen mit den Autor*innen austauschen.
„Und wie es so oft im Leben ist: Man denkt gerne an die schönen Dinge und freut sich daran, wie man zusammen das Leben im Krekel gelebt und gemeistert hat“, berichteten Hey, Möller und Mannschitz. So erinnert sich zum Beispiel Renate Kehlenbach wie sie am Krekel in der Lahn schwimmen lernte und zeigt die alte Familienbilder dazu. „Oder Beate Otto, die noch heute den Duft vom Krekel in der Nase hat – den Duft von Bratensoße.“
Diese ganz persönlichen Erinnerungen sollen in einer Marburger Stadtschrift erzählt werden. Aber auch welche Umstände dazu führten, dass die Krekel-Siedlung gebaut wurde, wie zumindest ein wenig Infrastruktur zusammen mit den Bewohnerinnen und Bewohnern erstritten werden konnte, wie der Krekel zum Ausgangspunkt für die Stadtteilsozialarbeit wurde, und warum der Krekel aufgelöst wurde, als Neubaugebiete zur Verfügung standen.
Die Stadtschrift wird darüber hinaus auch zeigen, wie die Stadt und die städtische Wohnungsbaugesellschaft Menschen in Not heute helfen können und werden, zum Beispiel denen, die auf der Straße gelandet sind. Deshalb entsteht das Jubiläumsprojekt von Beginn an als Kooperation mit der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GeWoBau, die als ein Projekt die geplanten Vinzi-Häuser für Obdachlose als Ausblick für die Zukunft vorstellt.
* pm: Stadt Marburg