Benachteiligte bestärken: Städtisches Modellprojekt für Alleinerziehende

Alleinerziehende stärken möchte die Stadt Marburg. Ein Modellprojekt nimmt dabei die Gesundheitsprävention in den Fokus.
Die Stadt Marburg unterstützt Alleinerziehende mit dem – eigens auf die Zielgruppe zugeschnittenen – Präventionsprojekt „Verbunden-Stark, Gesund“. In Elterngruppen mit einem parallelen Angebot für Kinder können sich Betroffene austauschen und Impulse erhalten. Zudem werden Erzieherinnen und Erzieher in Schulungen für die spezielle Situation von Alleinerziehenden sensibilisiert.
Das Projekt läuft über einen Zeitraum von drei Jahren. Für die Teilnehmenden ist es kostenlos.
„Alleinerziehende sind in vielen Bereichen mit großen Herausforderungen konfrontiert“, bemerkte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies. „Die Pandemie hat die Situation teilweise noch verschärft. Deshalb freue ich mich, dass wir betroffene Mütter und Väter nun mit einem speziell auf sie zugeschnittenen Projekt unterstützen können.“
Gefördert wird das Projekt von den gesetzlichen Krankenkassen in Hessen (GKV). „Bisher gab es wenig präventive Angebote für Alleinerziehende“, stellte Susanne Hofmann vom Fachdienst Gesunde Stadt fest. „Deshalb sind wir froh, die Förderung für dieses Projekt bekommen zu haben, um die Zielgruppe gesundheitlich zu stärken und unterstützen zu können.“
Der städtische Fachdienst hat das Angebot konzipiert und die Förderung durch die GKV beantragt. Das Angebot der Eltern-AGs ist bereits in anderen Städten für sozial benachteiligte Familien erprobt und wird nun speziell für die Zielgruppe der Alleinerziehenden angeboten. Teilnehmen können Eltern, die Kinder im Alter zwischen zwei und sechs Jahren haben.
„Alleinerziehende Mütter und Väter müssen alle familiären Herausforderungen alleine meistern und leben dabei in einem ständigen Spannungsfeld zwischen Familie und Beruf“, erklärte Claudia Ackermann von der vdek-Landesvertretung Hessen stellvertretend für die GKV in Hessen. „Auf der einen Seite stehen die Interessen, Wünsche und Bedürfnisse der Kinder, auf der anderen Seite die Frage nach finanzieller Absicherung., ZEeitstress und allein zu bewältigende Sorgen und Pflichten. Es ist wichtig, dass wir Alleinerziehenden und ihren Kindern die Unterstützung geben, die sie brauchen, und sie miteinander vernetzen.“
An 20 Terminen, die in den Räumen der Evangelischen Familien-Bildungsstätte stattfinden, treffen sich bis zu zwölf Mütter und Väter regelmäßig. Sie sprechen über Themen, die sie die Woche über beschäftigt haben und erhalten Impulse – etwa zur Stressreduktion durch einen besseren Umgang mit dem Ex-Partner oder der Ex-Partnerin. Auch Lösungsideen können gemeinsam entwickelt werden.
Angeleitet werden die Treffen von im Vorfeld durch die MAPP-Empowerment gGmbH ausgebildeten pädagogischen Fachkräften. Die Eltern-AG ist ein an der Hochschule Magdeburg-Stendal entwickeltes Angebot, das auf das Empowerment von Müttern und Vätern abzielt. Dabei geht es auch um Vernetzung und die Stärkung der Gesundheitskompetenz.
Zeitgleich findet in Zusammenarbeit mit der Ernährungsberatung des GAP-Zentrums Marburg für die Kinder ein Koch- und Ernährungsangebot statt. Dabei bereiten die Kinder mit Ernährungswissenschaftler Edgar Schröer und mit Unterstützung einer pädagogischen Fachkraft ein gesundes gemeinsames Abendessen zu, das Spaß beim gemeinsamen Kochen und am Essen vermittelt.
Die Kinder sollen ihre Interessen und Bedürfnisse einbringen, ihre Selbstwirksamkeit stärken und im Anschluss beim gemeinsamen Essen eine schöne Zeit erleben. Auch die eventuell älteren Geschwisterkinder sind willkommen.
Dieses Angebot hat bereits im ersten Durchlauf stattgefunden. In festen Gruppen haben bis zu zehn Elternteile teilgenommen, teils mit Dolmetscher*innen. Simone Biskamp, die die Eltern-AG gemeinsam mit Clemens Kraft anleitet, erzählt von den Erfahrungen der Teilnehmer*innen: „Sie berichten, dass sie viele neue Ideen für die Woche mitnehmen“. Dass sich Eltern untereinander Tipps geben, sei auch ein wichtiger Punkt – etwa zum Thema Grenzen setzen oder Einschlafschwierigkeiten. Der nächste Durchlauf soll von 28. September bis 1. März stattfinden, mittwochs von 16.30 Uhr bis 18.30 Uhr. Insgesamt soll die Eltern-AG in dem dreijährigen Projektzeitraum noch sechs Mal angeboten werden.
Aber das Präventionsprojekt „Verbunden-Stark“Gesund“ besteht noch aus zwei weiteren Bausteinen: Im Anschluss an die 20 Wochen werden einzelne Mütter oder Väter zu Patinnen und Paten ausgebildet, damit die Vernetzung und Unterstützung durch die Gruppe auch ohne die Fachkräfte weiter gewährleistet werden kann.
Zudem werden ab 2023 zweimal jährlich Multiplikatorenschulungen für pädagogische Fachkräfte im ganzen Stadtgebiet angeboten. Thema ist die Gesundheitsförderung für alleinerziehende Eltern. So soll für die spezifischen Bedürfnisse der Zielgruppe sensibilisiert werden.
Das Angebot wird über die dreijährige Laufzeit mit rund 200.000 Euro gefördert. Das Projekt ist eingebunden in die Initiative „Gesundheit fördern – Versorgung stärken“ der Universitätsstadt Marburg und des Landkreises Marburg-Biedenkopf.
Mit ungefähr 30 Prozent ist der Anteil Alleinerziehender in Marburg vergleichsweise hoch. Der Bundesdurchschnitt lag nach Angaben des Bundesfamilienministeriums im Jahr 2021 bei 19 Prozent.
Studien zeigen, dass das Leben als alleinerziehendes Elternteil häufig ähnliche Herausforderungen mit sich bringt: Finanzielle Probleme, zeitlicher Stress und allein getragene Sorgen und Pflichten belasten die Familien wirtschaftlich, psychisch und physisch deutlich stärker als das bei Familien mit zwei Elternteilen der Fall ist. Trotz Berufstätigkeit sind Alleinerziehende zudem oft von Zusatzleistungen abhängig.
Interessierte Alleinerziehende können sich bei der Eltern-AG unter fbs@fbs-marburg.de anmelden. Weitere Informationen gibt es unter 06421/201-1037 oder per Mail an linda.noack@marburg-stadt.de.

* pm: Stadt Marburg

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