„Schön + schlank = erfolgreich + glücklich“ ist die trügerische Formel, die ein erfülltes Leben verheißt. Tatsächlich ist sie aber das enge Korsett, das das Glück einschnürt und fast alle Schönheit ausgrenzt.
Die Universitätsstadt Marburg wirbt dagegen mit einer Aktionswoche für das Motto „Vielfalt ist Schönheit“. Das Programm haben Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies, die Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte Dr. Christine Amend-Wegmann sowie Rahel Häcker vom Projektbüro „Gesunde Stadt“ am Montag (21. August) im Rathaus vorgestellt.
„In unserer Gesellschaft wird ein Körperbild vorgegeben, an dem wir uns alle bewusst oder unbewusst messen“, erläuterte Amend-Wegmann den Hintergrund der Aktionswoche. Was gemeinhin als schön gelte, werde vor allem durch Medien und Werbung vorgegeben und könne sich im Zeitverlauf durchaus ändern. Wer der jeweiligen Norm beziehungsweise dem Schönheitsideal nicht entspreche, erfahre schnell Abwertung und Diskriminierungen.
„Die allermeisten Menschen sind mit ihrem Körper mehr oder weniger unzufrieden“, berichtete die Gleichstellungsbeauftragte. Auf Frauen treffe das noch viel häufiger zu als auf Männer.
„Erschreckend ist, dass schon Kinder ihren Körper häufig nicht uneingeschränkt mögen und sich sehr früh an diesen Schönheitsidealen messen“, erklärte sie. „Vor allem Mädchen sind sich selbst gegenüber sehr kritisch. Das zeigen aktuelle Studien“, berichtete Amend-Wegmann.
„Ganz vieles macht sich am Gewicht fest, erläuterte Spies. „Zu dick oder zu dünn: Täglich werden Menschen aufgrund ihres Gewichts in Schubladen einsortiert oder gar diskriminiert“, erklärte Oberbürgermeister Spies das sogenannte „Bodyshaming“.
Menschen hätten mit Vorurteilen und Selbstzweifeln zu kämpfen. Viele eiferten einem unrealistischen Schönheitsideal nach.
„Das kann sogar krank machen“, erläuterte Spies. „Wir werben deshalb im Rahmen des Projektes Gesunde Stadt für einen offenen und respektvollen Umgang mit dem Thema Gewicht.“
Den Anstoß gab der erste Marburger Aktionsplan zur EU-Charta für die Gleichstellung von Frauen und Männern, den die Universitätsstadt Marburg im März 2017 beschlossen hat. Die Aktionswoche „Vielfalt ist Schönheit“ beginnt am Sonntag (27. August) und dauert bis Sonntag (3. September). Veranstaltungsorte sind das Erwin-Piscator-Haus (EPH) sowie das Cineplex Marburg.
„Die Gleichberechtigung von Frauen und Männern, Antidiskriminierungsarbeit und die Förderung der Gesundheit haben für die Universitätsstadt Marburg hohe Bedeutung“, erklärte Spies weiter. „In der Vergangenheit hat das Gleichberechtigungsreferat zum Beispiel eine Wanderausstellung über Frauen-
und Männerbilder in der Werbung“ erstellt, die nach wie vor bundesweit gezeigt wird. Hier geht es vor allem um sexistische Werbung und ihre negativen Auswirkungen. Jetzt stellen wir das Thema Gewicht in den Mittelpunkt.“
Das Gleichberechtigungsreferat und das Projektbüro „Gesunde Stadt“ haben die Aktionswoche gemeinsam organisiert. Zusammen mit dem Oberbürgermeister als Schirmherrn und den Kooperationspartnerinnen Marion Closmann und Nicole Kleppel vom Cineplex Marburg sowie Ingrid Lee vom Verein Terre des Femmes laden sie zu den unterschiedlichen Programmpunkten der Aktionswoche ein.
Den Auftakt macht die bundesweite Fotoausstellung „Schwere(s)los“ von DAK-Gesundheit und Johnson & Johnson Medical. Sie zeigt eine Woche lang Alltagssituationen adipöser Menschen und befasst sich in ästhetischer Weise mit ihren Problemen und Wünschen, berichtete Manuel Höres von DAK-Gesundheit.
Die Ausstellung ist von Sonntag (27. August) bis Samstag (2. September) täglich von 10 bis 20 Uhr im Erwin-Piscator-Haus (EPH) zu sehen. Die offizielle Eröffnung mit Oberbürgermeister Spies findet am Montag (28. August) um 18 Uhr statt. Im Anschluss gibt Doris Hilberger als „Expertin in eigener Sache“ am gleichen Ort einen persönlichen Erfahrungsbericht unter dem Titel „Mein schwerer Weg in ein leichteres Leben“ und lädt zum Austausch darüber ein.
In ihrem Fachvortrag „Hat Menschenwürde eine Konfektionsgröße?“ spricht Natalie Rosenke von der Gesellschaft gegen Gewichtsdiskriminierung am Mittwoch (30. August) über die öffentliche Wahrnehmung von Dickleibigkeit in der westlichen Welt. Was als „normal“ gilt, sei abhängig vom historischen, gesellschaftlichen und kulturellen Zusammenhang ebenso wie von der Geschlechts- und Schichtzugehörigkeit der Betroffenen.
Rosenke spricht sich gegen die Stigmatisierung von „Dicken“ aus. Die Gesellschaft fordert sie dazu auf, Gewichtsdiskriminierung genauso zu ächten wie die Diskriminierung aufgrund der Hautfarbe, des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung. Der Vortrag beginnt um 19 Uhr.
Am Freitag (1. September) stellt die Diabetologin Dr. Veronika Hollenrieder aus München die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Dicksein vor, jedoch keinesfalls das Patentrezept zum Abnehmen. Vielmehr will sie mit ihrem Fachvortrag „Leben mit Übergewicht – die Seele isst mit“ über die Wünsche, Bedürfnisse und Probleme von übergewichtigen Menschen sprechen und erklären, wie Übergewicht entsteht und wie Frauen und Männer mit Übergewicht glücklich sein können. Auch diese Veranstaltung beginnt um 19 Uhr.
Mit der Filmvorführung „Embrace – Du bist schön“ am Sonntag (3. September) und Mittwoch (6. September) im Cineplex beendet die Aktionswoche ihr Programm und zeigt noch einmal auf, wie viele Frauen mit ihrem Körper unzufrieden sind. Mit der Frage, woher diese Unzufriedenheit kommt und was die Gründe dafür sind, dass sich sie sich nicht so akzeptieren können, wie sie sind, beschäftigt sich die Fotografin Taryn Brumfitt in dem Dokumentarfilm und befragt dazu Frauen aus der ganzen Welt.
Nach der Filmvorführung am Sonntag (3. September) um 11.30 Uhr steht die Psychotherapeutin und Lehrbeauftragte Dr. Helga Krüger-Kirn von der Philipps-Universität für eine Diskussion zur Verfügung. Die beiden Vorstellungen am Mittwoch (6. September) beginnen um 15 und um 19.30 Uhr.
„Am Sonntag (27. August) verteilen wir Postkarten mit dem Slogan Vielfalt ist Schönheit im gesamten Stadtgebiet und rufen Marburgerinnen und Marburger dazu auf, ihren Lieblingsmenschen eine Herzensbotschaft zu schicken, die ganz unabhängig ist von Aussehen und Gewicht“, erklärte Rahel Häcker vom Projektbüro „Gesunde Stadt“. Die Karten sind auf Anfrage auch bei ihr sowie im Gleichberechtigungsreferat erhältlich. Weitere Informationen gibt es unter www.marburg.de/vielfalt.
* pm: Stadt Marburg