Die genetische Geschichte der Pest war Thema der dritten Marburger Wissenschaftsgespräche. Darüber referierte Prof. Dr. Johannes Krause.
Die Erforschung der Geschichte von Krankheitserregern mit Methoden der Genetik war das Thema der dritten Marburger Wissenschaftsgespräche. Der Archäogenetiker Prof. Dr. Johannes Krause hat sich darauf spezialisiert, die Entwicklung von Krankheitserregern wie beispielsweise der Pest oder Tuberkulose aus sehr altem menschlichem Erbgut zu rekonstruieren. Krause forscht am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig.
Krause war am Dienstag (31. Mai) und Mittwoch (1. Juni) Gast an der Philipps-Universität bei der dritten Ausgabe der Marburger Wissenschaftsgespräche. In einem öffentlichen Abendvortrag sprach Krause über „Die genetische Geschichte der Pest: Was wir aus historischen Pandemien lernen können“.
Infektionskrankheiten sind in der medizinischen Forschung ein wichtiges Thema. Allerdings ist wenig über die Evolution von Krankheitserregern bekannt. Sie hinterlassen keine Fossilien, die es erlauben, die einzelnen evolutionären Schritte nachzuvollziehen wie zum Beispiel die Anpassung an den Menschen als Wirt.
Die Pest – oder der „Schwarze Tod“ – war die bislang größte Pandemie in der Menschheitsgeschichte, die im Mittelalter jeden zweiten Menschen in Europa das Leben kostete. Bis heute bedroht der Erreger Bevölkerungsgruppen in manchen Teilen der Welt wie zum Beispiel in Madagaskar. Insofern ist es vor allem für die Wissenschaft von großem Interesse, zu verstehen, woher der Erreger kommt, welches Alter er hat, wie er sich über Jahrtausende verändert hat und welche Gene auf welche Weise Resistenzen gegenüber der Pest oder anderen Erregern bewirken.
Krause berichtete über die Forschung zur Herkunft, Abstammung und Übertragung einiger der gefährlichsten Krankheiten der Menschheitsgeschichte und besonders der Pest. „Mit Hilfe modernster DNA-Sequenzierung ist es gelungen, molekulare Fossilien der Krankheitserreger in Form von bakteriellen Genomen aus historischen menschlichen Skeletten zu erstellen“, sagte Krause. „Unter anderem haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das gesamte Erbgut des mittelalterlichen Pest-Erregers rekonstruiert.
Seine molekularen Spuren konnten bis zum Ursprung des Schwarzen Todes in Zentralasien zurückverfolgt werden. Erbgutanalysen des steinzeitlichen Pest-Erregers erlauben es zusätzlich, einzelne evolutionäre Schritte bei der Anpassung der Bakterien an den Säugetierwirt und den Floh als Zwischenwirt nachzuvollziehen und Hinweise auf prähistorische Epidemien zu gewinnen.“
Wissenschaftliche Leiter der dritten Marburger Wissenschaftsgespräche waren der Genetiker Prof. Dr. Michael Bölker und der Mediziner Prof. Dr. Andreas Neubauer. „Wir freuen uns, dass wir Prof. Johannes Krause als Gast für die diesjährigen Wissenschaftsgespräche gewinnen konnten“, erklärte Bölker in seinem Grußwort. „Mit seiner Forschung hat er ganz entscheidend zur Weiterentwicklung der Archäogenetik beigetragen. Vor über 10 Jahren machte er eine bahnbrechende Entdeckung. Aus einem winzig kleinen Knochen, der in einer Höhle des Altai-Gebirges in Sibirien gefunden wurde, konnte Krause durch die Sequenzierung des Genoms eine bis dahin unbekannte Menschenform, den Denísova-Menschen, nachweisen. In der Folge hat sich die Forschung auf die Frühgeschichte des Menschen verlagert und wie große Wanderungsbewegungen die weitere Entwicklung bestimmt haben. Dieser Teil der Menschheitsgeschichte war auch von Epidemien und Pandemien begleitet und vermutlich auch entscheidend beeinflusst.“
Neubauer würdigte die Leistungen Krauses aus der Perspektive der Medizin: „Die Natur ist voller Koexistenzen. Die Forschung von Johannes Krause zeigt überzeugend, dass Menschen nicht nur mit Menschen koexistieren, sondern in hohem Maße auch mit den Mikroben in und auf uns. So hat zum Beispiel die Koexistenz des Magenkeims Helicobacter pylori mit den Menschen dazu beigetragen, dass sich unser Immunsystem besser mit Tuberkulose oder Leishmanien auseinandersetzen konnte. Man kann spekulieren, ob die Spezies Mensch ohne die Koexistenz mit Mikroben überlebt hätte.“
Interessierte konnten Krauses Vortrag in Präsenz in der Universitätsbibliothek oder per Livestream verfolgen. Auf dem Programm der zweitägigen Veranstaltung standen auch ein interdisziplinäres Symposium mit eingeladenen Gästen aus verschiedenen Fachdisziplinen der Natur- und Lebenswissenschaften sowie der Geistes- und Sozialwissenschaften. Postdoktorandinnen und -doktoranden sowie Promovierende der Philipps-Universität hatten zudem die Gelegenheit, sich mit Krause in einem Kolloquium auszutauschen.
Mit den Marburger Wissenschaftsgesprächen möchte das Präsidium der Philipps-Universität den wissenschaftlichen Diskurs zu aktuellen Themen in Marburg und über Marburg hinaus beleben. Es ist eine fachlich anspruchsvolle und zugleich öffentlichkeitswirksame Reihe, deren Gäste auf fächerübergreifendes Interesse stoßen.
Krause promovierte 2008 im Fach Genetik an der Universität Leipzig. Anschließend arbeitete er am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, bevor er eine Professur für Archäo- und Paläogenetik an der Universität Tübingen am Institut für Naturwissenschaftliche Archäologie übernahm.
Ab Juni 2014 war Krause Direktor am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena. Im Juni 2020 wechselte er wieder an das Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig. Krause war 2019 einer der Initiatoren und Mitunterzeichner der „Jenaer Erklärung“ zum Rassismus, in der darauf hingewiesen wird, dass es aus biologischer Sicht keine Menschenrassen gibt; vielmehr sind sich alle Menschen genetisch sehr ähnlich. Die Unterschiede sind nur graduell. In der breiten Öffentlichkeit wurde Krause durch seine – mit dem Journalisten Thomas Trappe gemeinsam verfassten – Bücher „Die Reise unserer Gene: Eine Geschichte über uns und unsere Vorfahren“ und „Hybris: Die Reise der Menschheit: Zwischen Aufbruch und Scheitern“ bekannt.
* pm: Philipps-Universität Marburg