Abendelang: Wirtschaftsförderung 4.0 geht neue Wege

Manchmal reicht ein kleiner Impuls von außen. Dr. Michael Kopatz referierte deshalb im Cineplex über nachhaltige Wirtschaft.
Was ist nachhaltige Wirtschaft und wie kann sie funktionieren? Und was kann eine Kommune dazu beitragen, die lokale Wirtschaft nachhaltig und krisenfest aufzubauen? Der Sozial- und Umweltwissenschaftler Dr. Michael Kopatz hat dazu einige Ideen und konkrete Beispiele beim „Marburger Stadtgespräch“ vorgestellt.
Kopatz ist Autor der Studie „Wirtschaftsförderung 4.0“, die sich damit befasst, wie eine resiliente, kollaborative und lokale Wirtschaftsförderung auf lokaler Ebene gelingen kann. Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies hatte einige Fragen dazu und den Sozial- und Umweltwissenschaftler kurzerhand direkt angerufen – und nach Marburg eingeladen, wo der sich nicht nur den Fragen des Oberbürgermeisters und der Fraktionen stellte, sondern im Kinosaal bei einem Stadtgespräch zu seiner „Wirtschaftsförderung 4.0“ referierte und Fragen aus Wirtschaft und Klimabewegung stellte.
„Die Transformation der Wirtschaft hin zu Regionalität und Nachhaltigkeit ist eine unzweifelhafte Notwendigkeit“, erklärte Spies. „Wir fragen uns in Marburg schon lange, was die Kommune zur lokalen Wirtschaft beitragen kann.“
Die Anwesenden begrüßte Spies im Kinosaal zum Stadtgespräch mit der Frage: „Wie kann die Wirtschaft der Zukunft aussehen? Damit beschäftigen wir uns gemeinsam mit Dr. Michael Kopatz.“
Kopatz beschäftigt sich damit, wie regionale Wirtschaft krisenfester gemacht werden kann. In seinen Ausführungen kommt er immer wieder auf den Punkt zurück, dass eine regionale Wertschöpfung eine nachhaltige Entwicklung befördert.
Er nennt fünf wichtige Bereiche, die eine gute Basis für eine resiliente Wirtschaft bilden. Dazu zählt er eine reine regionale Finanzwirtschaft, Sozialunternehmen, eine Sharing Economy, eine regionale Produktion und lokale Unternehmen.
Was aber kann eine Kommune tun, um die „Wirtschaftsförderung 4.0“ umzusetzen? Dafür brachte Kopatz viele Beispiele aus europäischen Städten mit. Osnabrück beispielsweise habe sich erst einmal eine Übersicht verschafft, welche Produzent*innen es vor Ort schon gibt und das Gespräch gesucht sowie sich als Ratgeber angeboten
„Auch wenn eine Stadt nicht direkt finanziell helfen kann; die Ansprache ist eine wichtige Form der Wertschätzung“, erklärte Kopatz. Hinzu komme das Sichtbarmachen von Angeboten. „Wissen die Städter*innen denn, welche Produkte es alle aus der Region gibt?“, fragte er.
Pop-up-Regionalläden in Leerständen könnten helfen, mehr Bewusstsein dafür zu schaffen. Kopatz Plädoyer ist, die herkömmliche kommunale Wirtschaftsförderung um neue Handlungsfelder und Strategien zu erweitern, um die Strukturen vor Ort besser vernetzen und unterstützen zu können. Dazu gehöre es auch, Sharing-Projekte und soziale Angebote zu unterstützen.
Dazu zählt er etwa Projekte, bei denen Menschen sich Autos oder Werkzeuge teilen: „50 Prozent aller Wirtschaftsleistungen in Deutschland werden nicht bezahlt. Wenn ich meinem Nachbarn den Rasen mähe und dafür einen Korb Äpfel bekomme, dann ist das auch Wirtschaft. Und diese unbezahlte Wirtschaft muss die Kommune auch mit in den Blick der Förderung nehmen.“
„Beispielsweise kann die Kommune helfen, Repair-Cafés zu vernetzen und so auszubauen, dass sie Angebote in Schulen machen – das wiederum hilft dem Handwerk, Auszubildende zu rekrutieren.“ Eine Kommune habe beispielsweise schon einen Headhunter beauftragt, um eine Nachfolge für die lokale Metzgerei zu finden.
Außerdem könne die Wirtschaftsförderung Hilfe anbieten bei der Erstellung von Kommunikationskonzepten, beim Ausfüllen von Förderanträgen oder der Gründung von Genossenschaften. „Manchmal reicht ein kleiner Impuls von außen aus“, resümierte Kopatz.
Als positives Beispiel der kommunalen Wirtschaftsförderung führte Kopatz den „Marburg Gutschein“ auf – er sorge dafür, dass Geld in der Stadt bleibe.
Auch für lokale Finanzierungsmodelle hat Kopatz Beispiele im Gepäck: Bürgeraktien können lokal gezeichnet und das Geld für lokale Investitionen genutzt werden. Auch die „Solidarische Landwirtschaft“ (Solawi) sei ein Finanzierungsmodell – da im Prinzip die Ernte vorab verkauft werde.
Einen direkten Einfluss könne die Stadt auch auf die Gewerbeentwicklung nehmen, wenn sie eine strategische Boden- und Immobilienpolitik verfolge. Die Stadt Ulm schaffe beispielsweise nur auf städtischem Boden Baurecht. Gewerbeliegenschaften könnten zudem verpachtet statt verkauft werden.
Endet eine Nutzung, habe die Stadt dann wieder den ersten Zugriff auf die freiwerdende Fläche. „Und für die Vergabe neuer Gewerbeflächen sollte es Kriterien für eine nachhaltige Entwicklung geben – etwa, indem man Flächen nur an Unternehmen gibt, die nachhaltig arbeiten und gut bezahlte Arbeitsplätze bieten“, forderte Kopatz.
Auch zum Verkehr hat Kopatz eine These: „Verkehrswende vitalisiert Innenstädte“, betonte er. Denn: „Mit einem geänderten Gefäß kann man die Erreichbarkeit verdoppeln!“ Parkplätze für Autos stünden nur eingeschränkt zur Verfügung.
„Mit dem Bus kann man mehr Menschen ohne Parkplatz und Stau in die Städte bringen.“ Es gebe Studien, die belegten, dass Fußgehende und Radfahrende Geschäfte öfter frequentieren und mehr Geld dort ausgeben als Autofahrerinnen und Autofahrer.
Die wichtigste Botschaft, die Kopatz hat, richtet er an alle Unternehmen, Initiativen und Bürger*innen: „Liebe deine Stadt!“ Es brauche einen positiven Spirit, eine gute Stimmung und Menschen, die sich mit ihrer Stadt identifizieren.
So könne etwas Gutes entstehen, dass die lokale Wirtschaft, die Stadt und die Gemeinschaft in eine gute Zukunft trage. Der Vortrag im Rahmen des Marburger Stadtgesprächs ist auf dem Youtube-Kanal der Universitätsstadt Marburg zu sehen.

* pm: Stadt Marburg

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