Der Fachbereich Medizin der Philipps-Universität ehrt die Gründer von BioNTech. Özlem Türeci und Ugur Sahin erhalten die Ehrendoktorwürde.
Der Fachbereich Medizin der Philipps-Universität verleiht Privatdozentin Dr. med. Özlem Türeci und Prof. Dr. med. Ugur Sahin die Ehrendoktorwürde für ihre Verdienste in der Entwicklung eines Impfstoffs gegen COVID 19. Türeci und Sahin haben durch jahrelange Grundlagenforschung eine revolutionäre Biotechnologie entwickelt. Mit dem weltweit ersten zugelassenen Covid-19-Impfstoff haben sie den Kampf gegen die Corona-Pandemie entscheidend vorangebracht und zugleich Wissenschaftsgeschichte geschrieben.
Vor über 20 Jahren als kleines Onkologie-Team in der akademischen Forschung gestartet, das die körpereigene Immunantwort gegen Tumorzellen nutzen wollte, erkannten die Mitbegründer der Biotechnologiefirma BioNTech im Januar 2020, dass die aufkommende COVID-19-Pandemie eine weltweite Herausforderung darstellen würde. Die Entwicklung eines Impfstoffs –
basierend auf Boten-Ribonukleinsäure „mRNA“ – begann bereits Ende Januar 2020. Dabei konnten die Wissenschaftler auf ihrer langjährigen Forschungs- und Entwicklungsarbeit mit mRNA-Wirkstoffen aufbauen.
„In Lichtgeschwindigkeit haben Türeci und Sahin und ihr Team gezeigt, dass es möglich ist, robuste Immunantworten gegen das der COVID-19-Erkrankung zu Grunde liegende neue Coronavirus SARS-CoV-2 durch die von ihnen entwickelte mRNA-Technologie aufzubauen“, erklärte Dekanin Prof. Dr. Denise Hilfiker-Kleiner vom Fachbereich Medizin der Philipps-Universität. „Ebenfalls sehr schnell wurde der Impfstoff nach der Durchführung klinischer Studien und dem Neuaufbau komplexer Produktionsanlagen zur Verfügung gestellt.“
Sahin und Türeci kommen aus der Krebsforschung. Sie fokussierten sich an den Universitäten in Homburg und Mainz seit Mitte der 90er Jahre darauf, Krebsimpfstoffe zu entwickeln, die dem Immunsystem eines Patienten die Antigene seines eigenen Tumors präsentieren, damit es diesen zerstöre. Sie entschieden, dass die Gabe von mRNA, die die Baupläne von Tumorantigenen trug, dafür am besten geeignet sein würde.
Ende der 90er Jahre begannen sie, mRNA so zu optimieren, dass sie als Krebsvakzine verimpft werden konnte. In jahrelanger Forschungsarbeit veränderten sie eine Vielzahl struktureller Komponenten der mRNA, wodurch sie sowohl deren intrazelluläre Stabilität als auch deren Translationseffizienz signifikant steigerten und damit einen Lösungsansatz entwickelten, der niedrigen Proteinproduktion entgegenzuwirken. Mit den 2006 publizierten Ergebnissen dieser Arbeit gingen sie im selben Jahr als Sieger aus dem ersten Go.Bio-Wettbewerb des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) hervor, was sie zur Gründung von BioNTech motivierte.
BioNTech wurde 2008 als Ausgründung aus der Universität Mainz ins Leben gerufen. Das Unternehmen hat sich zum Ziel gesetzt, die Kraft des Immunsystems zu nutzen, um neue Therapien gegen Krebs und Infektionskrankheiten zu entwickeln.
Die auf mRNA basierende Impfung gegen COVID 19 ist das erste kommerziell zugelassene Produkt des Unternehmens. Die Zulassung wurde in Zusammenarbeit mit Pfizer im Dezember 2020 in Großbritannien erlangt und ist die erste Zulassung weltweit für ein kommerzielles pharmazeutisches Produkt basierend auf der mRNA-Technologie.
Türeci und Sahin haben sich entschlossen, in Marburg eine der größten Produktionsstätten für mRNA-Impfstoffe aufzubauen. Damit setzt das Wissenschaftsteam die lange Tradition bahnbrechender medizinischer Innovationen auch in Marburg fort. So ist der erste Nobelpreis in der Medizin 1901 an den Immunologen Prof. Emil von Behring gegangen, der damals in Marburg als Ordinarius für Hygiene und Direktor des Hygienischen Instituts tätig war.
Er hatte ebenso visionär wie durchsetzungsmächtig gezeigt, dass Menschen, die eine Diphterie- oder Tetanus-Erkrankung durchgestanden hatten, immun werden. Die von ihm entwickelte Serumtherapie ermöglichte es erstmals, Diphterie durch Impfung vorzubeugen.
Emil von Behring war einer der Ersten, der als Wissenschaftler ein Biotechnologieunternehmen – die Behring-Werke in Marburg – aufbaute und maßgeblich die Menschheitsgeschichte beeinflusste. Der Fachbereich Medizin in Marburg ist fest davon überzeugt, dass die vom Team Türeci und Sahin entwickelten mRNA-Technologien bei weiteren Infektionserkrankungen, aber auch bei anderen schweren Erkrankungen ein neuer essentieller Baustein der Therapie werden können.
Die Philipps-Universität und der Fachbereich Medizin freuen sich, dass das Forschungsteam Türeci-Sahin mit der Annahme der Ehrenpromotion Teil der wissenschaftlichen Gemeinschaft in Marburg wird. Die Ehrenpromotion wird im Rahmen einer Veranstaltung in Marburg im Frühjahr 2022 überreicht.
* pm: Philipps-Universität Marburg