Zum Zurechnen: Arbeitsgruppe fordert Anwälte für Algorithmen

Braucht es bald Anwälte für Algorithmen? Eine neue Projektgruppe untersucht Rechtsfragen bei Künstlicher Intelligenz (KI).
Nachdem das „Zentrum verantwortungsbewusste Digitalisierung“ (ZEVEDI) 2021 bereits die beiden neuen Projektgruppen „Nachhaltige Intelligenz –
intelligente Nachhaltigkeit“ und „KI und Finance – Innovation, Resilienz und Verantwortung“ eingerichtet hat, nimmt nun mit der Gruppe „Normordnung Künstliche Intelligenz“ (NOKI) die fünfte aktive ZEVEDI-Projektgruppe ihre Arbeit auf. Die Gruppe unter Leitung von Prof. Dr. Florian Möslein vom Institut für das Recht der Digitalisierung am Fachbereich Rechtswissenschaften der Philipps-Universität wird sich dem Spannungsfeld zwischen Recht und innovativen Technologien widmen. In der Projektgruppe NOKI untersuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universitäten Marburg, Gießen, Frankfurt und Darmstadt sowie der Frankfurt School of Finance and Management, welche normativen Fragestellungen sich durch Künstliche Intelligenzen, maschinelles Lernen und Algorithmen ergeben.
Künstliche Intelligenzen und algorithmische Verfahren sind längst fester Bestandteil der Gesellschaft. Doch wer trägt die Verantwortung für ihre Entscheidungen?
„Gerade in komplexen und weitreichenden Szenarien wie beispielsweise an den Finanzmärkten oder in der Medizin stellt sich immer dringender die Haftungsfrage“, sagte Prof. Dr. Florian Möslein, der die Projektgruppe „NOKI“ leitet. „Um das volle Potenzial entsprechender Technologien nutzen zu können, braucht es einen rechtssicheren Rahmen mittels fester Normen“, forderte er.
Die Normbildung erfolge derzeit auf verschiedenen Ebenen teils als ethische – von Expertinnen und Experten entworfene – Leitlinien, teils als in der Technik verankerte Mechanismen, teils durch Anwendung geltenden Rechts. „Doch über die verschiedenen spezifischen Anwendungsgebiete hinweg gibt es keine effektiven Durchsetzungsmechanismen“, erläuterte Möslein.
In der Projektgruppe „NOKI“ werden die Forscherinnen und Forscher zunächst den immer vielschichtiger werdenden Normbestand im Schnittfeld von Recht, Ethik, Technologie und Markt systematisieren. Dazu sollen mehrere interdisziplinäre Arbeitsgruppen etabliert und verschiedene digitale Fachtagungen sowie Workshops veranstaltet werden.
„Die Technologien entwickeln sich sehr dynamisch und sind zum Teil hochinnovativ“, stellte Möslein fest. „Das ist natürlich auch in der Normgebung zu spüren.“
Daher werden auch die zugrunde liegenden gesellschaftlichen Normbildungsprozesse genauer analysiert. „Diese Systematisierung wird einen Erkenntnisgewinn zum allgemeinen Spannungsfeld von Recht und Innovation zulassen und Grundlage für die Beantwortung spezifischer – auch rechtspolitischer – Normsetzungs- und Anwendungsfragen, etwa in den Bereichen KI und Finance, Mobilität und digitale Gesundheit sein“, versprach Möslein.
Das „Zentrum verantwortungsbewusste Digitalisierung“ (ZEVEDI) ist ein Kompetenznetzwerk der hessischen Hochschulen mit Sitz in Darmstadt. ZEVEDI bündelt Forschungsexpertise zu Analyse und Gestaltung normativer Dimensionen des digitalen Wandels und bringt sie unter anderem mittels ergebnisorientierter, beteiligungsoffener Projektgruppen zu aktuellen Themen zusammen. Die Ergebnisse der Arbeit am Zentrum fließen in die beteiligten Hochschulen und wissenschaftlichen Disziplinen zurück.
Das 2018 gegründete „Institut für das Recht der Digitalisierung“ am Fachbereich Rechtswissenschaften der Philipps-Universität erforscht die Auswirkungen der Digitalisierung auf bestehende Rechtsordnungen. Mit Projekten wie „Blockchain und Recht“, das vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz mit rund 900.000 Euro gefördert wird, und durch ihr Engagement in der Gruppe NOKI leisten Marburger Juristinnen und Juristen einen wesentlichen Beitrag dazu, digitale Technologien rechtssicher und zukunftsfähig zu machen. Die Institutsleitung haben Prof. Dr. Sebastian Omlor und Prof. Dr. Florian Möslein inne.

* pm: Philipps-Universität Marburg

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