Nachruf: Ottmar Amm lebte für Barrierefreiheit

Ottmar Amm ist am Donnerstag (29. April) im Alter von 64 Jahren nach schwerer Krankheit verstorben. Amm hat sich seit über 10 Jahren einen Namen in der Interessenvertretung rollstuhlnutzender Menschen gemacht.
Mit seinem unermüdlichen Engagement insbesondere in den Bereichen Verkehrspolitik und barrierefreie Stadtplanung hat er maßgeblich dazu beigetragen, das alltägliche Leben behinderter Menschen in Marburg zu erleichtern. Dem gebürtigen Marburger lagen seit seiner Oberschenkelamputation im Jahr 2007 konkret umsetzbare behindertenpolitische Belange besonders am Herzen.
Schon während des Studiums der Betriebswirtschaftslehre in Kassel war Amm Mitglied in der Bezirksgruppe Hessen nord der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD). Als Gründungsmitglied der AG „Selbst aktiv“ für Menschen mit Behinderung der SPD hessen nord war er dort seit 2012 unter Anderem als Schriftführer tätig.
In seiner Heimatstadt Marburg war er seit 2011 aktiv beim runden Tisch Hochbau- und Verkehrsangelegenheiten sowie als Sprecher des Fahrgastbeirats im Landkreis Marburg-Biedenkopf. Er wirkte an den Stellungnahmen des Behindertenbeirats zu Bauvorhaben in Marburg mit. In dieser Funktion war er unter Anderem maßgeblich am barrierefreien Ausbau der Bushaltestellen und an der behindertengerechten Umgestaltung des Erwin-Piscator-Hauses (EPH) und des neuen Kulturladens KFZ beteiligt.
Ebenso tragen der barrierefreie Zugang der „Marburg Mall“ an der Universitätsstraße sowie der Außebnbereich der neuen Tegut-Filiale im Einkaufszentrum Wehrda seine Handschrift. Des Weiteren engagierte er sich überregional als verkehrspolitischer Sprecher und Inklusionsbeauftragter der Initiative selbstbestimmt Leben (ISL).
Obwohl er seit 2009 EU-Rentner war, konnte von Ruhestand keine Rede sein. Im selben Jahr machte er sich als freier Journalist selbständig. Die große Zahl an Einladungen, die er als Referent zu Fachtagungen über inklusive Stadtplanung und barrierefreies Bauen erhielt, war ehrenamtlich nicht mehr zu bewältigen.
So fand er als gefragter Honorarredner, Moderator von Symposien und Berichterstatter von internationalen Fachmessen zu Rehabilitation, Pflege, Inklusion und Hilfsmitteln ein erfüllendes Betätigungsfeld. Für Print- und Onlinemedien verfasste er Artikel zur Inklusion und zur UN-Behindertenrechtskonvention (UNBRK).
Auch seine private Leidenschaft für das Reisen nutzte er im Sinne der Inklusion. Er veröffentlichte persönliche Berichte über die Möglichkeiten, als Rollstuhlnutzer zu reisen, und publizierte Artikel über Ausflugsziele und Hotels in ganz Europa, nachdem er sie selbst auf ihre „rollstuhltauglichkeit“ getestet hatte, für Reiseführer im Internet. Die Erweiterung und Aktualisierung der Broschüre „Marburg auf leichten Wegen“ mit deren Übernahme in die App Wheelmap.org war eines seiner letzten Marburger Projekte.
Trotz dieses erheblichen Arbeitspensums zögerte er nicht, die Moderation des „Mittwochsstammtischs“ als offenes Treffen für Menschen mit Behinderung des Vereins zur Förderung der Inklusion Behinderter (fib) interimsweise nach dem plötzlichen Tod von Mireille Henne im Frühjahr 2018 zu übernehmen. Schon viele Jahre vor seiner Mitgliedschaft im FIB ab 2017 besuchte er regelmäßig den Stammtisch. Seine sachlichen und stets gründlich recherchierten Diskussionsbeiträge zu praktischen und politischen Belangen rollstuhlnutzender Menschen waren sehr beliebt und werden nur schwer zu ersetzen sein.
Ottmar Amm hat wie kaum ein Anderer in den letzten 10 Jahren mit viel Beharrlichkeit und Kompetenz sprichwörtlich viele Wege für Menschen mit Behinderung in Hessen geebnet. Er würde sich sicherlich wünschen, dass sein Lebenswerk in seinem Sinne von uns Allen fortgeführt wird.

* Anna Katharina Kelzenberg und Markus Busche

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