„Ich bin kein Parteimensch“, erklärt Andrea Suntheim-Pichler. Die Fraktionsvorsitzende der „Bürger für Marburg“ (BfM) kandidiert am Sonntag (14. März) als Oberbürgermeisterin.
Die 55-jährige Unternehmerin möchte „das Rathaus zum Tathaus machen“. Sich selbst bezeichnet sie als „lösungsorientiert“ und ideologiekritisch. Darum suche sie für ihre Anregungen Unterstützung auch außerhalb ihrer eigenen Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung (StVV).
„Gegenseitiger Respekt auch über die eigenen Meinungen hinaus ist mir wichtig“, betont Suntheim-Pichler. Sie sei froh, dass die StVV in Marburg häufig gemeinsame Positionen über die Fraktionsgrenzen hinweg finde. „Kommunalpolitik ist der Ernstfall der Politik“, zitiert sie den früheren Stadtverordnetenvorsteher Heinrich Löwer, dessen Spruch sie zu ihrem eigenen Motto erklärt hat.
„Kommunalpolitik begeistert mich“, erklärt sie. Wichtig sei ihr aber, dass sie sich dabei an Sachthemen orientiere und nicht am Programm irgendeiner Partei. „Das ist das, was mir an den Bürgern für Marburg gefällt und warum ich mich bei der BfM engagiere.“
Das Ansehen der Wirtschaft möchte die Unternehmerin verbessern. „Man nimmt zwar gern die Gewerbesteuer, doch geschieht wenig zur Verbesserung der Standortqualität“, meint sie. Das gelte insbesondere für die Pharma-Produktion in Michelbach, deren Verkehrsanbindung schnell verbessert werden müsse.
„Die Zahl der Beschäftigten in Michelbach wächst und wird weiter wachsen“, prognostiziert Suntheim-Pichler die Entwicklung der Impfstoffproduktion am Görzhäuser Hof. Mit der Mobilitätsbefragung des Projekts „Move35“ will sie eine Planungsgrundlage für künftige Verkehrskonzepte in Marburg schaffen. Der Anstoß zu dieser Erhebung geht ihren Angaben zufolge auf die BfM zurück.
Ein Projekt der BfM ist ein Neubaugebiet auf den Lahnbergen. Dort gebe es leerstehende Gebäude und „Straßen, die ins nichts führen“, erklärt Suntheim-Pichler. Dieses Areal möchte sie für Wohnbebauung nutzen.
„Täglich fahren Tausende hinauf auf die Lahnberge, um zu arbeiten und zu studieren“, erläutert die BfM-Fraktionsvorsitzende. „Warum können sie nicht auch dort wohnen?“ Wohnen und Arbeiten räumlich zusammenzuführen, würde ihrer Ansicht nach unnötiges Verkehrsaufkommen vermeiden und damit der Umwelt und dem Klimaschutz nutzen.
Keinesfalls möchte sie jedoch Lauwwälder für das Neubaugebiet opfern. „Wertvoller Wald ist wichtig für den Klimaschutz“, erklärt sie. „Wir möchten auf den Lahnbergen einen neuen modernen Stadtteil mit einem Kindergarten, einem Restaurant oder Cafés sowie einem Supermarkt entwickeln, dort Infrastruktur ansiedeln, die auch die Arbeitsplätze attraktiver macht.“ Diesen neuen Stadtteil kann sie sich dann durchaus als autofreie Zonen vorstellen. Dabei denkt sie an die Bedürfnisse junger Familien mit Kindern, denen solche Verhältnisse mehr Schutz gewähren
Neben der Erschließung mit dem geplanten Batterie-Oberleitungs-Bus (BOB) plädiert Suntheim-Pichler auch für mehr und bessere Radwege überall in der Stadt, wo das möglich ist. „Marburg ist ein enges Tal mit schmalen Straßen“, betont sie. „Das erschwert die nötige Trennung von Fuß- und Radwegen sowie vom Autoverkehr.“
Die anstehende Erneuerung der Frankfurter Straße möchte sie nutzen, um daraus eine „Frankfurter Alleee“ mit Baumbestand, kleinen Grünbereichen und insgesamt mehr Aufenthaltsqualität zu machen. Die Parkplätze entlang der Straße möchte sie dafür in die Tiefgarage unter dem Software Center verlagern.
Einen verbesserten Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) mit elektrischem Antrieb sieht sie nicht im Gegensatz zum motorisierten Individualverkehr. „Wer Neubaugebiete beispielsweise am Hasenkopf anlegt, muss sich auch überlegen, wie die Menschen dorthin kommen“, erklärt sie. Darum müsse man auch über den Neubau beispielsweise von Tangenten nachdenken, die die Außenstadtteile erschließen.
Dringlich findet sie angesichts des Klimawandels die energetische Sanierung des Baubestands. Dafür habe die Stadt Marburg bereits größere Förderprogramme aufgelegt, aber „das kann nicht nur Sache der Kommunen sein“. Ihrer Ansicht nach müssen Land und Bund hier stärker aktiv werden als bisher.
Geboren wurde die Unternehmerin in Marburg. Ihre Kindheit und Jugend verlebte sie in der Wohnung über dem elterlichen Geschäft an der Uferstraße. Heute leitet sie das Sanitätshaus Kaphingst gemeinsam mit ihrem Ehemann.
Sorgen bereitet ihr die Entwicklung der Oberstadt. Darum hat sie sich im Rahmen der Entwicklung für das Zukunftskonzept Oberstadt auch für eine Befragung der Bewohner und Gewerbetreibenden in der Oberstadt eingesetzt. „Wir brauchen zukunftsweisende Konzepte, wie wir die Stadt insgesamt attraktiver und lebenswert machen können“, erklärt Suntheim-Pichler.
Dafür möchte sie sich als Oberbürgermeisterin einsetzen. „Wer nicht den Willen hat, dieses Amt auszuüben, sollte gar nicht erst dafür kandidieren“, erklärt sie. Allerdings sei es für sie „schon ein großer Erfolg, wenn ich in die Stichwahl komme“.
* Franz-Josef Hanke