Beleidigungen, Hass und Hetze: Umgang mit „Hate Speech“ in den „sozialen Medien“ waren Thema einer Weiterbildung der Stadtverwaltung. Betroffene sollten dem Grenzen setzen und Hasskommentare melden.
Wo hört Meinungsfreiheit auf, wo fängt Hetze an? Auf diesem schmalen Grad bewegen sich zahlreiche Kommentare in den sogenannten „sozialen Medien“, mit denen sich Menschen des öffentlichen Lebens und Privatpersonen – auch in der Universitätsstadt Marburg – täglich auseinandersetzen müssen. Der „Runde Tisch Sicherheit und Prävention“ der Stadtverwaltung hat daher für Mitglieder des Stadtparlaments, des Ausländerbeirats und der Verwaltung eine Online-Fortbildung zum Umgang mit „Hass im Netz“ organisiert.
„Die Stadt Marburg setzt sich für ein gutes Zusammenleben und einen respektvollen Umgang aller Menschen ein“, erklärte Bürgermeister Wieland Stötzel. „Dazu gehören auch Aktivitäten in den sozialen Medien, die in Zeiten der physischen Kontakteinschränkungen für manche noch wichtiger werden. Dabei müssen wir den richtigen Umgang mit dieser Art der Kommunikation finden.“
Der Ordnungsdezernent betonte dabei aber: „Das Recht auf Meinungsfreiheit soll geschützt werden. Gleichzeitig kann aber gerade eine offene Gesellschaft Beleidigungen oder die Androhung von Straftaten nicht einfach erdulden.“
So war der Umgang mit Hass im Netz Schwerpunktthema des Runden Tischs Sicherheit und Prävention im September. Im Runden Tisch werden Fach-Politiker*innen aller Fraktionen des Marburger Stadtparlaments einmal im Quartal von Polizei, Ordnungsamt und Expert*innen des Projekts „Einsicht“ zum Thema Sicherheit in der Stadt informiert.
Die Mitglieder besprachen das Thema Hass im Netz auch vor dem Hintergrund von Radikalisierung durch Internetplattformen und Messenger-Dienste. Einen Erfahrungsbericht zu Hass-Postings in den sozialen Medien der Stadtverwaltung und über den Umgang damit vermittelte Patricia Grähling von der Pressestelle der Universitätsstadt Marburg.
Besonders unter Beiträgen zu den Themen Flucht und Asyl, Verkehrspolitik und Klimawandel sammeln sich nach Grählings Erfahrung beleidigende, diskriminierende und drohende Kommentare: „Oft werden Fake-Profile systematisch genutzt, um hasserfüllte Kommentare zu platzieren. Dabei werden meist nur Überschriften kommentiert; um die eigentlichen Inhalte geht es dann gar nicht.“
Auch eine Identifizierung der hinter den Hass-Postings stehenden Personen gestalte sich meist schwierig. Der Runde Tisch organisierte auf Anregung der Mitglieder dann eine Fortbildung zum Umgang mit „Hass im Netz“ im Online-Format.
Gefördert wurde sie durch das städtische Programm „Dialog und Vielfalt“ der Koordinierungsstelle Bürger*innenbeteiligung. Angesprochen waren zum einen Mitglieder des Stadtparlaments – vor allem im Zusammenhang mit den anstehenden Kommunalwahlen 2021; zum anderen zählte der Ausländerbeirat zur Zielgruppe, weil dessen Mitglieder oft diskriminierenden und rassistischen Äußerungen ausgesetzt sind. Aber auch Vertreter*innen der städtischen Verwaltung und eine Mitarbeiterin der Stabsstelle des Dezernatsbüros der Landrätin nahmen teil.
Im Mittelpunkt stand die praktische Frage, wie auf menschenverachtende, beleidigende Kommentare im Netz bis hin zu strafrechtlich relevanter Hetze reagiert werden kann. Als Referentin stand Michelle Scherka von der Organisation „LOVE-Storm: Gemeinsam gegen Hass im Netz“ zur Verfügung. Deren Trainings- und Lernplattformen haben zum Ziel, Angegriffene zu schützen und zu stärken, Zuschauende zur Zivilcourage zu ermutigen und Angreifenden gewaltfrei Grenzen zu setzen.
Scherka erläuterte zunächst die Abgrenzung zwischen „Hate Speech“ und „Cybermobbing“. Beiden liegt ein hasserfülltes und aggressives Verhalten im Netz zugrunde, das anderen zielgerichtet schaden will. Während bei Cybermobbing einzelne Personen attackiert werden, richtet sich „Hate Speech“ gegen ganze Gruppen.
Ziel ist, zum Beispiel rassistische Botschaften zu verbreiten und weitere Menschen zu Gewalthandlungen zu mobilisieren. Strafrechtlich relevant wird „Hate Speech“ etwa im Zuge von Volksverhetzung oder Holocaustleugnung.
Auch auf nicht strafrechtlich relevante „Hate Speech“ wie beispielsweise rassistische, antisemitische, islamfeindliche oder sexistische Äußerungen gilt es zu reagieren. So ging es während der Fortbildung vor allem darum, Strategien zum Umgang mit Hass im Netz kennenzulernen und in Rollenspielen zu erproben.
Scherka stellte drei Strategien vor – mit Fokus auf die Angegriffenen, zur Aktivierung von Zuschauenden und mit Fokus auf die Angreifenden. Eine strafrechtliche Möglichkeit, sich gegen Hass und Hetze im Netz zu wehren, bietet das Projekt #HESSENGEGENHETZE des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport. Seit dem 16. Januar 2020 steht den Bürger*innen in Hessen erstmals online eine staatliche Anlaufstelle zur Verfügung, an die sich Einzelpersonen, Behörden und Kommunen wenden können, um Hass und Hetze im Internet zu melden.
Über ein Meldeformular können der Link zur Diskussion und der Screenshot des Kommentars direkt online übermittelt werden. „Ziel des neuen Angebotes ist es, Hasskommentare und extremistische Inhalte möglichst schnell zu erfassen, den Betroffenen eine unmittelbare und unkomplizierte Unterstützung zu bieten sowie eine effiziente Strafverfolgung durch eine verbesserte Sicherung beweiserheblicher Daten in Gang zu setzen“, erläuterte Stötzel. „Dieses Anliegen teilen wir auch als Universitätsstadt Marburg. Deshalb unterstützen wir die Initiative Hessen gegen Hetze und werben in unserer Stadt dafür, auch im Internet Straftaten, Extremismus und Übergriffe nicht einfach hinzunehmen: Die Polizei braucht für gute Arbeit die Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger.“
Die Melde-Plattform #HESSENGEGENHETZE sowie weitere Informationen zum Projekt gibt es unter hessengegenhetze.de/hasskommentare-melden. Weitere Informationen gibt es auch beiJohannes Maaser vom Fachdienst Gefahrenabwehr der Universitätsstadt Marburg als Zuständigem für den Bereich Prävention unter der Telefonnummer 06421/201-1296 oder per Mail an johannes.maaser@marburg-stadt.de.
* pm: Stadt Marburg