Mutig in Marburg: Drei belarussische Frauen wagten „Das unerschrockene Wort“

Die 16 Lutherstädte zeichnen drei weißrussische Bürgerrechtlerinnen aus. „Das unerschrockene Wort“ 2021 geht an Weronika Zepkalo, Swetlana Tichanowskaja und Maria Kolesnikowa.
Der Bund der 16 Lutherstädte in Deutschland vergibt den Preis „Das unerschrockene Wort“ 2021 an die weißrussischen Bürgerrechtlerinnen Weronika Zepkalo, Swetlana Tichanowskaja und Maria Kolesnikowa. Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert.
Nach der zwölften Preisverleihung 2019 in Marburg findet die 13. Lutherpreis-Übergabe am 24. April 2021 in Worms statt. Dort jährt sich die Widerrufsverweigerung Martin Luthers zum 500. Mal.
Die Entscheidung für die drei weißrussischen Freiheitsaktivistinnen fiel bei der Jurykonferenz der 16 Mitgliedstädte am Samstag (7. November). Die Sitzung fand corona-bedingt online statt.
In den Wochen vor den Präsidentschaftswahlen in Belarus formierte sich eine landesweite Opposition, die von drei Frauen angeführt wird: Weronika Zepkalo, Swetlana Tichanowskaja und Maria Kolesnikowa entfachten eine Protestwelle gegen den amtierenden – und schließlich unter höchst zweifelhaften Umständen „wiedergewählten“ – Präsidenten Alexander Lukaschenko und den von ihm geschaffenen Unrechtsstaat.
Inzwischen musste Zepkalo nach Polen fliehen. Tichanowskaja befindet sich im Exil in Litauen. Kolesnikowa wurde inhaftiert.
Die Proteste halten nach wie vor an. Immer wieder sind es Frauen, die mutig ihre Stimme für Menschenrechte, freie Meinungsäußerung und freie Wahlen erheben.
„Diese drei Frauen stehen stellvertretend für tausende von friedlich demonstrierenden Menschen, die derzeit für politische Veränderungen in Weißrussland kämpfen“, schrieb die Jury in ihrer Begründung. „Sie stehen für eine friedliche Revolution, für Neuwahlen und für eine demokratische Zukunft ihres Landes.Wie die Nachrichten zeigen, riskieren sie dafür Verfolgung, Haft, Folter und Abschiebung. Auch wenn die drei Frauen in Detailfragen zur Zukunft von Belarus nicht immer die gleichen Positionen vertreten, stehen sie untrennbar zusammen, denn die letztendlichen Entscheidungen für eine Zeit nach der Herrschaft von Alexander Lukaschenko soll nach demokratischen Wahlen das Volk treffen.“
Mit dem Preis „Das unerschrockene Wort“ honorieren die Lutherstädte die Entschlossenheit, das mutige Auftreten und den friedlichen Widerstand gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung. „Es ist mir eine große Ehre, zusammen mit meinen liebsten Freundinnen Maria Kolesnikowa und Weronika Zepkalo den Lutherpreis Das Unerschrockene Wort zu erhalten“, erklärte Tichanowskaja stellvertretend für die drei Preisträgerinnen. „Ich betrachte diesen Preis als eine Leistung des gesamten belarussischen Volkes, das seit mehr als 100 Tagen friedlich für Demokratie und Bürgerrechte kämpft trotz des unnachgiebigen Terrors der autoritären Regierung. So wie deutsche Städte in der Vergangenheit ein Umfeld pflegten, das dem bürgerlichen Fortschritt und der intellektuellen Leistung förderlich war, dienen große Städte in Belarus als Motoren für das Streben Weißrusslands nach Veränderung.“
DerPreis der Lutherstädte würdigt die zentrale Bedeutung des freien Wortes, das der Wahrheit verpflichtet ist und für ein freiheitliches demokratisches Gemeinwesen steht. Ob Engagement gegen Rechtsextremismus, Rassismus, politische oder gesellschaftliche Unterdrückung – die bisherigen Preisträgerinnen und Preisträger haben auf unterschiedliche Weise Mut bewiesen und sich so die Auszeichnung Das unerschrockene Wort verdient
„Die Widerstandsbewegung gegen die Diktatur in Belarus hat ein weibliches Gesicht“, sagte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies. „Weronika Zepkalo, Swetlana Tichanowskaja und Maria Kolesnikowa stehen in einer stolzen Tradition starker Frauen, die sich durch die Geschichte und rund um den Globus gegen Unterdrückung auflehnen. Wir hoffen, dass unser Preis sie in ihrem Kampf für Freiheit und Demokratie unterstützt und ermutigt. Wir wünschen uns, dass Das unerschrockene Wort einen Beitrag leistet zur Anerkennung ihrer legitimen Forderung nach freien Wahlen und Überwindung autoritärer Herrschaft.“
Im Bund der Lutherstädte sind 16 Orte in Deutschland zusammengeschlossen, an denen Luther gelebt oder gewirkt hat. Sie würdigen mit der Auszeichnung Personen, die Zivilcourage zeigen und sich in einer besonderen Situation –
aber auch beispielhaft über einen längeren Zeitraum hinweg – mit Wort, Tat und Mut gegen Widerstände für die Gesellschaft einsetzen.
Im Andenken an das Wirken Luthers wird „Das unerschrockene Wort“ seit 1996 alle zwei Jahre in einer der Lutherstädte vergeben. Der Preis 2019 ging an die Rechtsanwältin, Autorin und Frauenrechtlerin Seyran Ates. Die 55-jährige Berlinerin mit türkisch-kurdischen Wurzeln kämpft für die Rechte muslimischer Frauen, für einen liberalen Islam und gegen politisch-religiösen Extremismus in Deutschland und Europa.
Der Preis erinnert an den Mut und die Standhaftigkeit des Reformators, als er sich auf dem Reichstag zu Worms 1521 weigerte, seine Ansichten zu widerrufen und daraufhin geächtet wurde. Jede der 16 Lutherstädte kann einen Kandidaten oder eine Kandidatin aus dem In- oder Ausland für den Preis nominieren. Daraus ermittelt die Juryaus Vertreterinnen und Vertretern der Städte sowie weiteren Personen des öffentlichen Lebens die gemeinsame Preisträgerin oder den Preisträger.
Zum Bund der Lutherstädte gehören Marburg, Augsburg, Coburg, Eisenach, Eisleben, Erfurt, Halle an der Saale, Heidelberg, Magdeburg, Nordhausen, Schmalkalden, Speyer, Torgau, Wittenberg, Worms und Zeitz

* pm: Stadt Marburg

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