Der nächste Lockdown naht. Für viele wird der November sehr hart werden.
148 Neuinfektionen an einem einzigen Tag verdeutlichen den Ernst der Lage im Landkreis marburg-Biedenkopf. Bundesweit hat das Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin für Freitag (30. Oktober) 19.059 Neuinfektionen mit dem Coronavirus „SARS-CoV-2“ registriert. Die Zahl der Corona-Toten ist bis Freitagabend bundesweit auf 10.452 und im Kreis auf acht gestiegen.
Abstand, Hygiene und Mund-Nasen-Bedeckung sind möglicherweise lebensrettende Verhaltensregeln. Wenn Menschen das nicht einsehen und sich nicht an diese regeln halten, dann werden sie zu einer möglicherweisen tödlichen Gefahr für alle anderen. Darum ist die konsequente Einhaltung dieser Regeln selbstverständlich für alle klugen Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen dazu in der Lage sind.
Bedauerlicherweise haben aber viele ohne Not diese selbstverständlichen Regeln in den letzten Wochen und Monaten missachtet. Sie sind verantwortlich für die Notwendigkeit des neuerlichen Lockdowsn. Unverantwortliches Verhalten ist zu Zeiten der Pandemie kein Kavaliersdelikt, sondern existenzielle Bedingung für das Zusammenleben in einer gesunden Gesellschaft.
Einzelne überzogene Maßnahmen, die von Land und Bund verordnet wurden, waren leider auch mitvrantwortlich für wachsenden Unmut vieler Menschen über die Pandemie. Darum ist eine breite Debatte über alle Regeln und ihre Notwendigkeit erforderlich. Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel hat im Deutschen Bundestag klar gemacht, dass tiefgreifende Einschnitte angesichts der Tatsache unerlässlich sind, das bei zunehmenden Infektionszahlen drei Viertel aller Ansteckungen nicht mehr zurückverfolgt werden können.
Erfreulich wäre, wenn die Gesellschaft ohne staatliche Regulierung von selbst Solidarität bewiese und alle nötigen Verhaltensregeln freiwillig umsetzen würde. Leider lehrt gerade auch die Erfahrung der vergangenen Monate, dass das ein frommer Wunsch bleiben wird. Vielmehr steigt angesichts der allgemeinen Verunsicherung auch die Neigung zu Verschwörungsmythen und aggressivem Verhalten.
Staat und Kommunen müssen deswegen aufklären und berechtigten Sorgen beherzt entgegentreten. Umfangreiche Hilfspakete sind eine sehr sinnvolle Investition in Kultur, Wirtschaft und Demokratie. Gerade Kultur- und Sozialeinrichtungen dürfen jetzt nicht auf der Strecke bleiben!
Bisher haben die Stadt Marburg und der Landkreis Marburg-Biedenkopf die Corona-Pandemie vergleichsweise gut gemeistert. Grund war die große Solidarität vieler Menschen mit allen Betroffenen und eine weitgehend vorausschauende Politik der kommunalen Verantwortlichen. Mit intelligenten Hilfsmaßnahmen hat insbesondere die Stadt denjenigen das Leben erleichtert, die von den Folgen der Pandemie besonders stark betroffen waren.
Bezahlte Auftritte von Künstlerinnen und Künstlern auf Onlineplattformen und der Bühne des „Kultur-Mobils“ waren dabei ebenso eine Hilfe wie wie der Verzicht auf Gebühren für die Aufstellung von Sitzmöglichkeiten im Außenbereich von Cafés und Gaststätten oder Schnellrestaurants. Das Aufstellen von Imbissbuden und Verkaufsständen im gesamten Stadtgebiet war eine ebenso sinnvolle Möglichkeit zur Unterstützung gebeutelter Schaustellerinnen und Schausteller. Ein besonders gelungenes Projekt waren die sogenannten „Stadt-Gutscheine“ der Universitätsstadt Marburg.
Die Onlineplattform marburg-liebe.de eröffnete zudem die Möglichkeit, geschlossene Gewerbebetriebe durch den Kauf von Gutscheinen zu unterstützen, die nach dem Ende des Lockdowns einlösbar sein werden. Diese Unterstützungsmöglichkeit ist jetzt wieder nötig, um den Gastronomen Hoffnung und eine reale Chance auf´s Überleben zu geben.
Darüber hinaus wäre zu prüfen, ob Gaststätten nicht weiterhin ihren Außenbereich geöffnet halten können, wenn sie die Abstandsregeln strikt einhalten. Gleiches gilt auch für Kunst und Kultur. Auch wenn der Winter nach der Prognose von Meteorologen diesmal besonders hart werden könnte, wäre der Kaffee oder das Mittagessen draußen unter dem Heizstrahler doch vielleicht eine ungefährlichere Alternative zur Vereinsamung labiler Menschen.
Für Studierende, die auf Nebenjobs angewiesen sind, geht es nun ebenso um die nackte Existenz wie für viele freischaffende Künstlerinnen und Künstler oder Beschäftigte der Gastronomie. Viele Unternehmen fürchten um ihr Fortbestehen. Viele Menschen sorgen sich um ihre Freunde und Verwandten, Partnerinnen oder Partner.
Viele haben bereits unter dem ersten Lockdown im März und April extrem gelitten. Ihre seelische Last bedroht ihre Gesundheit möglicherweise noch mehr als das Coronavirus. Darum muss die Politik dringend nach Möglichkeiten suchen, ungefährdete Freiräume für die Menschen zu öffnen, wo sie der Isolation und Sorge wenigstens zeitweilig entfliehen können.
* Franz-Josef Hanke