Am Marburger Judentum: Ehrenbürger Amnon Orbach feierte Geburtstag

Amnon Orbach prägt das jüdische Leben und den interkulturellen Dialog in Marburg seit Jahrzehnten. Im Januar 2020 begeht er seinen 90. Geburtstag.
Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies hat aus diesem besonderen Anlass zu einem Empfang in Marburgs schönstem Saal eingeladen. Damit gratulierte er dem Gründer und Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde, Ehrenbürger der Universitätsstadt Marburg, Vorstandsmitglied der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit. Für den Erhalt jüdischer Traditionen und jüdischen Glaubens in Marburg, ein besseres gegenseitiges Verständnis, ein friedvolles Zusammenleben der Bevölkerungsgruppen und Religionen setzt Orbach sich unermüdlich ein, seit es ihn 1982 in die Universitätsstadt geführt hat.
Rund 150 Menschen war es daher ein besonderes Anliegen, ihm beim Empfang im Rathaus persönlich zum 90. Geburtstag zu gratulieren. Eine lange Schlange bildete sich schnell vor dem Geburtstagskind: Alle Ehrenbürger der Stadt Marburg, Stadtälteste und Mitglieder des Magistrats, des Landtags und des Bundestags, Vertreter der Religionen, der Philipps-Universität und von Vereinen sowie Familienmitglieder aus Israel, viele Freunde und Bekannte zählten zu den zahlreichen Gästen.
„Wir feiern heute einen Menschen, der jede Lobpreisung verdient und zugleich die Tugend der Bescheidenheit so hochhält, dass er Lob eigentlich gar nicht hören möchte“, sagte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies. „Ihr Einsatz für jüdisches Leben in Marburg – Ihre Lebensaufgabe – ist für die Universitätsstadt Marburg von unschätzbarem Wert.“
Die Inschrift „Mein Haus soll ein Bethaus für alle Völker sein“ an der Synagoge sei auf Orbachs Wunsch hin angebracht worden. Diese Worte zeigen, dass der Geehrte sich auch für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und den Dialog zwischen den Religionen eingesetzt hat. So wurden in Marburg die letzten Worte der Torarolle gemeinsam mit Vertretern der christlichen Kirchen und der Islamischen Gemeinde geschrieben als ein Akt des Zusammenhalts, der in die Geschichte Marburgs eingegangen sei.
„Du bist ein Glücksfall für Marburg und ein Brückenbauer“, sagte Monika Bunk. „Du stehst für ein jüdisches Leben, das existentiell im Alltag ist und nicht engstirnig in der religiösen Praxis.“
Orbachs Weggefährtin und Freundin hat selbst an diesem Tag Geburtstag. Bei dem Empfang im Rathaus hielt sie die Laudatio.
Sie fand bewegende Worte zum 90. Geburtstag des Marburger Ehrenbürgers. Und hielt Rückblick, auf einen jungen Mann, der schon „früh mit Kampf und Gefahr konfrontiert war“. 1930 wurde er in Jerusalem geboren Dort kämpfte er im Unabhängigkeitskrieg, als er noch keine 20 Jahre alt war.
Orbach war Ingenieur der israelischen militärischen Industrie. Er studierte in New York und baute die elektro-optische Industrie mit auf. Er wurde Vater einer Tochter und eines Sohns.
Dann gründete er eine Firma für Lehrmaterialien und Spiele.In seinen 50er Jahren zog er als Repräsentant dieser Firma nach Marburg.
Doch ihm habe in Marburg das Judentum gefehlt. „Du machtest dich auf die Suche und fandest allerhand – zusammen mit Willy Sage ein paar fast verschüttete Torahrollen in einem Haus am Friedhof, die die Grundlage für die ersten Gottesdienste wurden“, berichtete Bunk.
Orbach habe die jüdische Kultur in Marburg wieder auferstehen lassen und mit enormer Energie und Idealismus für den Ausbau der neuen modernen Synagoge an der Liebigstraße gewirkt. „Du hast die Jüdische Gemeinde nicht nur wiederaufgebaut, sondern bist auch ihr geistiger Zusammenhalt, Herz und Seele.“
Ein Grußwort für die Jüdische Gemeinde Marburg hielt Thorsten Schmermund. „Du hast die Jüdische Gemeinde gegründet, die für viele Migranten Heimat und Gemeinschaft wurde“, bedankte er sich. Orbachs Drang zu lernen und dessen Liebe zu den Menschen höre nie auf.
Orbach selbst richtete nach den Grüßen und Glückwünschen seinerseits Dankesworte an die Gäste, die in den Historischen Saal des Rathauses gekommen waren, um mit ihm Geburtstag zu feiern. „Ich danke euch, dass ihr mich unterstützt habt und so akzeptiert wie ich bin. Ich habe in Marburg viele gute Freunde gewonnen.“
Eine besondere Freude hat ihn zum Geburtstag Bodam Lee gemacht. Sie begleitete den Geburtstag musikalisch – auf der Geige, die Amnon Orbach selbst in seiner Kindheit gespielt hat. „Ich werde kein großer Geiger; das war mir schnell klar“, erzählte Orbach. Seine Eltern hätten damals beschlossen, dass Orbach Geige spielen, seine Zwillingsschwester Klavier lernen sollte.
Die Geige lag in den letzten 77 Jahren in eine Kiste eingepackt. Vor zwei Monaten dann dachte Orbach an das Instrument – und ließ es aufbereiten.
Lee spielte – begleitet von Gunter Friedrich am Klavier – „Schön Rosmarin“ von Fritz Kreisler, „Das Vögelchen“ von Isang Yun und „Salut d`Amour“ von Edward Elgar unter großem Applaus. „In ihren goldenen Händen klingt diese mehr als 100 Jahre alte Geige wie neu“, freute sich Orbach.
Zu einem Geburtstag gehört natürlich auch eine Geburtstagstorte, die nach dem offiziellen Teil dann im Foyer für Orbach und seine Gäste bereitstand. Ebenfalls als Geschenk der Stadt erhielt der Ehrenbürger ein Schreibset mit Füllfederhalter und Brieföffner – ein echtes Marburg-Unikat, da es aus dem Holz von Marburger Rotbuchen gefertigt wurde. Darüber hinaus hat die Stadt dem Wunsch des Jubilars entsprochen und – ebenso wie die Gäste des Empfangs – für das Projekt „Aleh Negev – Nahalat Eran“ in Israel gespendet.
Orbach kam 1982 nach Marburg. Er gründete die Jüdische Gemeinde und wurde ihr Vorsitzender. Durch ihn bekam das jüdische Leben in der Universitätsstadt einen neuen Stellenwert.
Seit 1986 ist Orbach Mitglied der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit (CJZ). Kurze Zeit später wurde er ihr jüdischer Vorsitzender. Beide Ämter hat der 90-jährige Marburger noch heute inne.
Auf seine Initiative wurde zunächst eine Synagoge und ein kleiner Unterrichtsraum in einem Wohnhaus am Pilgrimstein eingerichtet. 2005 wurden die neue Synagoge und das Kulturzentrum der Jüdischen Gemeinde an der Liebigstraße eröffnet.
Für seine Verdienste hat Orbach 1990 das Historische Stadtsiegel der Universitätsstadt Marburg erhalten, 2000 wurde er mit dem Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet, zum 80. Geburtstag 2010 erhielt er die Medaille der Universitätsstadt Marburg.

* pm: Stadt Marburg

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