Beispielhaft geforscht: DFG fördert neue Enmy-Noether-Forschungsgruppe

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat eine neue Emmy-Noether-Forschungsgruppe an der Philipps-Universität bewilligt. Leiterin Dr. Katrin Heer erforscht die Phänologie tropischer Baumarten.
Sie widmet sich ihren Wachstums- und Entwicklungsprozessen im Jahreskreislauf. Die DFG fördert die Nachwuchsgruppe zunächst für drei Jahre mit rund 750.000 Euro, eine zweite dreijährige Förderperiode steht in Aussicht.
Die Naturschutzbiologin will beispielsweise die Frage beantworten, wie Bäume in den Tropen – wo es die klassischen vier Jahreszeiten nicht gibt –
erkennen, wann sie blühen müssen. „Da es in den Tropen weder große Unterschiede in der Tageslänge noch in der Temperatur gibt, ist es sehr wahrscheinlich, dass Pflanzen andere Umweltparameter wie zum Beispiel jahreszeitliche Veränderungen in der Sonneneinstrahlung oder Regenintensität als Hinweis nutzen, dass nun die Zeit zum Blühen gekommen ist“, vermutet Heer. „Doch bisher gibt es nur sehr wenige Datensätze aus den Tropen, die daher keine eindeutige Erklärung zulassen.“
In ihrem Projekt wird Heer eng mit der Forschungsgruppe „RESPONSE“ kooperieren, die von dem Marburger Geographen Prof. Dr. Jörg Bendix und der Marburger Naturschutzökologin Prof. Dr. Nina Farwig geleitet wird. Die Forschungsgruppe installierte Beobachtungstürme auf verschiedenen Höhenstufen des Bergregenwaldes im Süden Ecuadors, die mit moderner Technik zur Erfassung zahlreicher Klimavariablen und von Kohlenstoffflüssen zwischen Biosphäre und Atmosphäre ausgestattet sind. Gleichzeitig werden am Boden Daten zum Baumwachstum und zur Baumphysiologie aufgezeichnet.
Auf den selben Türmen wird Heer Überwachungskameras installieren. „Über die Auswertung der Bilddaten können wir mit hoher zeitlicher Auflösung abbilden, welche Baumarten wann ihre Blätter fallen lassen, blühen oder fruchten“, erklärte sie. „Zusammen mit den Daten, die die Forschungsgruppe erhebt, können wir evaluieren, inwiefern Baumphänologie einen Einfluss auf den Kohlenstoffhaushalt und die Reflektionseigenschaften des Kronendachs hat.“
Durch diese Mechanismen beeinflusst die Phänologie der Bäume das Feedback der Biosphäre an die Atmosphäre. Zusätzlich stattet die Nachwuchsgruppe Bäume von vier Arten mit Kameras aus, um herauszufinden, auf welche Umweltparameter die Bäume reagieren. Da sichtbare Veränderungen am Baum erst nach einiger Zeit zu erkennen sind, wird Heer sich die Ableserate bestimmter Gene anschauen, die zum Beispiel für die Entwicklung von Blüten oder Blättern verantwortlich sind.
„Wir nutzen diese Veränderung der Ableserate als eine Art Frühwarnsystem, denn die Baumarten brauchen unterschiedlich lange, um von diesen Reizen zur äußerlich sichtbaren Ausbildung von Blüten oder Blättern zu gelangen, erklärte die Forscherin. Durch die Untersuchung der molekularen Phänologie soll es dann möglich sein, genauer zu bestimmen, welche Umweltparameter von den Pflanzen genutzt werden, um sich zu synchronisieren. Dafür müssen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dann in Abständen von etwa zwei Wochen in die Baumkronen klettern, um frisches Blattmaterial und Knospen zu sammeln, aus denen später RNA extrahiert werden kann.
Der Zugang zu den Baumkronen erlaubt dem Team auch, zu untersuchen, inwieweit die Synchronität des Blattaustriebs die Interaktion mit Tieren beeinflusst. Zum einen soll untersucht werden, inwieweit ein synchroner Blattwechsel die Rate beeinflusst, mit der Blätter gefressen werden. Zum anderen stehen Bestäuber im Fokus.
Dabei interessiert sich Heer für die Frage, ob asynchron blühende Bäume einen deutlich reduzierten Fortpflanzungserfolg haben. Zudem wird sie die Hypothese überprüfen, dass Pollenausbreitungsdistanzen und die Anzahl der Väter bei stark synchronisierten Baumindividuen geringer sind. Wie auch in den gemäßigten Breiten, besteht in den tropischen Wäldern langfristig die Gefahr, dass diese Interaktionen durch den Klimawandel zeitlich entkoppelt werden.
In Ecuador wird Heer eng mit Forscherinnen und Forschern der Universidad Técnica de Loja und dem Biodiversitätsinstitut INABIO zusammenarbeiten. Mit ihrer Kooperationspartnerin Dr. Augusta Cueva untersucht sie dann neben dem Bergregenwald auch einen Bergtrockenwald.
Gemeinsam bringen sie zudem ein bürgerwissenschaftliches Projekt auf den Weg, bei dem interessierte Bürgerinnen und Bürger melden sollen, wann Guajak-Bäume in ihrer Umgebung blühen. Einmal im Jahr blühen sie und sind weithin mit strahlend gelben Kronen sichtbar. „Da die Bäume leicht zu erkennen sind, beeindruckend aussehen und eine regelmäßige Phänologie aufweisen, sind sie gut eignet, um interessierte Bürger in das Projekt einzubinden und dafür zu sensibilisieren, wie sich der Klimawandel in den Tropen auswirkt“, sagte Heer.
Heer studierte Biologie an der Universität Ulm. Sie wurde 2013 in Ulm promoviert mit dem Thema „Plant-animal interactions and gene flow in Neotropical rainforests“. Seit 2013 ist sie Postdoktorandin an der Philipps-Universität und forscht im Fachgebiet Naturschutzbiologie in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Birgit Ziegenhagen.

* pm: Philipps-Universität Marburg

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