Leben gewürdigt: Eva Gottschaldt wird weiterleben

Mitte April erhielt sie die Goldene Ehrrennadel der Stadt Marburg. Am Freitag (13. Juli) ist Eva Christine Gottschaldt gestorben.
Ihr vielfältiges Wirken für Frieden und Soziale Gerechtigkeit passte in keine Schublade. Als marxistische Christin löste sie bei Linken wie bei Christen zunächst Irritationen aus. Ihr Handeln jedoch beeindruckte die Menschen in Marburg über Parteigrenzen, Religionen und Weltanschauungen hinweg.
Während des zweiten Irak-Kriegs im Jahr 2001 war die Historikerin und Politologin neben Dekanin Helga Bundesmann-Lotz treibende Kraft für die regelmäßigen Friedensgebete im Philippshaus. Nicht nur gläubige Christen versammelten sich dort regelmäßig, um ohne weitere Debatten einmal ihre Gefühle auszusprechen und mieinander über die Lage nachzudenken. Gemeinsame Gebete und ein respektvoller Umgang auch mit nichtreligiösen Teilnehmern machten diese wöchtentlichen Treffen bald zu einer Quelle gemeinsamer Suche nach Hoffnung und nach Lösungen.
Auch bei Friedensdemonstrationen war Gottschaldt meist mit in der vordersten Reihe. Das Eintreten für ihre Überzeugungen war für sie selbst dann selbstverständlich, wenn es mit persönlichen Nachteilen oder Angriffen verbunden war. Im Zentrum stand für sie dabei ein Humanismus, den das Christentum als „Nächstenliebe“ und Linke als „Solidarität“ bezeichnen.
Sie engagierte sich für AIDS-Kranke ebenso wie für Geflüchtete. Im Kampf gegen die Todesstrafe erreichte sie den Beitritt der Universitätsstadt Marburg zu einem internationalen Städtebündnis gegen die Todesstrafe.
In der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes/Bund der AntifaschistInnen (VVN/BdA) setzte sie sich für das Gedenken der Opfer des Faschismus ebenso ein wie für das Ringen um eine lebendige Demokratie. Dabei wandte sie sich gegen die Unterwanderung demokratischer Strukturen des Staats durch Geheimdienste genauso wie gegen Rechtspopulismus und Neofaschismus. Auch die christlich-jüdische Zusammenarbeit förderte sie als aktiven Beitrag zur Geschichtsbewältigung.
In der Kommunalpolitik war Gottschaldt ebenfalls aktiv. Zunächst als Parteilose zog sie 1997 über die Liste der PDS in die Stadtverordnetenversammlung (StVV) ein. Doch auch nach ihrem Beitritt zur PDS und als deren Fraktionsvorsitzende bewahrte sie sich die geistige Unabhängigkeit, die ihre politischen Weggefährten ebenso schätzen wie etliche Vertreter anderer Parteien.
Geboren wurde sie 1953. Von 1963 bis 1972 besuchte sie das Johann-Sebastian-Bach-Gymnasium in Mannheim-Neckarau. Anschließend studierte sie Geschichte, Politikwissenschaft, Philosophie und Romanistik in Heidelberg und an der Philipps-Universität.
Von 1985 bis 1990 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin im Frankfurter Dokumentationsarchiv der VVN. Danach arbeitete sie viele Jahre lang freiberuflich.
Gottschaldt war verheiratet und hatte zwei Kinder. Sie starb an einer Krebserkrankung.
Bleiben von ihr werden nicht nur ihre Bücher „Antifaschismus und Widerstand. Der Kampf gegen den deutschen Faschismus 1933-1945“ aus dem Jahr 1985, „Wegbereiter des Faschismus“ von 1992 und „Das ist die Tat unseres herrlichen Führers“ von 1997, sondern vor allem ihre Taten für Humanismus und gegen Faschismus. Erinnern werden viele Menschen in Marburg sich an ihre geistige Offenheit und ihre inhaltliche Klarheit. Wie wenige andere Menschen hat Gottschaldt Haltung gezeigt und damit ein Beispiel gegeben für das Ringen um eine bessere Welt.

* Franz-Josef Hanke

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