Marburg ist Beispiel für Barrierefreiheit. Eine Delegation aus England nimmt Ideen für Inklusion aus Marburg mit.
Barrierefreiheit ist in der Universitätsstadt Marburg ein wichtiges Thema. Um sich über die Formen der Barrierefreiheit für blinde und sehbehinderte Menschen in Marburg zu informieren, hat eine Delegation aus England die „Blindenstadt“ besucht.
„Marburg als Universitätsstadt ist mit rund 140 Nationalitäten eine junge, bunte und aufgeschlossene Stadt“, sagte Stadträtin Kirsten Dinnebier im Rahmen des Empfangs einer Delegation aus England im Rathaus. „Alle, die sich freundlich und respektvoll verhalten, sind hier willkommen. Dabei ist es uns als Stadt wichtig, möglichst allen Gruppen Gehör zu verschaffen, beziehungsweise alle anzuhören.“
Die Stadträtin fuhr fort: „Wir freuen uns sehr darüber, dass Sie die Stadt Marburg als gutes Beispiel für Barrierefreiheit für blinde und sehbehinderte Menschen ausgewählt sowie sich für einen Besuch bei uns entschieden haben.“ Der Austausch sei sehr wichtig, um auch von guten Beispielen aus England zu lernen. Aus England angereist waren Martha Foulds, Sydney May, Ian Mitchell und Rachel Wilkinson.
Sie sind Mitarbeitende der Thomas Pocklington Trust.
Das ist eine nationale Wohltätigkeitsorganisation für Sehverlust, die sich für eine inklusivere, zugänglichere und gerechtere Gesellschaft einsetzt. Die Aufgabe der Organisation ist daher, blinde und sehbehinderte Menschen in England in den Schwerpunkten Bildung, Beschäftigung und Engagement zu unterstützen.
In die Geschichte und Rahmenbedingungen der Behindertenpolitik in Marburg führte Kerstin Hühnlein ein. Sie arbeitet im Fachdienst „Soziale Leistungen“ in der Behindertenhilfe der Stadt Marburg und ist in der Geschäftsstelle des Behindertenbeirats. Hühnlein stellte heraus, dass Marburg als „Hauptstadt der mobilen Blinden“ aufgrund ihrer besonderen Vorgeschichte mit der Deutschen Blindenstudienanstalt (BliStA) schon lange als Vorreiterin hinsichtlich Barrierefreiheit gilt.
Die Stadt Marburg hat schon oft Maßnahmen für mehr Barrierefreiheit vorgenommen, noch bevor sie gesetzlich überhaupt vorgeschrieben waren. So verfügt Marburg seit langer Zeit über Leitsysteme, Aufmerksamkeitsfelder, Tastmodelle, akustische Signale, barrierefreies Internet und sprechende Aufzüge. Daher werde die Universitätsstadt zum Teil auch von anderen deutschen Städten um Rat gefragt.
Oliver Kutsch vom städtischen Fachbereich Immobilien und Freianlagen und Dorte Hitz vom Fachdienst Tiefbau stellten verschiedene Projekte der Stadt Marburg vor, bei denen die Belange von blinden und sehbehinderten Menschen besondere Berücksichtigung fanden. Die Delegation zeigte sich beeindruckt davon, dass bei allen Bauprojekten die Beteiligung der Betroffenen bereits in der Planungsphase durch beispielsweise Runde Tische in Marburg bereits selbstverständlich ist. Auch die Tatsache, dass der Behindertenbeirat bei allen politischen Entscheidungen einbezogen wird, die Menschen mit Behinderungen betreffen, sah die Delegation aus England als besonders positiv und wichtig an.
Vertreter der Stadt Marburg und die Mitglieder der Delegation haben mögliche Lösungen für Probleme, mit denen blinde und sehbehinderte Menschen immer wieder konfrontiert sind, diskutiert und sich ausgetauscht. Dabei kam auch das „soziale Modell“ zur Sprache, das besagt, dass Behinderung durch Barrieren in der Umwelt entsteht. Dadurch, dass die Stadt Marburg grundsätzlich bei der Planung neuer Gebäude die Barrierefreiheit berücksichtigt, setzt die Universitätsstadt bereits einige Ideen aus dem sozialen Modell um, um die Barrieren in der Umwelt zu verringern.
Im Anschluss an die Gespräche besuchte die Gruppe verschiedene Standorte in Marburg, die als Beispiel für barrierefreie Planung dienen. So ging es zum einen zum Bahnhofsvorplatz am Hauptbahnhof sowie zum Nachbarschaftszentrum im Waldtal. Den Weg legte die Gruppe dabei jeweils mit dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zurück, um die Niederflurbusse, die Leitsysteme an den Haltestellen sowie die Ansagen der Linien und Abfahrten per Knopfdruck vorzustellen.
Die Delegation bedankte sich für den Input aus Marburg und hat viele Ideen mitgenommen, die die Mitglieder in ihrer Heimat als gute Beispiele präsentieren wollen. Ihr Ziel ist, die Aussage „das geht nicht“ zu entkräften, indem sie anhand der Beispiele in Marburg aufzeigen, dass es eben doch geht, Barrierefreiheit bei der Planung von Anfang an mitzudenken.
* pm: Stadt Marburg