Eine Marburger Forschungsgruppe untersucht, wie sich Schnittwunden allmählich wieder verschließen. Dabei hat sie eine molekulare Bremse in der Wundheilung entdeckt.
Die Wundheilung von Schnittwunden grenzt – von außen betrachtet – an ein Wunder: Ganz viele molekulare Faktoren und Mechanismen sind im Hintergrund am Werk, damit sich die Wunde wieder verschließt. Die medizinische Forschungsgruppe um den Physiologen Prof. Dr. Sven Bogdan hat nun einen weiteren, neuen molekularen Faktor entdeckt, der die Wundheilung maßgeblich beeinflusst.
Das Molekül „CYRI“ steuert gewissermaßen als eine molekulare Bremse die Zellbewegung und Zellhaftung in der Wunde. Das wurde zunächst an der Fruchtfliege „Drosophila“ untersucht. Da CYRI-Proteine auch in der menschlichen Haut vorkommen, sollte das Molekül auch dort bei Wundheilungsprozessen eine große Rolle spielen, berichtete die Forschungsgruppe im Fachmagazin „Journal of Cell Biology“ (JCB).
Obwohl bei der Wundheilung die einzelnen Phasen wie Gerinnselbildung, Entzündung, Vernarbung und Gewebeformung auf der Makroebene des Hautgewebes gut bekannt sind, steht die Forschung bei den verantwortlichen Mechanismen auf Zell- und molekularer Ebene nach Angaben von Prof. Dr. Sven Bogdan vom Institut für Physiologie und Pathophysiologie der Philipps-Universität noch am Anfang. Das Forschungsteam untersucht an der für Fluoreszenzmikroskope durchsichtigen Fruchtfliege Drosophila die grundlegenden zellulären Prozesse, indem sie beispielsweise Moleküle markieren und in Zellen oder Zellverbänden hochauflösend und in Echtzeit verfolgen. Bei Drosophila wird per Laser eine kleine Verletzung der Haut hervorgerufen, sodann studieren die Forschenden die molekularen Prozesse im Heilungsprozess mit Hilfe hochauflösender Lebendzellmikroskopie.
In ihren Untersuchungen verfolgten die Forschenden zunächst einen schon bekannten Regulatorkomplex der Wundheilung namens „Rac-WAVE-Arp2/3“, der die Zellformveränderung und Zellbewegungen steuert. Dabei beobachteten sie gleichfalls, dass das Molekül „CYRI“ diesen Regulatorkomplex während der Wundheilung und der invasiven Zellbewegung von Epithelien hemmt. CYRI ist auch im menschlichen Körper bekannt.
Das Molekül unterdrückt die Ausbreitung von Krebszellen während der Metastasenbildung. „Die Daten zeigen also, dass CYRI ein wichtiger Regulator der Zell- und Epithelgewebedynamik ist, der über alle Arten hinweg konserviert wird – der Regulator ist bei der Fruchtfliege wie auch beim Menschen wesentlich“, schließen die Erstautoren Marvin Rötte und Mila Yasmin Höhne aus den Experimenten ihrer Promotionsarbeiten.
Künftige Studien sollen weitere Einblicke in die Rolle von CYRI in der Wundheilung bei Drosophila wie auch bei verzögerter Wundheilung und chronischen Wunden beim Menschen geben und auch die Relevanz in der Metastasierung von Tumoren zeigen. Das wäre ein möglicher Angriffspunkt für eine gezielte Therapie.
* pm: Philipps-Universität Marburg