Eine Fachtagung zum Thema „Kommunale Konfliktbearbeitung“ haben Stadt und Uni durchgeführt. Sie stand unter dem Motto „Konflikte in der Öffentlichkeit sehen – Gewalt verhindern“.
Kommunale Konfliktbearbeitung ist ein vielschichtiges Thema. Nächtliche Partys im öffentlichen Raum sorgen beispielsweise für Konflikte zwischen Feiernden und Anwohnenden. Zudem klagen Ordnungskräfte, Feuerwehr und Rettungskräfte über Übergriffe. Rund 30 Expertinnen und Experten aus Forschung, Behörden, Polizei und Freien Trägern haben sich in der Universitätsstadt Marburg getroffen, um sich zu vernetzen und gemeinsam Fragen der kommunalen Konfliktbearbeitung zu diskutieren.
„Wir müssen uns vor Augen halten, dass wir in einer sehr sicheren Stadt in einem sicheren Land leben und unsere Konflikte im Vergleich zu denen in anderen Teilen der Welt wesentlich geringer sind“, sagte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies. „Dennoch ist es wichtig, auch Konflikte vor unserer Haustür wahrzunehmen und anzugehen.“
Die polizeiliche Kriminalstatistik zeigt für das vergangene Jahrzehnt und darüber hinaus einen Rückgang von Gewaltdelikten. „Das Sicherheitsempfinden der Menschen richtet sich aber nicht nach den Daten der Kriminalstatistik. Wie das Wort ,Empfinden‘ schon beinhaltet geht es darum, wie Sicherheit wahrgenommen wird, wie sicher man sich fühlt und das ist subjektiv“, betonte Spies. „Unsere Aufgabe ist es, Wege und Strategien zu entwickeln, wie gewalttätige Konflikte und Kriminalität gelöst und bearbeitet werden. Die faktische Sicherheit und das Sicherheitsempfinden der Bürger*innen müssen gleichermaßen gestärkt werden. Vor allem geht es beim Thema Sicherheit um die Frage, was Kommunen tun können, um gewalttätige Konflikte erst gar nicht entstehen zu lassen.“
Die Fachtagung „Kommunale Konfliktbearbeitung“ wurde gemeinsam von der Stadt Marburg und der Philipps-Universität organisiert und von der Deutschen Stiftung Friedensforschung finanziell unterstützt. Zu der Fachtagung haben Johannes Maaser vom städtischen Fachdienst Gefahrenabwehr und Gewerbe sowie die Marburger Sozialpsychologen Prof. Dr. Ulrich Wagner und Prof. Dr. Christopher Cohrs rund 30 Expert*innen aus Forschung, von Behörden, Polizei und Freien Trägern aus ganz Deutschland eingeladen.
Während der Fachtagung wurden drei große Themenbereiche diskutiert. Es ging um aktuelle Problemlagen und deren Entstehung, kommunale Konfliktberatung, Gewaltprävention und polizeiliches Konfliktmanagement sowie kommunale Organisationsstrukturen der Konfliktbearbeitung. „Für mich war eine wichtige Erkenntnis, dass beim Kommunalen Konfliktmanagement immer mehr globale Krisen und Herausforderungen auch lokal bearbeitet werden müssen“ berichtete Johannes Maaser vom Projekt „EinSicht – Marburg gegen Gewalt“ der Stadt Marburg. „Sehr deutlich wird dies etwa, wenn die Kriege in der Ukraine oder im Gazastreifen auch auf Marburger Schulhöfen zu Auseinandersetzungen führen.“
Dafür brauche es auf lokaler Ebene dauerhafte, professionelle Strukturen, die zugleich flexibel auf neu entstehende Krisen reagieren können. „Außerdem ist es wichtig, kommunale Konfliktlagen als ein ganzheitliches Problem zu betrachten. Das bedeutet, wenn es beispielsweise gewaltauffällige Jugendliche gibt, dann darf man sie nicht isoliert als ,das Problem‘ ansehen. Das gesamte Umfeld und das soziale Netzwerk müssen einbezogen werden mit Peer Groups, Familie, die Schule und Vereinen.
Im besten Fall lässt sich ein Konflikt gemeinsam bearbeiten und langfristig lösen.“ Bei komplexen Problemstrukturen könne es auch hilfreich sein, externe Beratung hinzuzuziehen, da sie nicht Teil der jeweiligen Konfliktlage vor Ort sei. Neben repressiven Maßnahmen der Gefahrenabwehr – zum Beispiel zum Umgang mit bereits auffälligen Gewalttäigen – sei vor allem der Austausch zwischen Behörden und ganz unterschiedlichen Interessengruppen in der Bevölkerung wichtig.
Nur wenn viele Sichtweisen, Bedürfnisse und Interessen einbezogen werden, ließen sich Konflikte im öffentlichen Raum problembewusst und damit nachhaltig bearbeiten. Zur Ansprache von Jugendlichen und jungen Erwachsenen seien zum Beispiel Konfliktbearbeitungstrainings ein Weg. Einen besonderen Schwerpunkt bilde auch die Gestaltung von Innenstädten.
„Die Frage ist, wie städtische Raumplanung so gelingen kann, dass ganz unterschiedliche Menschen den öffentlichen Raum nutzen können, ohne jeweils andere Interessengruppen zu belästigen und damit Konflikte entstehen zu lassen?“, erläuterte Prof. Dr. Ulrich Wagner. „Wie kann man beispielsweise auch jungen Leuten die Möglichkeit bieten, ohne große Kosten eine Party zu feiern? Dazu gibt es in der internationalen kommunalen Konfliktbearbeitung positive Beispiele, die wir uns näher angeschaut haben wie beispielsweise in Zürich, wo verschiedene Orte für junge Leute zum Feiern angeboten werden, jeder Ort aber nur ein oder zweimal im Jahr, sodass Anwohner*innen sich darauf einstellen können.“
Bei der Tagung vertreten waren neben städtischen Mitarbeitenden unterschiedlicher Fachdienste und Stabsstellen aus mehreren deutschen Großstädten auch die Polizei und die Staatsanwaltschaft. Im bundesweiten Feld der Teilnehmenden waren das Deutsch-Europäische Forum für Urbane Sicherheit, das Deutsche Forum Kriminalprävention, das Netzwerk gegen Gewalt Hessen, die CommunAid – Initiative für gesellschaftlichen Zusammenhalt, die Körber Stiftung, die Friedensakademie Rheinland-Pfalz, der Friedenskreis Halle, das Forum Ziviler Friedensdienst (forumZFD) sowie
Wissenschaftler*innen aus der Konfliktforschung, der Soziologie, der Politikwissenschaft, der Kriminologie sowie der klinischen – und der Sozialpsychologie.
* pm: Stadt Marburg