Tauziehen in Zellen: Marburger Forschungsteam löst Rätsel um Organellen

Ein internationales Forschungsteam löst das Rätsel um Enzyme mit widersprüchlichen Adressanhängern. Ein Tauziehen in der Zelle verknüpft Organellen.
Widersprüchliche Adressanhänger an Enzymen fungieren als Haltetaue, um Organellen in Zellen aneinander zu binden. Das hat eine internationale Forschungsgruppe unter Marburger Leitung herausgefunden, als sie Enzyme untersuchte, die mit Adressanhängern für verschiedene Ziele ausgestattet sind. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler berichten im Fachblatt „PLOS Biology“ über ihre Ergebnisse.
Das Innere von Zellen untergliedert sich in abgeschlossene Reaktionskammern. In diesen sogenannten „Organellen“ finden einzelne Stoffwechselvorgänge statt. Am bekanntesten sind Mitochondrien und Chloroplasten.
Viele Enzyme enthalten eine Art Adressanhänger, der ihren Transport zu einem bestimmten Organell regelt; Fachleute sprechen von einem Zielsignal.
„Kürzlich wurde gezeigt, dass das Enzym Ptc5 aus der Hefe Saccharomyces cerevisiae zwei Zielsignale enthält: eines für Mitochondrien, eines für Peroxisomen“, berichtete der Marburger Genetiker Dr. Johannes Freitag. „das sind Organellen, die am Abbau von Fettsäuren beteiligt sind.“
Freitag ist einer der Leitautoren des Fachaufsatzes. Die Forschungsgruppe aus Marburg, vom Weizmann Institute in Israel und aus dem Labor des Nobelpreisträgers Randy Schekman im kalifornischen Berkeley versuchte, herauszufinden, was es mit den widersprüchlichen Zielsequenzen solcher Enzyme auf sich hat. „Wir haben festgestellt, dass diese Enzyme als Bindeglieder fungieren können, die Organellen miteinander verbinden, um Kontaktstellen zu schaffen“, berichtete der Marburger Mitverfasser Dr. Thorsten Stehlik.
„Unseren Ergebnissen zufolge können die betroffenen Enzyme sowohl in Mitochondrien als auch in Peroxisomen transportiert werden, was darauf hinweist, dass sie potenziell für den Stoffaustausch zwischen beiden Organellen wichtig sind“, ergänzte Koautorin Elena Bittner aus Marburg. „Bisher ging man davon aus, dass Organellen hauptsächlich über statische –
mit der Membran assoziierte – Komplexe interagieren“, führte Freitag aus. „Unsere Studie zeigt jetzt aber, dass ein dynamischer Prozess, vergleichbar mit einem Tauziehen, Organellen miteinander verbinden kann.“
Die Entdeckung eröffne neue Perspektiven für das Verständnis der intrazellulären Kommunikation und könnte langfristig dazu beitragen, Therapien für Krankheiten zu entwickeln, die mit Stoffwechselstörungen zusammenhängen, erklärte Mitverfasser Prof. Dr. Gert Bange. Der Marburger Biochemiker ist Vizepräsident für Forschung an der Philipps-Universität. „Der neu entdeckte Mechanismus bietet einen eleganten Ansatz, um den Stoffaustausch zwischen Organellen an deren gemeinsame Aktivität anzupassen., erläuterte er.

* pm: Philipps-Universität Marburg

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