Eine gemeinsame Erklärung gegen die geplante Novellierung des Hessischen Verfassungsschutzes haben 15 Organisationen auf Anregung der Humanistischen Union (HU) verfasst. Die HU wird auch an der Parlamentarischen Anhörung am 8. Februar 2018 im Hessischen Landtag teilnehmen.
Die Marburger Landtagsabgeordnete Angela Dorn von den Grünen fordert die HU auf, gegen den vorliegenden Gesetzentwurf zu stimmen. Auch kurzfristig nachgereichte Änderungsanträge belassen den undemokratischen Kern des Gesetzentwurfs unberührt.
Künftig soll das Hessische Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Personen überprüfen, die in Projekten zur Abwehr von Islamismus, Rechtsradikalismus und anderen demokratierelevanten Bereichen durch Landesmittel gefördert werden. Der hessische Verfassungsschutz erhält hier also den Auftrag, auch die Gegner der Extremisten zu erfassen. Dabei benutzt er nach wie vor einen fragwürdigen „Extremismusbegriff“.
Obwohl der Mord an Halit Yozgat in Kassel und die Rolle des Landesamts für Verfassungsschutz mitsamt seines damaligen V-Mann-Führers Andreas Temme sowie die Rolle des damaligen Innenministers Volker Bouffier immer noch nicht lückenlos aufgeklärt sind und zahlreiche Widersprüche und nachweisbare Falschaussagen bislang keinerlei Konsequenzen gezeitigt haben, will die Landesregierung den Verfassungsschutz in Hessen durch zusätzliche Befugnisse und technische Ausstattung weiter stärken. Die im Gesetzentwurf vorgesehene parlamentarische Kontrolle des Inlandsgeheimdienstes ist indes sehr lückenhaft und muss angesichts von dessen Aufrüstung und Stärkung weitgehend ins Leere laufen.
Die Regierungsmehrheit bestimmt, wer in der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) vertreten ist und hat dort die Mehrheit. Zudem bestehen kaum Dokumentationspflichten, die eine wirksamere Überprüfung der Aktivitäten des Geheimdienstes durch die Parlamentarische Kontrollkommission oder durch Gerichte gewährleisten könnten.
Die HU äußert zu Weihnachten den Wunsch, dass nicht nur die Hessische Landesregierung damit aufhört, Bürgerinnen und Bürger unter Generalverdacht zu stellen und einer anlasslosen Massenüberwachung auszusetzen. Demokratie kann nach Überzeugung der größten und ältesten Bürgerrechtsorganisation Deutschlands nur gedeihen, wenn die Freiheitsrechte nicht für fragwürdige Vorstellungen einer – ohnehin niemals vollständig erreichbaren – Sicherheit geopfert werden. Dazu hat die Humanistische Union eine Aktionsseite online gestellt unter http://vs.humr.de. Dort ist auch der Text der gemeinsamen Erklärung nachzulesen. Über ein Formular können sich weitere Unterstützer der Aktion anschließen.
Der gemeinsamen Erklärung gegen die Novelle des Hessischen Verfassungsschutzgesetzes schließt sich auch der Arbeitskreis Barrierefreies Internet (AKBI) an. Ebenso wie der Chaos-Computerclub Darmstadt problematisiert er vor Allem den geplanten „Hessentrojaner“.
Durch die Nutzung von Trojanern gerät der Staat in ein moralisches Dilemma: Zwar möchte er auf der einen Seite angesichts der zunehmenden Bedrohungslage die IT-Sicherheit von Privatpersonen und Unternehmen fördern, andererseits hat er aber auch ein starkes Interesse an einem Fortbestand solcher Sicherheitslücken. Finanziert mit Steuergeldern, werden sie möglichst lange vor den Herstellern der Programme und Apps geheim gehalten. Weil deshalb nicht nur der Verfassungsschutz, sondern auch Internet-Kriminelle diese Lücken ausnutzen können, ermöglicht und fördert der Staat damit letztlich auch ihre Verbrechen.
Software, die unentdeckt in Recchner eindringt, kann dort wichtige Systemeinstellungen verändern. Oft sind bestimmte Einstellungen auf dem PC aber unerlässlich, damit Behinderte das Gerät überhaupt bedienen können. Durch den Trojanereinsatz gefährdet der Verfassungsschutz deshalb die Integrität informationstecchnischer Systeme und somit letztlich auch die Inklusion.
Weitere Erstaufrufer aus Marburg neben dem AKBI und der Humanistischen Union Marburg sind Freifunk Marburg und die Marburger Initiative gegen den Überwachungsstaat (MIgÜst). Hinzu kommen sieben Organisationen und Parteien aus Hessen sowie vier bundesweite Bürgerrecchts- und Datenschutzorganisationen.
* Franz-Josef Hanke