Eine Forschungsgruppe aus der Medizin fand ein bisher unbekanntes Signal der Atemwege. Es hindert Pneumokokken am Wachsen.
Pneumokokken-Bakterien wachsen schlechter, wenn sie dem Stoffwechselmolekül NAD+ ausgesetzt sind. Das hat eine Forschungsgruppe um den Marburger Lungenmediziner Prof. Dr. Bernd Schmeck herausgefunden, als sie untersuchte, wie die Atemwege auf eine Infektion mit Pneumokokken reagieren. Das ist der wichtigste Erreger der Lungenentzündung.
Die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Philipps-Universität und des Deutschen Zentrums für Lungenforschung berichten im Wissenschaftsmagazin „Nature Communications“ über ihre Ergebnisse. Lungenentzündung ist eine der häufigsten Todesursachen weltweit. Oftmals geht sie auf eine Ansteckung mit dem Bakterium Streptococcus pneumoniae zurück.
„Die Oberfläche der Atemwege bildet die erste Verteidigungslinie gegen Infektionen“, hob Schmeck hervor. Der Lungenspezialist von der Philipps-Universität leitete die Forschungsarbeit.
„Sie bildet Schleim, um Bakterien einzuschließen, und sondert Stoffe ab, die Immunzellen anlocken oder die Bakterien direkt abtöten“, erläuterte Schmeck. „Doch wie genau die Atemwegszellen die Pneumokokken bekämpfen, „darüber wissen wir noch viel zu wenig.“
Um das zu ändern, fanden sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in dem Marburger Forschungsschwerpunkt „Diffusible Signals“ zusammen, der von Schmeck koordiniert und vom Land Hessen im Förderprogramm „LOEWE“ finanziell unterstützt wird. Lösliche Signalmoleküle sind an den meisten Wechselwirkungen zwischen Krankheitserregern und dem befallenen Gewebe beteiligt.
Der Lungenexperte brachte Fachleute des Marburger Zentrums für Synthetische Mikrobiologie und des Deutschen Zentrums für Lungenforschung zusammen, um genau unter die Lupe zu nehmen, wie die Atemwege auf eine Pneumokokken-Infektion reagieren. Das Team untersuchte, welche Änderungen im Zellstoffwechsel auf RNA- und Proteinebene genau stattfinden, wenn Pneumokokken die Atemwege befallen. Dabei fiel vor allem das Molekül NAD+ auf.
NAD+ unterstützt die Aktivität einer Vielzahl von Enzymen. „Um die funktionelle Bedeutung von NAD+ zu erforschen, haben wir die verschiedenen Enzyme seines Stoffwechsels näher untersucht, insbesondere die Auswirkungen auf eine Pneumokokken-Infektion“, berichtete Erstautor Dr. Björn Klabunde, der seine Doktorarbeit in Schmecks Labor angefertigt hat. „Wir fanden heraus, dass eine Infektion zu einem fehlgesteuerten NAD+-Stoffwechsel führt.“
Die Resultate der Forschungsgruppe erlauben neue Einblicke in den Infektionsprozess: „Die Infektion mit Streptococcus pneumoniae führt zu einer reduzierten NAD+-Produktion in den Atemwegszellen, was wiederum zu einer stärkeren Vermehrung der Bakterien führt“, erklärte Schmeck. „Verabreicht man hingegen NAD+, so bremst dies die Bakterien aus.“
Auch eine bakterielle Gegenwehr hat das Team identifiziert. Sie beruht auf der Produktion eines anderen Signals. Dabei handelt es sich um ATP.
„Verstärken die Erreger ihren ATP-Stoffwechsel, so wirkt dies der antibakteriellen Wirkung von NAD+ entgegen“, erläuterte Klabunde. „Unsere Ergebnisse legen erstmals nahe, dass die NAD+-Enzymkaskade als antibakterieller Mechanismus gegen Streptococcus pneumoniae wirkt“, fasste Schmeck zusammen.
Schmeck lehrt Molekulare Pneumologie und Infektiololgie an der Philipps-Universität und leitet die Sektion für Atemwegsinfektionen am Universitätsklinikum Marburg. Er gehört dem Deutschen Zentrum für Lungenforschung, dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung und dem Zentrum für Synthetische Mikrobiologie der Philipps-Universität an, außerdem fungiert er als Sprecher des LOEWE-Schwerpunkts „Diffusible Signals“.
Neben Schmecks Arbeitsgruppe beteiligten sich zahlreiche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Philipps-Universität und des benachbarten Max-Planck-Instituts für terrestrische Mikrobiologie sowie aus Universitäten und Forschungseinrichtungen in Greifswald, Gießen, Maastricht und Borstel an der wissenschaftlichen Studie. Das Bundesforschungsministerium, die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Von-Behring-Röntgen-Stiftung sowie das Hessische Wissenschaftsministerium beteiligten sich an der Finanzierung der Forschungsarbeit.
* pm: Philipps-Universität Marburg